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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 13.12.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 91 von 126

 

sammenhang mit Penzing nicht Geschulten: Hadersdorf-Weidlingau – täglich hineinzuradeln. Spätestens wenn man 20 oder 30 km täglich fahren muss, wird es, obwohl jetzt das Elektrofahrrad weitere Möglichkeiten bietet, irgendwann einmal unlustig, das gebe ich zu.

 

Warum sage ich das hier? – Wir sollen und müssen auch innerstädtisch – und mit innerstädtisch meine ich die gewachsene Stadt – auch weiterhin günstige Wohnungen anbieten. Schauen wir uns die wahre Zahl noch einmal an! Wenn es jedes Jahr um 15 000 Menschen im Jahr mehr sind, dann sind das in 10 Jahren 150 000 Leute. Und das ist nur der Saldo!

 

De facto haben wir ungefähr eine – unter Anführungszeichen – regionale Zuwanderung von 60 000 und eine Abwanderung von 45 000 Personen. Das ist zum Beispiel interessant im Bereich der Studierenden. Weil die Situation an den Unis bei uns so schwierig ist, tun sich Maturanten und Maturantinnen, die Medizin studieren wollen und sehr gute Noten haben, den Test bei uns nicht an, sondern gehen an deutsche Universitäten, Medizin studieren. Das sind inzwischen ziemlich viele. Das ist das neue Europa!

 

Im Zusammenhang mit dem Wohnbaugedanken bedeutet das, dass 60 000 Leute kommen und hier – wenn auch nur temporär – eine Heimat finden, ebenso wie 45 000 Wienerinnen und Wiener temporär nach Deutschland, Australien, Südafrika, Bratislava oder Graz übersiedeln, und das ist ja auch wohnbaumäßig relevant. Insofern sind es mehr, und insofern steht das Wohnbauressort vor einer besonders anspruchsvollen Herausforderung. Das sage ich jetzt bei der Budgetdebatte. Es ist durchaus bitter zu sagen, dass man ein besonders hohes Maß an Kürzungen akzeptieren muss. Das ist im Wohnbauressort im Zusammenhang mit der Wohnbauförderung notwenig, und da ist sehr viel Hirnschmalz erforderlich.

 

Eine Option gilt für mich nicht, nämlich die Wohnbauleistung zurückzuschrauben. Die Gründe dafür sind – und ich nenne jetzt auch eine andere Stadt: Probieren Sie einmal, sich in Paris eine Wohnung zu nehmen, und zwar mit einem Monatseinkommen von 1 500 bis 2 000 EUR; von weniger rede ich jetzt gar nicht. Dort zahlt man für ein kleines Loch astronomische Summen! – Der Wohnungsmarkt ist enorm sensitiv. Wenn wir nur ein bisschen weniger Sozialwohnbauten errichten, wird das sofort wahrgenommen, und die Preise gehen ganz geschwind in die Höhe. Insofern müssen wir also sehr gut aufpassen!

 

Ich möchte jetzt auf zwei kleine Bereiche aus dem Regierungsübereinkommen eingehen. Ich sage das jetzt auch deswegen am Anfang, um daran gemessen zu werden. Ich setze mich diesbezüglich auch selbst gern unter Druck. Nach ein paar Jahren wird man uns nämlich fragen: Was habt ihr da weitergebracht? Das ist eine Aufforderung an die konstruktiven Teile der Opposition, uns dabei genau zuzuhören! Wir haben uns da nämlich eine ganz schön hohe Latte gelegt!

 

Zuerst noch ein kurzer Rückgriff auf die Planungs- und Radfahrdebatte: Einige haben im Zusammenhang mit der Quote gefragt, warum wir nur 10 Prozent Radfahrer anstreben, wir sollten doch gleich 12 Prozent ins Übereinkommen schreiben. Darauf habe ich erwidert: Leute, wir müssen erst einmal die 10 Prozent schaffen! Und eine Verdoppelung wird schwer sein. Da müssen wir uns ordentlich anstrengen!

 

Auf Seite 74 geht es um geförderte Wohnbauten im verbesserten Niedrigenergiestandard beziehungsweise Passivhausstandard unter Einsatz des ökologischen Baustoffs Holz. – Das steht zum ersten Mal in einem Wiener Regierungsübereinkommen! Und das hat einige sehr mächtige Industriegruppen in Wien überhaupt nicht gefreut! Noch dient nämlich in der Überlegung vieler Holz bestenfalls für ein Einfamilienhaus auf dem Land, Holz sei aber nichts für die Stadt.

 

Jetzt ist die Bauordnung aber durchaus schon so angelegt, dass man auch Viergeschoßer tragend aus Holz bauen kann. Das geschieht bisher sehr selten. Es gibt einige Vorzeigeprojekte, aber diese Möglichkeit wird viel zu selten genutzt. Ich nenne Ihnen jetzt das zwingendste ökologische Argument für Holz: Wenn Sie mit Ziegeln oder Stahl bauen, dann brauchen Sie zur Herstellung sehr viel Energie. Wenn man Ziegel brennt, braucht man enorm viel Energie, von Stahl oder von Alu rede ich überhaupt nicht.

 

Das Wunderbare an der Herstellung von Holz ist, dass für dessen Herstellung eine Technologie zur Anwendung kommt, die, wie ich jetzt einmal sage – oje, Biologie, Schande über mich! –, 800 Millionen Jahre alt ist, nämlich die Fotosynthese. Es ist dies ein wunderbar geniales System! Man nimmt einen Rohstoff, nämlich Kohlenstoff, schnappt sich dazu Sonnenlicht und produziert Holz, und die Emission dabei heißt Sauerstoff. Ohne Fotosynthese könnten wir nicht atmen.

 

Das heißt, anstatt darüber weltweit nachzudenken, wie man bei Kohlekraftwerken eine CO2-Sequestrierung vornimmt, also mit einem unglaublichen Energieaufwand das CO2 mit all den Schwierigkeiten unter die Erde pumpt, sollte man doch mehr Holz verwenden. Alles, was aus Holz ist, ist für 50 bis 100 Jahre zwischengespeicherter Kohlenstoff. Es ist dies ein wunderbarer Baustoff! – Das ist jetzt keine Latte, denn an dieser können wir nur scheitern, aber eigentlich müssten wir sagen: Überall, wo mit Holz gebaut werden kann, sollte mit Holz gebaut werden.

 

Technisch gibt es Beispiele, dass man 16- bis 20-geschoßige Hochhäuser nur aus Holz bauen kann. Das ist mit der Bauordnung jetzt noch nicht möglich. Vielleicht werden wir auch darüber reden, dass wir in diese Richtung einiges in der Bauordnung ändern. Vielleicht werden wir darüber reden - ich formuliere das bewusst weich: Dass man beim Wohnbau Holz einsetzt, ist eine wichtige Message. Das wird manche nicht sehr freuen, aber – und jetzt komme ich wieder zum Wirtschaftsstandort Österreich – das geht durchaus auch in eure Richtung: Wir sind in vielen Bereichen technisch sehr weit vorne, und ein Bereich davon, in dem wir unstrittig Weltmarktführer sind, ist die Holzverarbeitung.

 

Das ist eine riesige Branche. Wunderbar! Eine Fabrik nimmt sich Kohlenstoff sozusagen aus der Luft beziehungsweise aus der Atmosphäre und macht einen Wald

 

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