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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 45 von 102

 

allem dann noch die Frechheit, dass man sich die ganzen Kosten von der Stadt Wien bezahlen lässt. Es gehört meiner Meinung nach ins Wien Museum, dort wäre es auch richtig aufgehoben und dem würde man vielleicht dann auch zustimmen.

 

Aber wir werden der „Sammlung Rotes Wien“, den Betriebskosten von 65 000 EUR, nicht zustimmen, vor allem, wenn im Akt dann noch steht, dass man natürlich zwischen 2 und 3 EUR für die Eintritte verlangt und mit zwischen 300 und 400 Personen bei der Ausstellung rechnet, die dort pro Monat hinkommen werden - also eine sehr geringe Zahl von Besuchern. Sie sehen, hier ist wirklich Steuergeld höchst verschwendet und es ist wirklich so, Sie sollten das aus Ihren eigenen Parteisubventionen zahlen und nicht Steuergeld verschwenden. - Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Dr Troch. Ich erteile es ihm.

 

GR Dr Harald Troch (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Also zuerst einmal möchte ich feststellen, sehr geehrte Damen und Herren, es ist höchst erfreulich, wenn die Frau Ringler hier feststellt, das Rote Wien und die Politik zur damaligen Zeit sind der Meilenstein für den sozialen Fortschritt in Wien gewesen. Mein Herz freut sich über diese Aussage. Ich habe selten noch so eine klare Feststellung von Seiten der GRÜNEN gehört, und das ist höchst willkommen und richtig und das ist auch die Basis, warum es diese Ausstellung geben wird.

 

Noch überraschter war ich, wie der Herr Ing Dworak festgestellt hat: „Das Rote Wien hat seine Bedeutung.“ Nicht „möge seine Bedeutung haben“, sondern „hat seine Bedeutung“. (GR Ing Mag Bernhard Dworak: Das ist historisch!) Das ist nicht nur erfreulich, es ist historisch einfach wahr. (GR Ing Mag Bernhard Dworak: Ja, das ist historisch!) Trotzdem möchte ich ein biss’l auf die Punkte eingehen, weil es hier eine inhaltliche Verwirrung gibt. Das ist keine Ausstellung der SPÖ. Was es ist, das möchte ich ganz kurz hier erläutern. Es lässt sich diese Ausstellung nicht auf Wahlergebnisse, nicht auf eine Parteiorganisation und nicht auf ein Wahlprogramm reduzieren, worum es geht. Da gibt es ein Motto der damaligen Zeit und dieses Motto ist „Mit uns zieht die neue Zeit.“ Und da möchte ich kurz darstellen, worum es einfach gegangen ist.

 

Da ist erstens der Punkt „Volksbildung und Kultur“. Unter dem Motto „Kunst ins Volk“ sind erstmals nach einem kulturpolitischen Stillstand der späten Monarchie in Wien in diesem Bereich der Volksbildung Volksbildungshäuser geschaffen worden und die Arbeitersinfoniekonzerte eingerichtet worden, das heißt, für Bevölkerungsschichten, die auf Grund des sehr ungerechten Bildungssystems nicht die Möglichkeit hatten, Zugang zur Kultur zu finden.

 

Zweiter Bereich Sexualität: Das sollte für die GRÜNEN nicht so ein problematisches Thema sein wie für manche Menschen vielleicht in der ÖVP, so traditionsgebundene. Die Situation bis 1918 in diesem Wien war, dass man die jungen Menschen sexuell nicht aufgeklärt hat. Das war ein gesellschaftliches Tabu von den herrschenden Schichten. Erst in diesem neuen Wien hat man begonnen, in Mutterberatungsstellen, in Jugendklubs die Menschen sexuell zu beraten. Der damalige Geist der traditionellen Gesellschaft war, die jungen Menschen über Sexualität im Unklaren zu lassen. Und wenn es zu Schwangerschaften gekommen ist, dann ist Abtreibung mit Kerker bestraft worden. Diese Doppelmoral von nicht über Sexualität reden und dann strafen, wenn verzweifelte junge Mädchen Abtreibungen machten, sie in den Kerker, nicht ins Gefängnis, in den Kerker zu stecken, damit hat das Rote Wien begonnen, Schluss zu machen. Gerade in diesem Wien, wo Sigmund Freud nicht zufällig die Psychoanalyse entwickelt hat, in einer Stadt, die in diesen Fragen auf ihre Art auch provinziell und verklemmt war, wurde grundsätzlich in Bezug auf Medizin, Aufklärung und Sexualität die neue Zeit eingeläutet und hier hat das Rote Wien Bedeutendes umgesetzt. Ich kann mich an die letzte Debatte dazu erinnern, wo ich auch kurz Sigmund Freud zitiert habe. Der Sigmund Freud war an und für sich überhaupt kein parteipolitischer Mensch, aber er hat einmal zu dem Reformwerk, das damals in den 20er Jahren hier in Wien umgesetzt wurde und das bei seinen Thesen angesetzt hat, bei den Neurosen und bei der Verklemmtheit, die es in dieser Stadt eben massiv gegeben hat, klar Stellung bezogen.

 

Ein wichtiger Bereich ist die Pädagogik. So wie Volksbildung, so wie Sexualität ist auch Pädagogik, Schule, Bildung kein Bereich, der parteipolitisch von einem Wahlprogramm her einzuengen ist. Nein, hier ist massiv auch mit diesem Reformwerk angesetzt worden, verwirklicht worden, das natürlich klar mit dem Namen Glöckel verbunden ist. Die Drillschule der Monarchie, die Drillschule des schwarzen, christlich-sozialen Wien ist damals im Roten Wien mit den Glöckel´schen Schulreformen zu Grabe getragen worden und dem gilt es zu gedenken und das gilt es, auch ganz einfach zu feiern.

 

Die Bäderkultur, die Volkshygiene, die Gesundheitspolitik in unserem modernen Österreich hat ihre Wurzeln in dem neuen Wien der 20er Jahre. Übrigens, das Wort „Rotes Wien“ ist kein Ausdruck, der hier in Wien geschaffen wurde. Die Diktion der Sozialdemokraten war „Neues Wien“, „Das Neue Wien“. Das „Rote Wien“ ist aus dem Ausland gekommen und für mich ist es eine Ehrenbezeichnung.

 

Nun, ich würde sagen, die Metropole Wien mag von der Stadtentwicklung her ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert haben. Gesellschaftspolitisch, was Volksbildung, Bildung, Gesundheitspolitik und Pädagogik betrifft, hat die Metropole Wien ihre Wurzeln in den 20er Jahren. Daher ein klares Ja zu dieser Ausstellung, die diese 20er Jahre in Wien sehr gut, anschaulich, museumsdidaktisch modern dokumentiert. - Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

 

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