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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 13.12.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 126

 

ein bisschen vernachlässigt wurde. Das ist das Thema Europäische Bürgerinitiative.

 

Die Europäische Bürgerinitiative wird uns, wenn sie in einem Jahr in Kraft tritt, in Wien sicher sehr viel beschäftigen, weil wir als Gemeinderäte/Gemeinderätinnen auch eine wichtige Rolle in der Informationspolitik über diese Initiative und in der Unterstützung von diversen Initiativen haben werden. Auch unsere Medien werden da eine große Rolle haben.

 

Es ist vor ein paar Wochen eigentlich ein Durchbruch im so genannten Trialog aus Europaparlament, Kommission und Rat gelungen. Diese Europäische Bürgerinitiative ist ja wirklich das erste direktdemokratische grenzüberschreitende Instrument der Welt, es gibt nirgendwo anders ein staatenübergreifendes direktdemokratisches Instrument. Ich denke, diese EBI, die Europäische Bürgerinitiative, wird die demokratischen Spielregeln Europas wirklich maßgeblich beeinflussen.

 

Diese Europäische Bürgerinitiative hat jetzt also endlich einen rechtlichen Rahmen bekommen, wie sie wirklich ausgestaltet werden soll. Da ist auch einiges an Verbesserungen noch gelungen, dem Europäischen Parlament zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag vorzuschlagen.

 

Sie erinnern sich vielleicht daran - diejenigen, die schon vor einem Jahr in diesem Haus waren -, im November 2009 haben wir hier auch einen entsprechenden Antrag verabschiedet, dass Wien im Rahmen des öffentlichen Konsultationsverfahrens zur Europäischen Bürgerinitiative Stellung nehmen soll. Wien hat das auch getan und es sind jetzt einige Verbesserungen dank des Europäischen Parlaments vorgenommen worden. Berichterstatter war übrigens ein Grüner. Es konnte eine Senkung der Mindestanzahl der Mitgliedsstaaten, die für so eine Bürgerinitiative notwendig sind, erreicht werden. Jetzt sind es sieben Mitgliedsstaaten, die man für so eine Initiative braucht. Ich denke, das ist ein guter Kompromiss. Es konnte von uns eine beinahe ersatzlose Streichung der zusätzlichen Hürde für die Zulässigkeitsprüfung von 300 000 Unterschriften erreicht werden. Auch bei der Unterschriftensammlung braucht es in Hinkunft im Regelfall keine Angabe von Ausweisnummern. Ich denke, das Wichtigste, das uns gelungen ist, ist, dass diese Bürgerinitiative nicht einfach in den Schubladen der Eurobürokraten und -bürokratinnen verschwinden wird, sondern dass es eine verpflichtende öffentliche Anhörung durch Europäisches Parlament und Kommission geben muss.

 

Allerdings ist der Preis für diese Fortschritte nun leider so, dass wir noch ein weiteres Jahr auf diese Europäische Bürgerinitiative warten müssen, bevor sie in Kraft tritt. Die Mitgliedsstaaten haben ein Jahr Zeit, die EBI umzusetzen, was schade ist, weil es einerseits zum Beispiel Greenpeace gibt, die bereits die eine Million nötigen Unterschriften für ein gentechnikfreies Europa gesammelt haben. Wir waren am Donnerstag ... Ist der Kollege Woller jetzt im Raum? Gell, Ernst, wir haben die Greenpeacler am Donnerstag vor der Kommission mit ihrer Demonstration gesehen. Sie haben die Unterschriften gerade überreicht. Wir waren ein bissel bei der Geschichte dieser EBI dabei.

 

Und auch unser rot-grüner Vorstoß auf Europaparlamentsebene für eine Bürgerinitiative zur Finanztransaktionssteuer, die dringend wäre und wesentlich, wird jetzt noch ein Jahr aufgeschoben. Das wollen wir nicht. Deshalb stellen wir heute den Antrag an die Bundesregierung, die es jetzt eigentlich in der Hand hat, das Ganze schnell und auch niederschwellig umzusetzen, dass die Bundesregierung ersucht wird, die Europäische Bürgerinitiative in Österreich ohne Verzögerung und in einer Form umzusetzen, die auf zusätzliche bürokratische Hürden im Sinne eines niederschwelligen Zugangs zu demokratischen Rechten verzichtet. In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige Abstimmung dieses Antrags.

 

Ich denke oder ich gehe davon aus, dass uns hier allen bewusst ist, wie dringend und wichtig die Stärkung der europäischen Demokratie ist. Die Kluft zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der EU ist trotz Fortschritten im Lissabon-Vertrag enorm hoch. Und ich denke, dass dieses Demokratiedefizit, das die EU immer noch hat, auch eines der Gründe für die große EU-Skepsis ist, die es in Österreich immer noch gibt. Sie wissen, die Österreicherinnen und Österreicher sind eine der EU-skeptischsten. Das zeigen alle Eurobarometerumfragen. Und gerade als eine Befürworterin dieser Idee der europäischen Integration und der fallenden Grenzen denke ich, ist es auch wichtig, wie soll ich sagen, nicht zu übersehen, dass die EU einfach in den Augen vieler Menschen zu Recht der verlängerte Arm einer Globalisierung ist. Die Menschen glauben, nicht mitgestalten zu können. Die EU als Instrument einer sozialen Gestaltung, einer umweltgerechten Gestaltung, einer geschlechtergerechten Gestaltung der Europäischen Union - da sind viele Menschen einfach enttäuscht, da sie nicht wissen, wie sie diese EU mitbeeinflussen und gestalten sollen und zu Recht enttäuscht, denn ich denke, wenn man sich jetzt anschaut, was im Vorfeld des Europäischen Rates, der nächste Woche am Donnerstag und Freitag in Brüssel stattfindet, an Antworten auf die Wirtschaftskrise diskutiert wird, die ja nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern eine Sozial- und Verteilungskrise Europas ist, dann bin ich wenig optimistisch gestimmt, dass da nach dem nächsten Europäischen Rat der große Kurswechsel Europas mit einer sozialen und bürgernäheren Neuorientierung erfolgt. Ich denke, das Wirtschafts- und Finanzkrisenmanagement der EU in den letzten zwei Jahren ist sehr, sehr unglaubwürdig. Einige Euro-Staaten schlittern von einer Fast-Staatspleite in die nächste. Und von den großen Ankündigungen vor zwei Jahren, als die Wirtschaftskrise begonnen hat, was man jetzt nicht alles tun wird, von der Finanztransaktionssteuer über die Reglementierung der Finanzmärkte, also eine echte Reglementierung, die über das, was vor ein paar Wochen mit den Hedgefonds beschlossen wurde, hinausgeht, ist nicht viel übrig geblieben.

 

Ich denke, die Hilflosigkeit der EU ist keine Überraschung. Die Kommission ist eine liberalistische und konservative. Ich finde es immer noch schade - ich muss das an dieser Stelle sagen, auch an die Adresse der Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen -, dass Sie

 

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