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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.11.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 115 von 122

 

und der intensiv bekämpft werden muss, wenn man Armut wirklich beseitigen möchte.

 

Was kann man jetzt in Wien tun, damit wir eben nicht warten, bis es die ganze Welt macht? Niemand redet über gerechte Löhne, alle reden über die Statistiken, was es nicht alles gibt, wie das nicht auseinanderfällt und wie es sich in den letzten Jahren, Jahrzehnten entwickelt hat. Was könnte Wien als größter Arbeitgeber, die Gemeinde Wien selber, in der Stadt machen? Über Mindestlöhne und über Höchstlöhne reden!

 

Wir könnten einmal darüber diskutieren, ob irgendjemand etwas arbeitet, was 20 Mal so viel wert ist wie das, was jemand anders tut. Ich glaube das nicht! Man könnte darüber reden, ob eins zu zehn genügt, und mit 1 500 EUR Mindestlohn in der Gemeinde und einem Höchstlohn von 15 000 EUR brutto beginnen. Das ist dann netto ungefähr das Siebeneinhalbfache und immer noch genug. Wir könnten darüber reden, ob wir möchten, dass es irgendwann auf eins zu sieben oder eins zu fünf zusammenschrumpft. Warum muss einer zehnmal so viel verdienen? Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Es ist niemand zehn oder zwanzig oder - so wie es heute ist, und die Schere geht auseinander – hundert Mal so viel wert wie jemand anders, und auch nicht die Arbeit eines Einzelnen.

 

Wir könnten diese Lohnpolitik beginnen und alle einfrieren, so wie richtigerweise die Politikergehälter und die Politikerinnengehälter heuer nicht erhöht wurden: alle einfrieren, die mehr als 15 000 EUR haben! Von mir aus könnten wir es weiter unten auch machen, aber um es möglich zu machen, wäre das eine Grenze. Dann heben wir unten alle Gehälter hinauf, bis wir einmal wenigstens bei 1 500 EUR sind. Die KindergartenpädagogInnen zeigen ja momentan vor, wie wenig sie verdienen. Und Sie kennen die Tabellen: Bei 1 200 EUR brutto beginnt, was leider bei vielen Fällen, wenn sie nicht Vollzeit arbeiten, zu Working Poor führt.

 

Wir könnten eine Grundsicherung einführen und darüber nachdenken, ob wir die 733 EUR, die nur zwölf Mal ausbezahlt werden müssen, so lassen und bejammern, oder ob wir etwas drauflegen und sagen: Nein, das wollen wir nicht, wir machen Wien armutssicher. Das kostet alles Geld! Das kostet alles Geld, und dann müssen wir auch darüber diskutieren: Kann die Gemeinde Wien bei Vermögenssteuern überhaupt selber etwas machen? - Na, wahrscheinlich nicht leicht.

 

Kann man Flächenwidmungsgewinne besteuern? – Na, vielleicht? Es würde sich zumindest rentieren, dass sich das ein paar Juristen und Juristinnen anschauen und vielleicht auf ein findiges Konzept kommen. - Kann man eine Kampagne zur Vermögenssteuer fahren? Kann man eine Kampagne fahren gegen das, was momentan Industriellenvereinigungspolitik ist und was der politische Handlanger der IV, nämlich die Volkspartei, momentan durchführt? - Ja, das kann man! - Kann man Geld in die Hand nehmen und das einmal umdrehen, statt darüber zu reden, ob man ein Transferkonto - die perfideste Idee des Jahres, das Unwort des Jahres! – einführt?

 

Ich hätte gerne gewusst, ob alle von der Volkspartei bereit sind, ihre Transferleistungen hier offenzulegen. Sie waren schon einmal nicht dabei, als wir Transparenz bei den Gehältern, die Sie noch nebenher kassieren, gefordert haben. Da waren Sie nicht dabei. Bei uns war alles auf der Homepage nachzulesen, jedes Gehalt, jedes zweite Gehalt, jedes dritte! (GR Mag Alexander Neuhuber: Tauschen wir! Transferkonto gegen Transparenz! – Machen wir!) Nichts, nichts haben wir gekriegt von der Volkspartei! Gescheit darüber geredet haben Sie alle und haben gesagt: Was geht Sie das an? - Sehr richtig: Was geht Sie das an? Was geht Sie das an, was andere Leute, die von sehr wenig Geld, von weniger als 1 000 EUR im Monat leben müssen, bekommen?

 

Transparenz heißt, dass die Leute, die viel zu viel haben, das offenlegen. Da kann man über Gerechtigkeit reden. Bei Ihnen sitzen Leute, die Pensionen von über 12 000 EUR erhalten und noch Vollzeit arbeiten. Das ist eine Art von Pension, die ich nicht angemessen finde.

 

Also, wenn ich mir etwas wünschen darf, dann legt jeder den Hauptverdienst – da das hier ja für den einen oder anderen der Nebenverdienst ist - offen (GR Günter Kenesei: Ich bin aber verantwortlich für fünf Arbeitsplätze!), es legt jeder seine Nebenverdienste offen, alle Transfers, die Sie im Haushalt haben - und am liebsten würden wir einmal das Vermögen offenlegen! Über das dürfen wir ja nicht reden, sondern wir sollen darüber reden: Was kassiert die Mindestpensionistin? Wie viel Arbeitslosengeld bekommt jemand? Wie viel Notstandshilfe bekommt jemand? Bekommt jemand einen Heizkostenzuschuss oder Wohnbeihilfe? - Und das wird dann gegeneinander aufgerechnet.

 

Das ist derartig ekelhafte Politik (GR Mag Alexander Neuhuber: Das ist Klassenkampf pur!), da wird mir wirklich schlecht! Da wird mir wirklich schlecht, und es dreht mir den Magen um. (GR Mag Alexander Neuhuber: Das ist Klassenkampf, was Sie betreiben!) Den Klassenkampf, den hat die Volkspartei schon lange begonnen, diesen konservativen Klassenkampf von oben. Lesen Sie ein paar Zeitungen, die nicht ausschließlich aus Ihrem Sektor kommen und nicht ausschließlich von Raiffeisen mitfinanziert sind, lesen Sie auch etwas anderes! Den sozialen Neid von oben, den spürt man bei Ihnen ja! Sie gönnen ja den Leuten unten nicht einmal das Überleben! Sie gönnen den Leuten nicht die Margarine auf dem Brot! Das ist das Problem, das Sie haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie schauen hinab, und das ist eine Abscheu - in Deutschland wird das von Leuten wie Ihnen „Unterschicht" genannt.

 

Und das ist das Problem, das wir in diesem Land haben: Die Sozialdemokratie traut sich nicht, gegen diese Art von Politik aufzutreten. Das ist ein Problem. Sie müssen da mutiger werden, denn die Bevölkerung sieht das sicher anders. Wenn man in diesem Land fragt: Sollen Leute, die Millionen haben, mehr beitragen, damit wir hier in einer solidarischen und sicheren Gesellschaft leben?, dann wird nicht nur die Mehrheit, sondern nahezu alle werden sagen: Na selbstverständlich wollen wir das!

 

Und woher weiß man all diese schönen Zahlen? –

 

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