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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.11.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 114 von 122

 

der Volkspartei so wenig wert, dass er am Abend verhandelt werden soll?

 

Oder - jetzt kommt mein Vorschlag - wir machen es ganz anders: Wir machen die Sitzungen in Zukunft von 9 bis 17 Uhr, das dauert ein paar Tage länger. Das ist für Leute, die hauptberuflich Politik machen, gar nicht so ein Problem. Das wird bei Ihnen ein bisschen schwierig sein, weil Sie sehr viele andere Funktionen und andere Jobs haben. Das ist für die meisten von Ihnen der Nebenverdienst, denn wegen der 3 300 EUR macht ja nicht jeder aus der ÖVP den Job. Dann brauchen wir eben ein paar Tage länger; das wird bei Ihnen nicht gehen, das wird bei der ÖVP nicht gehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber es kann ja in Zukunft in einer Präsidiale genau darüber geredet werden. Dann ist alles zwischen 9 und 17 Uhr, und das geht sich aus.

 

Auch sehr lustig war heute, dass die Partei, die immer Deutschkurse auslobt für alle Möglichen, wieder einmal auffällt. Da muss man sagen, wenn es wiederholt wird, ist es schon blöd, aber die Rezension und die Rezession sind nicht ganz dasselbe. Das sind also wirklich schwierige Worte, und die Rischka und die Rikscha - was das eine ist, weiß ich nicht genau. Aber wenn die Fehler dauernd kommen - und da herinnen machen zwischendurch alle Fehler, nur reiten nicht alle auf dem Deutschkurs für alle anderen herum -, erwarte ich von der FPÖ, dass sie ihre Fraktion in einen Deutschkurs schickt, damit ich mir das hier nicht anhören muss! (Beifall bei den GRÜNEN.) Was Sie anderen zumuten, das wäre für Sie auch angebracht. Denn dass die Anträge vor Fehlern strotzen, ist ein anderer Kaffee.

 

Zum Sozialen: Die Reden zum Sozialen laufen sehr ähnlich ab. Es wird das Ausmaß der Armut beklagt, und nicht erst seit dem letzten Jahr die steigende Armut; dann wird gesagt, was alles gemacht wird; und am Ende stehen wir alle da mit österreichweit 13, 14 Prozent Armutsgefährdung in den Städten - ohne dass ich jetzt jeder Stadt einzeln etwas zuordnen möchte, deswegen: bis zu 17 Prozent in Wien. Es ist schade, und alle sagen das. Die Frage ist : Was machen wir damit, und wie würde denn eine gerechte Welt ausschauen?

 

Heuer haben wir die Barriere von 100 000 SozialhilfeempfängerInnen das erste Mal durchbrochen. Kein Grund zum Feiern, eine runde Zahl, und die steigt noch! Die Annahme für das nächste Jahr mit der Mindestsicherung ist, dass wir von 115 000 Personen ausgehen müssen. Zumindest sind das die Prozentsteigerungen, die beim Städtebund so verhandelt wurden. In anderen Bundesländern ist die Steigerung noch viel höher, weil dort eine hohe Rate an Personen war, die die Sozialhilfe nicht in Anspruch genommen haben.

 

Jetzt behaupte ich einfach: An Strategien, wie man Armut bekämpfen muss, mangelt es gar nicht. Es ist erst letzte Woche oder diese Woche ein alternatives Krisenpaket vorgestellt worden, von den NGOs rund um die Armutskonferenz Attac, mit lauter richtigen Forderungen. Zumindest die Sozialdemokratie wird genauso genickt haben und gesagt haben, das sind eigentlich schlaue Forderungen, wie wir GRÜNE. Da ist alles drinnen: Investitionen in die soziale Sicherheit, Bildung und, und, und. Es steht dort auch dabei, wie man das machen kann und wie man es finanziert.

 

Ich meine, es ist ein bisschen wenig, wenn wir warten, bis die Welt irgendwann eine Börsenumsatzsteuer oder eine Transaktionssteuer einführt. Denn wenn wir lange warten, dann wird die Armut hier weiter explodieren, und wir reden jedes Jahr darüber. Es stand nämlich vor einem Jahr auch in den Reden, dass wir es gerne hätten, dass die Welt oder zumindest die Europäische Union das einführt. Das machen sie aber momentan nicht.

 

Die Frage ist: Was kann man vor Ort machen? Wien kann nicht allein die Welt retten. Aber Wien war vor 90 Jahren Vorbild im sozialen Wohnbau, und es sind Leute aus anderen Ländern hierher gekommen und haben geschaut, wie man das macht. (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Das ist noch immer so! - GR Dipl-Ing Martin Margulies: Na ja!) Der soziale Wohnbau - über den lassen wir uns morgen aus, in der ersten Geschäftsgruppe, also in elf Stunden - ist immer noch weit besser als der private Markt, und ohne den wären die Mieten sicher höher. Aber heute kommt niemand nach Wien und sagt: Das ist die Stadt ohne Armut, da schauen wir, wie es geht. Das ist genau so, wie es international ist, das sind diese 17 Prozent; mögen es 16 Prozent sein, es sind zu viel!

 

Es fehlt nicht an den Strategien, sondern es fehlt der Mut, das auch anzugehen. Das wundert mich auch nicht, denn der Gegenwind ist groß. Momentan geht es nicht darum, ob irgendjemand „Eat the Rich" sagt; das ist die Parole, die dann immer dagegen geschwenkt wird. Was momentan läuft, das hat die „Jungle World" sehr schön auf dem letzten Titel gehabt - das ist das, was die Konservativen quer durch Europa jetzt wieder reiten! Das ist schade, weil ich gehofft habe, dass die Krise dazu genützt wird, dass wir eine neue Gerechtigkeitsdiskussion haben. Haben tun wir etwas anderes, haben tun wir das (Der Redner hält eine Zeitung mit der Schlagzeile „EAT THE POOR" in die Höhe.): „Eat the Poor", das ist momentan das Programm, das die Volkspartei fährt. Wir sind in der Defensive; alle, die es ernst meinen mit der Armutsbekämpfung, lassen sich in die Defensive treiben. Das ist nicht notwendig!

 

Die GRÜNEN allein werden das nicht machen können. Die NGOs allein werden das nicht machen können. Und ein paar Einzelne, die irgendwann aus der Sozialdemokratie ausbrechen und sich bei den Vermögenssteuern ein bisschen schärfer artikulieren, werden es auch nicht leisten können. Aber alle zusammen, die ich aufgezählt habe, können in dem Bereich mehr leisten!

 

Alles, was wir tun müssen, ist, in dem Bereich mehr Mut zu zeigen, wenn die Industriellenvereinigung ein 60 Seiten-Pamphlet an die Journalisten und Journalistinnen verschickt, das von Fehlern strotzt, von A bis Z, und von Unterstellungen gegenüber Leuten, die von Transferleistungen überleben müssen, wo ein Menschenbild gezeigt wird, ein Sozialneid von oben, den ich auch bei der ÖVP immer durchspüre, der mir selber den Magen umdreht

 

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