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Gemeinderat, 60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 82 von 102

 

zuschauen müssen, wie die anderen das dürfen und können und sie selbst nicht dabei sind.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was heute nicht fehlen darf - und da sage ich jetzt dazu, daran ist nicht ausschließlich die Sozialdemokratie schuld, sondern das liegt am Schulsystem insgesamt -: Das Schulsystem, so wie es jetzt ist, ist Teil eines Systems, das Armut quasi vererbt. Denn es ist nach wie vor so, dass die Kinder von gutsituierten Eltern eine höhere Schulbildung erwerben und Kinder von Eltern, die sozioökonomisch benachteiligt sind, eine geringere Schulbildung erhalten.

 

Daran hat bis jetzt niemand etwas geändert, obwohl es natürlich auch schon sozialdemokratische Unterrichtsminister gegeben hat. Es hat ja bis zur Frau Schmied auch in der Sozialdemokratie im Wesentlichen niemanden gestört. Ich erinnere an einen Ausspruch von Präsidentin Brandsteidl, der mir seit ewig ins Gehirn eingebrannt ist. Es war ihre Antritts-Pressekonferenz oder ihr Antrittsgespräch mit der Tageszeitung „Die Presse", wo sie gesagt hat: Die Gesamtschule, um die geht's doch überhaupt nicht mehr, das ist ein Ding von früher, altes Zeug, um die geht es längst nicht mehr.

 

Dabei geht es genau um das: Es ginge um die Einführung einer gemeinsamen Schule! Da sind wir einer Meinung. Aber solange es sie nicht gibt, hat die Sozialdemokratie in Wien diese Aufgabe gegenüber den achtjährigen Kindern, den neunjährigen Kindern, die aus armen Familien kommen, wo die Eltern weder das Geld für Nachhilfe haben noch selbst den Kindern helfen können, weil sie auch die Bildung nicht haben. Denen müssten Sie helfen, und zwar sofort und so lange, bis es die Gesamtschule gibt. Auch diese Kinder haben ein Recht darauf, gefördert zu werden, um den Anschluss an die höhere Schule nicht zu verlieren. Das tun Sie nicht! Sie weigern sich, das zu tun; ich muss ehrlich sagen, ich verstehe das nicht. Sie haben auch diesbezüglich einen großen Erklärungsbedarf.

 

Ganz am Rande gesagt: Es gibt mittlerweile, weil man in Wien ja weiß, dass es diese Kinderarmut gibt, auch private Sponsoren, die eingreifen, um Schulkindern dazu zu verhelfen, dass sie auch eine Schultasche oder Bleistifte haben, mit Schulmaterial ausgestattet sind, oder dass Kinder warme Schuhe haben, wenn sie im Herbst in die Schule kommen, oder einen Wintermantel haben. Alles das gibt es auch von privater Seite, und ich möchte es festhalten: Ja, danke, das ist wunderbar! Philips hilft mit, der „Kurier" und Jolly und One, da gibt es Fonds, die sich um diese Kinder bemühen, das ist gut.

 

Aber wo bleibt die Stadt? Wieso wird das nicht aus den Mitteln der Sozialhilfe gezahlt? Warum nicht? Das Sozialhilfegesetz würde es ermöglichen, so, wie es dasteht, könnte das selbstverständlich für diese Kinder bezahlt werden. Sie tun es nicht, weil Sie es nicht wollen und weil der politische Wille dazu einfach fehlt. Ich kann Ihnen sagen, ich finanziere - aus Steuermitteln, nicht aus meinen privaten Mitteln - auch für viele Kinder Ausflüge oder da einmal einen Bus oder dort einmal einen Schulskikurs. Sie wahrscheinlich auch, nur, darum geht es ja nicht! Es soll im Endeffekt kein Gnadenakt sein, sondern so, dass man Kindern tatsächlich von Gesetzes wegen hilft.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt bringe ich - im Stakkato, ich habe nicht mehr viel Zeit - vier Anträge ein.

 

Ein Antrag betrifft die Erstellung eines jährlichen Monitoringberichtes über die soziale Lage von Kindern und Jugendlichen in Wien. Der Antrag soll sofort abgestimmt werden. Sie kennen ihn, er liegt Ihnen ja vor.

 

Mein zweiter Antrag - David Ellensohn hat darüber gesprochen - betrifft die Erstellung eines Stadtaktionsplans zur Halbierung der Kinderarmut bis 2015. Ich denke, dem können Sie zustimmen; ich erwarte, dass Sie zustimmen. Auch dieser Antrag wird in formeller Hinsicht zur sofortigen Abstimmung gebeten.

 

Der dritte Antrag: Da geht es um geförderte Kinderbetreuungsstunden für AlleinerzieherInnen, damit auch AlleinerzieherInnen einmal am Abend weggehen können oder aber ein Bildungsangebot wahrnehmen können. Auch dieser Antrag soll sofort abgestimmt werden.

 

Unser vierter und letzter Antrag betrifft einmal mehr - einmal mehr! - die Wiener Grundsicherung. Hier geht es ebenfalls um einen Antrag, der Ihnen bereits vorliegt. In formeller Hinsicht beantrage ich auch diesbezüglich die sofortige Abstimmung dieses Antrages.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass wir diese heutige Dringliche behandelt haben und über dieses sehr, sehr wichtige Thema gesprochen haben, und möchte es zum Abschluss noch einmal sagen: Kinderarmut ist in einer reichen Stadt wie Wien ganz sicher ein Skandal! - Danke schön. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Ringler hat mich gebeten, sie ab jetzt zu entschuldigen. Sie ist dienstlich verhindert. - Ich sage es nur fürs Protokoll.

 

Als Nächster am Wort ist Herr GR Dr Stürzenbecher. Ich erteile es ihm.

 

GR Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Es gäbe auch sehr viel zu sagen zu dem, was meine Vorrednerinnen jetzt gebracht haben. Das war aber nicht der Zweck meiner Wortmeldung, sondern die ist dahin gehend zu einem Thema, das die Einbringerin der Dringlichen Anfrage, Klubobfrau Vassilakou, in zwei Sätzen schon angedeutet hat, als sie nämlich den Bogen gespannt hat von der Kinderarmut hin zur Not der Kinder im Gazastreifen, speziell zur Not der dortigen Zivilbevölkerung und zu der Tatsache, dass eine friedliche internationale Hilfsflotte eine Hoffnung verkörpert hat, wie die Not dort gelindert werden könnte.

 

Wir haben ja alle mit Schock und Entsetzen die Nachrichten darüber erhalten, dass das Vorgehen der

 

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