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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 13.12.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 37 von 126

 

nicht nur der Stadtverwaltung und nicht nur der Stadtregierung, sondern eben von uns allen.

 

Ich komme gerade gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus von einer Reise, die das Außenministerium speziell für EU-Gemeinderäte und EU-Gemeinderätinnen organisiert hat. Über alle Fraktionsgrenzen hinweg war dort einstimmig die Meinung, wie wichtig gerade die lokale Ebene und gerade auch wir als Gemeinderäte und Gemeinderätinnen als Drehscheibe der Kommunikation zu den Bürgern und Bürgerinnen für das Thema Europa sind.

 

Was die wenigsten wissen, ist, dass 70 Prozent des gesamten EU-Rechts hier bei uns in den Städten umgesetzt werden und 70 bis 80 Prozent aller EU-Bürger und -Bürgerinnen in Städten leben. Das heißt, es sind die Städte, die auch die Auswirkungen der Entscheidungen auf europäischer Ebene zu tragen haben, und dann sind es auch wir, die diese Entscheidungen den Bürgern und Bürgerinnen vermitteln müssen, sei das angefangen vom Stabilitätspakt, von der Auftragsvergabe, den Rahmenbedingungen für den Wettbewerb, der Wien und vor allem die Erbringung von Dienstleistungen wesentlich beeinflusst, bis zu diversen Richtlinien und Verordnungen, die unmittelbar geltende Wirkung haben.

 

Es kann nicht oft genug gesagt werden: Europapolitik ist Innenpolitik, ist Kommunalpolitik, und deshalb ist dieser Europaausschuss, den wir jetzt gemeinsam geschaffen haben, so wichtig und wirklich ein großer Schritt für Wien. Vielleicht ein kleiner für Europa, aber ich denke, ein großer für Wien. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Die Aufgaben des Ausschusses werden ja weit über die Aufgaben der MA 27 - EU-Strategie, wo bisher EU-Förderungen und das wichtige Thema Daseinsvorsorge ressortiert haben, hinausgehen. Worum geht es in den nächsten Jahren europapolitisch in Wien? In Wien steht europapolitisch viel an. Das eine ist die strukturelle Umsetzung der Auswirkungen des Lissabon-Vertrags für die Städte.

 

Es klingt zwar ein bisschen trocken, wenn ich begeistert von Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung oder Subsidiaritätskontrolle oder Gesetzesfolgenabschätzung rede, das wird Sie jetzt vielleicht nicht unmittelbar von den Sesseln reißen. Ich denke aber, dass das doch Meilensteine sind, die auch große Auswirkungen für die Handlungsspielräume von Städten haben werden. Wien ist da gut beraten, sich rechtzeitig einzubringen, um die EU-Gesetzgebung stärker als bisher zu beeinflussen, um diese neuen Rechte auch zu nützen, um wirklich die Handlungsspielräume zu nützen, die wir haben und die vielleicht bisher nicht ganz so genützt wurden - wobei sie von Wien offensiver genützt werden, muss ich sagen, als von der Bundesregierung, von der ich mir eine wesentlich aktivere und offensivere Europapolitik wünschen würde.

 

Da gibt es in den nächsten Jahren einiges zu tun. Zum Beispiel könnte das Klagsrecht des Ausschusses der Regionen, in dem ja auch Wien Vertreter/Vertreterinnen hat, als gutes Damoklesschwert verwendet werden, um die Städte und die Anliegen der Städte früher als bisher und rechtzeitig in den europäischen Gesetzgebungsprozess einbringen zu können und damit wirklich die Rechtsstellung von Wien in Europa maßgeblich zu stärken.

 

Ich denke, eine der zentralen inhaltlichen europapolitischen Aufgaben, die Wien auch in den letzten Jahren - das muss ich wirklich sagen, und das habe ich an dieser Stelle auch aus der Opposition heraus schon immer gesagt - sehr verantwortungsvoll und offensiv wahrgenommen hat, sind die Stärkung der Daseinsvorsorge und die Absicherung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa. Das ist sicher eines der wichtigsten Themen, wo wir alle auch über Fraktionsgrenzen hinweg aufgefordert sind, wirklich aktiv zu werden in all den Gremien und Netzwerken, in denen wir tätig sind. Frau VBgmin Brauner hat es heute auch schon angesprochen, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.

 

Was ist das? - Da geht es darum, dass man Dienstleistungen im Sozialbereich, im Bildungsbereich, im Umweltbereich, im Gesundheitsbereich vom Wettbewerb ausnimmt, vom Markt ausnimmt wegen der Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie, die ja eine sehr liberalistische ist und die leider so viel Spielraum bietet, dass eigentlich der Europäische Gerichtshof jetzt derjenige ist, der in dieser Sache Recht setzt. Da sind wir wirklich gefordert, darauf zu schauen, dass sichergestellt ist, dass Dienstleistungen im Sozialbereich, im Bildungsbereich und so weiter weiterhin in hoher Qualität sicher, für alle zugänglich, leistbar - vor allem zu leistbarem Preis - und niederschwellig von den Städten und Kommunen angeboten werden können. Das ist, denke ich mir, eine der wesentlichsten inhaltlichen Aufgaben, die wir im Europaausschuss auch in den nächsten Jahren haben.

 

Im Zuge dieser schon angesprochenen Brüsselreise mit dem Außenministerium haben wir auch einige Gespräche mit Vertretern des Rates der Gemeinden und Regionen Europas führen können. Bgm Häupl hatte ja hier zwölf Jahre die Präsidentschaft über, und man hat uns quasi als Wienern und Wienerinnen mit auf den Weg gegeben, dass man sich auch nach Auslaufen der Amtsperiode von Bgm Häupl eine weiterhin sehr aktive und offensive Rolle Wiens in dieser Frage der Absicherung der Daseinsvorsorge wünscht und auch erwartet.

 

Meine Damen und Herren! Was wir brauchen und was wir sicher auch zum Teil noch entwickeln müssen - in Ansätzen ist es schon vorhanden -, ist so etwas wie eine europäische Städtepolitik. Sie wissen, es gibt den schon erwähnten Ausschuss der Regionen, in dem Städte zwar eine Vertretung haben, aber ich denke - und ich meine, das wird uns alle auch über die Fraktionsgrenzen hinweg einen -, Städte haben im EU-Institutionsgefüge einfach noch zu wenige Mitsprachemöglichkeiten. Aber die Herausforderungen unserer Zeit müssen eigentlich durch die Städte und in den Städten gemeistert werden, in Verkehr, Migration, Umweltproblematik, Armutsbekämpfung. Es sind die Städte, die auch die Auswirkungen der Wirtschafts- und Verteilungskrise auffangen müssen, die sie aber zum Teil aus Ressourcenmangel gar nicht mehr auffangen können.

 

Deshalb sollte es uns ein gemeinsames Anliegen sein, europapolitisch dafür zu kämpfen, dass Städte die

 

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