Gemeinderat,
48. Sitzung vom 22.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 75 von 118
der Ausspruch, wenn wir schon bei den Zitaten sind,
vom Kollegen Chorherr ein: „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit.“ Und ich
denke, selten hat dieser Satz so gepasst wie bei dem Thema Höhenentwicklung.
Ich beschäftige mich heute kurz mit dem Hauptbahnhof
und Nahversorgung. Vor allem möchte ich diesen neuen Leitsatz, der da immer
wieder herumschwirrt, ein bissel hinterfragen: Bahnhöfe werden zu Impulsgebern
für die Wiener Stadtentwicklung.
Dieser Satz ist aus meiner Sicht eine Gefahr für
diese Stadtentwicklungen. Er suggeriert, dass jetzt nur in der Umgebung von
Bahnhöfen etwas passiert und wir wissen und ich glaube das auch durch meinen
Bezirk Wien-Favoriten, dass sich gerade in der Umgebung von solchen Bahnhöfen
natürlich gerade die Nahversorger nicht besonders leicht tun. Umschreiben wir
das einmal so einfach. Wir finden das sehr gut, dass die beiden Bahnhöfe, mit
denen ich mich jetzt einmal hauptsächlich beschäftige, Westbahnhof und
Hauptbahnhof, entwickelt werden. Sie werden sicher auch ein Impulsgeber für die
Region sein, aber wir dürfen eines auch nicht vergessen: Es wird immer nur von
Einkaufszentren mit 20 000 bis 30 000 m² gesprochen, es
wird aber nicht davon gesprochen, was mit der Umgebung passiert, was mit den
Geschäftsstraßen in der Umgebung passiert. Denn während die Bahnhöfe zu
Impulsgebern für die Wiener Stadtentwicklung werden, sterben Einkaufsstraßen
ab: Liechtensteinstraße, Alser Straße im 9. Bezirk, unlängst erst wieder
einmal Thema, die Praterstraße, die Taborstraße im 2. Bezirk,
Lerchenfelderstraße oder auch die Wallensteinstraße. Da hört man eigentlich
nichts. Also wir hören zwar immer vom Bürgermeister und in großflächigen
Inseraten vom Planungsstadtrat, wie toll die Bahnhöfe entwickelt werden und wie
toll diese Einkaufszentren werden. Am Westbahnhof, das wird ein
Einkaufszentrum, das eher, na, wie soll man sagen, für die Pendler, für die
Nahverkehrspendler ist. Am Hauptbahnhof wird es internationaler, weil man sich
da internationalen Passagier- und Gästeverkehr erwartet. Das ist alles schön
und gut, aber was passiert mit diesen Einkaufsstraßen? Geschlossene Rollbalken,
die Kollegin Lachkovics hat das heute schon gesagt, verklebte Schaufenster,
heruntergekommene Handyshops. Viele dieser Geschäftsstraßen bilden ein
trauriges Bild und laut einer Studie der Wirtschaftskammer, Entschuldigung,
nicht der Wirtschaftskammer, sondern einer Organisation, die sich damit auch
sehr beschäftigt, werden sich nur 10 Prozent der Einkaufsstraßen durchsetzen.
Dass daran oft nicht immer nur die Stadt schuld ist, das liegt natürlich auf
der Hand, das möchte ich auch nicht sagen. Es ist aber unbestritten, dass jetzt
deutlich mehr Engagement der Kommune notwendig ist, um diesen kleinen
Einkaufsstraßen, diesen kleinen Unternehmen zu helfen, die ja besonders wichtig
sind, weil wir aus AK-Studien wissen, dass besonders die kleinen Unternehmen
auch ein besonderes Verhältnis zu den Mitarbeitern haben. Also die kündigen
nicht so von heute auf morgen und da muss schon wirklich was passieren, dass
die sich von ihren Mitarbeitern trennen, nicht so wie die großen Betriebe, wie
man es jetzt bei Siemens sieht, die einfach von heute auf morgen einige Hundert
Leute auf die Straße setzt. Daher ist es auch wichtig, dass wir diese kleinen
Geschäftsstraßen seitens der Stadt unterstützen und versuchen, diesen zu
helfen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Wien hat
Österreich-weit die meisten Shoppingcenter. Auch bei der Dichte sind wir
Spitzenreiter. Ein Vorteil ist und das muss man schon sagen, wenn man sich das
genau anschaut, dass in Zukunft natürlich diese großen Flächen fehlen werden.
Also es gibt zwei Gebiete, da ist einmal das oft zitierte Einkaufszentrum in
Rothneusiedl. Ob das wirklich kommt, weiß man nicht. Ich meine, es gibt noch
den Optionenvertrag und da wird man schauen müssen, ob man den umsetzen kann.
Am Flugfeld Aspern werden wir wahrscheinlich auch, wenn man nichts anderes
findet, ein Einkaufszentrum hinstellen. Sonst muss man sagen, wird nicht viel
passieren. Das Donauzentrum ist um zirka 60 Geschäfte erweitert worden. Es
geht leider auch dort der Umsatz zurück, wie ich gehört habe, aber so schön, so
gut. Ich denke einmal, dass das in der nächsten Zeit in Wien abgeschlossen sein
wird. Das heißt daher, was kann die Stadt oder was können wir als Kommune für
diese Einkaufsstraßen tun, denn wir sollten jetzt neben den beiden
Einkaufszentren bei den beiden Bahnhöfen den Fokus nämlich wieder auf diese
Einkaufsstraßen legen. Also was kann die Stadt oder was kann die Planungsabteilung
tun, damit das Verweilen dort in den Einkaufsstraßen einfach ein bissel
angenehmer wird. Erster Punkt ist einmal eine attraktivere Gestaltung des
öffentlichen Raums. Wir wissen, dass man sich nur in jene Straßen traut, in
denen es auch relativ angenehm ist, sich dort in seiner Freizeit aufzuhalten,
also Lokale, nettes Äußeres und so weiter. Erst dann sind auch die Leute bereit
zu investieren beziehungsweise die Geschäfte zu besuchen, das heißt, wir
brauchen auch dort eine Fußgängerfreundlichkeit und in vielen Straßen ist das
einfach nicht mehr gegeben.
Nächster Punkt ist, und das hat jetzt vielleicht
weniger mit der Stadt zu tun, aber trotzdem könnte die Stadt ein bissel einen
Anstoß geben, dass es nicht nur diese Handels-Cluster in den einzelnen Einkaufsstraßen
gibt, sondern dass man speziellen Nischengeschäften, also Geschäften, die
kleine Nischen bevorzugen, Hilfe gibt, damit sie sich dort niederlassen und die
leerstehenden Geschäftslokale mieten und dass man dann versucht, dort einen
Impuls für das Grätzel zu bekommen.
Nächste Möglichkeit: Parkplätze. Wir brauchen sicher,
und da habe ich auch wieder mein Beispiel Favoritner Fußgängerzone, dass eine
Machbarkeitsstudie gemacht wird, um einmal den Viktor-Adler-Markt zu
untertunneln und zu schauen, ob man da drunter eine Parkgarage hinbekommt. Wir
haben dort ja eigentlich das Problem, dass jemand, der nicht direkt in der
Fußgängerzone wohnt und dort einkaufen gehen möchte, in Wirklichkeit oft keinen
Parkplatz kriegt, ja, und damit fahren dann auch sehr viele in die SCS oder in
andere umliegende Einkaufs-Center weiter.
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