Gemeinderat, 4. Sitzung vom 26.01.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 81
Redner hat sich Herr GR Dr Aigner gemeldet. – Ich erteile ihm das Wort.
GR Dr Wolfgang Aigner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Zukunft der Schule beginnt mit Sicherheit nicht mit einer Strukturdebatte, genauso wenig wie die Zukunft des Bundesheeres mit einer verhatschten Wehrpflichtdebatte beginnen kann, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.) Man kann der SPÖ eine gewisse Beharrlichkeit beim Begehen von Fehlern nicht absprechen. Aber hier geht es wirklich um die Zukunft unseres Landes, um ganz wesentliche Institutionen, wo man das Pferd nicht immer von der falschen Seite her aufzäumen kann.
Meine Damen und Herren! Die schlechten beziehungsweise in Wien in der Tat katastrophalen PISA-Ergebnisse sind das Zeugnis, das Sie für Ihre Politik ausgestellt bekommen. Beim Lesen erreichte man in Graz, Innsbruck, Linz und Salzburg 492 Punkte, in Wien haben wir 461 Punkte. Bei Mathematik steht es 511 zu 468 und in den Naturwissenschaften 515 zu 477.
Die Gesamtschule löst aber kein Problem. Ganz im Gegenteil! Es geht Ihnen nur darum, das Gymnasium madig zu machen. Sie wollen eine Ihnen unsympathische bürgerliche Institution in Misskredit bringen. Das werden wir aber nicht zulassen! (Beifall bei der ÖVP.)
Betrachten wir es von der positiven Seite: Strukturdiskussionen kann man allenfalls am Ende einer Debatte führen. Wichtig ist vielmehr, dass die Kulturtechniken einen großen Stellenwert bekommen. Lesen und Kopfrechnen sind auch im Computerzeitalter wichtig. Lesen kann man nicht nur im Facebook und im Zusammenhang mit SMS. Die Schüler und Schülerinnen schreiben ja wirklich schon so, wie sie SMSen, etwa: „jetzt pizza?“ – So schauen dann teilweise auch die Tests aus!
Man muss sich auf Inhalte konzentrieren, und Lesen und Rechnen sind ganz wesentlich. (Beifall bei der ÖVP.) Dazu gehört auch, dass die Schule insgesamt einen besseren und höheren Stellenwert bekommt. Sie sind immer dann sehr pikiert, wenn aus Ihrem eigenen Dunstkreis kritische Wortmeldung kommen, das bekommt jetzt sogar Niki Lauda zu spüren. – Ich darf in diesem Zusammenhang Alfred Dorfer zitieren: „Seit den 70er Jahren wird das Ansehen des Lehrerberufes untergraben. Das muss rückgängig gemacht werden, denn die Lehrer sind diejenigen, die die Knochenarbeit leisten!“
Der gleiche Alfred Dorfer hält Ihnen einen Spiegel vor das Gesicht: „Was die Sozialdemokraten da anbahnen, ist ein Förderungsprogramm für Privatschulen. Man zahlt dann für Bildung. Die Privatschulen werden wie Schwammerln aus dem Boden wachsen. Die Gesamtschule als Konzept gegen Leseschwäche ist absurd.“ (Beifall bei der ÖVP.) Das kommt aus Ihrem Kabarettbereich, und das sollen Sie sich wirklich vor Augen führen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Wie erfolgreich die Gesamtschule ist, die wir ja jetzt in Form der Volksschule schon haben, kann man ja an den Ergebnissen sehen! Im „Standard“ heißt es in einem Kommentar: „Immerhin haben wir bereits ein Gesamtschulsystem in Österreich. Es heißt Volksschule und sollte unter anderem Kindern zwischen sechs und zehn Jahren das Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen. Wenn die PISA-Studie nun schlechte Ergebnisse für die Lesefähigkeit ausweist, dann kann man daraus schwerlich eine Empfehlung ableiten, solche Basisbildung in einer Gesamtschule zu vermitteln.“ (Beifall bei der ÖVP.) Sie sehen: Es funktioniert in dieser Weise nicht! Konzentrieren wir uns daher auf die Inhalte!
Und bei aller Sympathie dafür, dass das, was man tut, auch Freude und Spaß bereiten soll: Man kann aber nicht immer nur das tun, was einen gerade freut! Man muss auch im Studium Dinge lernen, die man nicht so nett findet, und kommt oft erst viele Jahre später drauf, wie wichtig das ist. So geht es auch einem Studenten! – Man muss den Kindern also natürlich Freude vermitteln, aber im Endeffekt muss man auch etwas lernen! (Beifall bei der ÖVP.)
Unser Credo ist, dass die Menschen wollen, dass Leistung etwas zählt. Der ÖVP geht es daher um Neigung, Eignung, Vielfalt und Differenzierung. Eine Einheitsschule bedeutet für alle das Gleiche und für keinen das Richtige. Schauen wir daher, dass wir mehr Kinder dorthin bringen, wo sie gut aufgehoben sind!
Ein Letztes noch dazu, wie die Schulen ausgestattet sein sollen. Die Frau Unterrichtsministerin ist jetzt in Verhandlung mit der Lehrergewerkschaft beziehungsweise mit der Beamtengewerkschaft, dass die EU-widrige Ausnahme der Schulen aus der Arbeitsstättenverordnung legalisiert werden soll. In einem Konferenzzimmer sollen für jedes Vollbeschäftigungsäquivalent – so nennt man jetzt die Lehrer sie sind Vollbeschäftigungsäquivalente, nicht Kollegen – 2 m² Bodenfläche vorgesehen werden. Gemäß Tierhaltungsverordnung steht einem Schwein ab 40 Tieren in einem Stall eine Fläche von 2,05 m² zur Verfügung!
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik (unterbrechend): Herr Kollege Dr Aigner! Ich bitte Sie, zum Schlusssatz zu kommen. Ihre Zeit ist abgelaufen!
GR Dr Wolfgang Aigner (fortsetzend): Ich hoffe, dass zumindest die Vorschriften der Tierhaltungsverordnung Eingang in unsere Lehrerzimmer finden! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner hat sich Herr GR Mag Chorherr gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus): Meine Damen und Herren!
Es gibt einen Film, den die meisten von Ihnen gesehen haben werden. Es ist dies ein sehr berühmter, lustiger, zum Nachdenken anregender Film. Er heißt: „Und täglich grüßt das Murmeltier.“ (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Grüß Gott!) In diesem Film wacht jemand jeden Tag in der Früh auf, und es geschieht exakt genau das Gleiche. Dieser Mensch versucht dann wie ein Wilder, aus dem auszubrechen. – Der Unterschied zwischen „Und täglich grüßt das Murmeltier“ und der Schuldebatte, die bereits seit Jahrzehnten stattfindet, ist, dass der Film wenigstens lustig ist.
Und wenn man genau zuhört – und ich bin wirklich
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