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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.11.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 63 von 122

 

Radfahrer beißen nicht, nicht einmal Sie, Herr Madejski, obwohl es manche wahrscheinlich reizen würde! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Okay.

 

Ich habe mir vorgenommen – und möchte mich auch daran halten –, nur auf einige wenige Gebiete einzugehen.

 

Demnächst findet eine historische Klimakonferenz in Kopenhagen statt. Und in Wien gibt es ein Schlüsselressort, das eigentlich ein relevantes Klimaressort ist, nämlich das Ressort Stadtplanung und Verkehr.

 

Wir werden einige Wochen darauf hier – und darauf ich möchte schon ein bisschen Bezug nehmen – das neue Klimaschutzprogramm haben, und ich verhehle nicht, dass ich bei dessen zweijähriger Verhandlung viel gelernt habe. Ich möchte die Details nicht vorwegnehmen, aber wir haben das im Klub von unterschiedlichen Seiten beleuchtet und werden das auch weiterhin tun. Uns gehen auch die zugegebenermaßen großen Anstrengungen an sich zu wenig weit, wenngleich viel versucht wird.

 

Wissen Sie, welche Reduktion der Gesamt-CO2-Emissionen für die nächsten 15 Jahre geplant ist? – Überhaupt keine Reduktion! Trotzdem gibt es einiges, was für dieses Klimaschutzprogramm spricht. Da gibt es eine Frau Fohler-Norek mit ihrer Abteilung, und ich muss schon vorweg auch Frau StRin Sima durchaus Anerkennung zollen: Sie hat sich im Rahmen dessen, was in der SPÖ-Politik möglich ist, bemüht. Auf rund 250 Seiten finden sich unglaublich viele Maßnahmen, von denen viele sinnvoll sind. Viele Maßnahmen fehlen aber. Und was kommt am Schluss heraus? – Das Einfrieren der CO2-Emissionen für die nächsten 10 bis 15 Jahre! Gleichzeitig gehen wir jetzt auf eine Klimakonferenz zu, bei der sich keine von den Industrienationen mehr von 520 Prozent minus zu reden traut. 30, 40, 50 Prozent minus für die nächsten Jahrzehnte sind das, was sich reiche Länder und reiche Städte vornehmen müssen.

 

Erlauben Sie mir, noch einmal die Zahlen zu wiederholen. Schauen wir uns die aktuellen Entwicklungen an, die jetzt in heftige Auseinandersetzungen gemündet sind. Ich sage jetzt nur metapherartig: Europa versus China. – Ich schaue jetzt in Richtung Madejski, ich spreche ihn aber nicht persönlich an, sondern sage nur, was uns in den nächsten Jahren an Verhandlungen, Zahlungen und Änderungen bevorsteht. Ich glaube, ich habe die Zahl schon einmal genannt, sie ist aber so prägnant, dass ich sie Ihnen noch einmal bringen will.

 

Auf 1 000 Österreicher kommen im Schnitt 500 Autos, die auch entsprechend benutzt werden. Auf 1 000 Chinesen kommen derzeit 25 Autos. Wo gibt es derzeit die größten Investitionen in Straßenbau? Wo investieren alle europäischen, amerikanischen und sonstigen Automobilfirmen? – In China! Meine Damen und Herren! All das geht sich nie und nimmer aus, nicht von der Ölseite her, auf die ich kurz eingehen will, und nicht von Seiten der Emissionen. Und man wird zurück lachen angesichts des – ich ergänze es – Klimaschutz-Ressourcenprogramms der Stadt Wien, das sich hinstellt und sagt: Wir tun, was wir tun können! Und was gelingt uns? – Ein Einfrieren der gesamten CO2-Emissionen!

 

Ich habe auch Frau VBgmin Brauner zugehört. Da kam es so heraus, dass man sagt: Man muss halt, wenn man alles gemacht hat, auch ein bisschen Klimaschutz betreiben. – Das wird in den nächsten Jahren, meine Damen und Herren, so tief in unseren Bau-, Planungs- und Verkehrsstil einschneiden, dass wir uns heute überhaupt nicht vorstellen können, wie tief das gehen wird!

 

Meine These hinsichtlich dessen, was die nächsten Jahre bringen werden, lautet: Die nächsten Jahre werden unglaublich interessant sein. Ich mache jetzt eine Prognose auf die Gefahr hin, dass ich mir irre. Ich glaube, ich kann sie belegen, und die nächsten fünf Jahre werden es zeigen: Wir haben den Höhepunkt der weltweiten Rohölförderung überschritten. Es wird nicht mehr möglich sein, einfach auf einen Knopf zu drücken. Unvermeidbar – das ist beispielsweise an der Nordsee absehbar, wo die Ölförderung jedes Jahr um 6 Prozent und mehr zurückgeht – sind weite Teile der Welt post peak, das heißt, sie haben ihr Maximum überschritten.

 

Trotzdem wird in weiten Teilen der Welt unser Lebensmodell angestrebt. Heute gibt es 500 Autos pro 1 000 Einwohner hier und 25 in China, wobei China nur eine Metapher ist. In Indien sind es weniger als 10 Autos auf 1 000 Einwohner. Die Chinesen sind – und das sage ich durchaus in Anerkennung – auf der ganzen Welt unterwegs, um die knappen Rohstoffe zu sichern.

 

Der langen Rede kurzer Sinn: Wir werden uns radikal umstellen müssen. Aber im Unterschied zu vielen, die daraus ein Weltuntergangsszenario basteln, sehe ich das entspannt. Und im Unterschied zu den meisten sehe ich das deshalb entspannt, weil meine These lautet, dass nichts so flexibel ist wie das Verkehrssystem.

 

Jetzt greife ich doch den Stau auf der Tangente auf: Was kennen wir aus ganz vielen Umbaumaßnahmen? Ich gehe jetzt nicht auf einzelne ein, denn Straßen müssen halt einmal repariert werden, wurscht, ob aus grüner, blauer, roter oder gelber Sicht: Straßen muss man halt reparieren. Und so geschwind kann man nicht quasi nebenbei irgendwo eine zweite Tangente hinbauen. Ich werde Sie jetzt nicht überzeugen, ich versuche es nicht, Herr Madejski!

 

Ich will aber etwas anderes ableiten: Ich kenne viele Fälle von Reparaturmaßnahmen, in welchen es in der Tat in den ersten Tagen, wenn eine Straße gesperrt wird, einen Riesenstau gibt. Dann geschieht aber etwas Wundersames: Nach ein, zwei, drei, vier Wochen ist der Stau weg, und man fragt sich: Wo sind die alle hin? – Die Leute sind unglaublich flexibel im Verkehrsverhalten!

 

Ich nenne jetzt das Datum, weil das für mich ein historischer Tag war, noch einmal: Ich glaube, es war im Juni 2003. Damals hätte ganz Wien der Zusammenbruch drohen müssen. Sie erinnern sich: Am selben Tag haben die ÖBB und die Wiener Linien gestreikt. Die Prognosen lauteten: Da kann es nur einen Totalstau auf jeder verfügbaren Straße geben. Alle haben das gewusst, alle haben gezittert, tagelang wurde diesem Totalzusammenbruch entgegengefiebert. Dann kam dieser Tag, und

 

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