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Gemeinderat, 7. Sitzung vom 29.04.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 45 von 69

 

Herren!

 

Es wurde schon sehr viel über die verschiedensten Dinge debattiert. Die Frau Kollegin Marek ist leider nicht mehr im Saal. Jawohl, das Bekenntnis zum Erlernen der deutschen Sprache ist das Wichtigste oder eine der wichtigsten Säulen für eine gelungene Integration. Nur, meine Damen und Herren, ich warne davor zu glauben, dass das das alleinige Allheilmittel ist. Es ist überhaupt nicht das alleinige Allheilmittel! Schauen wir einfach nach Frankreich. Dort ist die Mehrheit der Migrantinnen und Migranten aus den Magreb-Staaten. Die sprechen so was von perfekt Französisch von ihrer Geschichte, von ihrer Herkunft her, und es ist noch immer nicht der Garant für eine gelungene Integration, ja. Jetzt sage ich Ihnen noch meine ... (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Danke für das Argument!) Ja. Es ist ... Weil die ganze Konzentration ist jetzt gerade, ob jetzt ein Verein zusätzlich zu Deutsch und so weiter die türkische Sprache oder irgendwelche anderen Sprachen fördert.

 

Ich erzähle Ihnen auch meine eigene Privatgeschichte. Ich bin in Bagdad von einer Wiener Ärztin geboren und einem irakischen Rechtsanwalt und in der Familie wurde ausgemacht, dass meine Mutter mit mir und meiner Schwester nur Deutsch spricht. Ich bin dadurch zweisprachig aufgewachsen und ich bin glücklich und stolz darüber, ohne dass es jetzt meine Integration und mein Weiterkommen im Irak behindert hätte und ich wäre nicht weitergekommen. Also bitte, bei diesem engen Konzentrieren in eine Richtung würde ich schon einmal bitten, dass man das ein bisschen differenziert sieht.

 

Auch Herr Gudenus, diese neue Facette, jetzt kommt der türkische Präsident zu uns auf Besuch und plötzlich skizzieren Sie, wie die Türkei sich immer weiter von den europäischen Werten entfernt, es wird immer schlimmer - also wenn Sie mit Türkinnen und Türken reden, es stimmt, es gibt noch immer sehr viel Nachholbedarf. Aber Sie müssen doch einfach auch die Fortschritte, die es dort in der Zypernfrage, auch in der Minderheitenfrage, auch in der Kurdenfrage, auch in der Sistierung der Todesstrafe, auch in der Rückdrängung der Rolle des Militärs in einem demokratischen Staat gegeben hat, sehen. Das sind Dinge, die man doch wahrhaben und einfach sehen muss! Und da ist jetzt ein lieber kurdischer Freund, der hier in Wien wohnt, der kein Anhänger der AK-Partei ist, der sicher kein Nationalist ist, der sicher nicht ein Islamist ist, der selber sagt: „Ja, ich erlebe Dinge, die ich mir früher nie erträumt hätte, dass das funktioniert.“ Und das sollte man (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Das ist meilenweit entfernt!) auch wahrnehmen. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Meilenweit!)

 

Nun zu Ihren beiden Anträgen hätte ich gerne ein paar Worte gesagt, zu dem einen Antrag, wo es um Äxte und Feiteln geht - so, heute habe ich einen neuen wienerischen Begriff kennengelernt -, möchte ich festhalten, dass diese Schlägereien nicht in der Grillzone passiert sind. Also ich würde Sie wirklich bitten, wenn Sie schon einen Antrag bringen und recherchieren, dass Ihre Recherche richtig ist.

 

Zum zweiten Antrag über das Aufkündigen des Assoziationsabkommens mit der Türkei: Sie suggerieren, dass dieses Abkommen noch immer Gültigkeit in der Form hat, dass jetzt die türkischen Zuwanderinnen und Zuwanderer weiterhin kommen. Und das habe ich heute, glaube ich, in meinem vorigen Beitrag auch gesagt, dass auf Grund des Gemeinschaftspräferenzprinzips wir in den letzten Jahren vorsorglich jene aus den EU-Ländern bevorzugt haben und dass aus der Türkei nur Schlüsselarbeitskräfte und nur Familienzusammenführung gekommen sind. Also da gibt es kein Nachkommen und keine Zuwanderung im Bereich des Arbeitsmarktes.

 

Und von jenen Türkinnen und Türken, die Sie da erwähnen, die auf Grund von Abkommen, die 1963 und 1980 abgeschlossen wurden, in Österreich sind, ist die Mehrheit von ihnen mittlerweile österreichische Staatsbürgerin und Staatsbürger, und die Mehrheit von ihnen ist mittlerweile am Arbeitsmarkt integriert oder ist aufenthaltsverfestigt. Also das ist ein scheinheiliger Beschluss- und Resolutionsantrag. Noch dazu ist es eine EU-Geschichte, die Österreich einseitig auch gar nicht kündigen kann und daher empfehle ich, dass man diesen beiden Anträgen nicht zustimmt.

 

Bei der dritten Geschichte, die der StR Herzog heute erwähnt hat, geht es um die Öffnung des Arbeitsmarktes und dass unser Beschluss- und Resolutionsantrag, den wir heute mit den GRÜNEN zusammen bringen, nicht greift oder nicht genug greift. Eine kurze Erklärung dazu, damit man es einmal ein bisschen realisieren kann: Es gilt grundsätzlich bei Entsendungen ins Ausland der Kollektiv- und Arbeitszeitvertrag des Heimatlandes. Das ist gut so. Wenn wir jetzt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Moskau, nach Prag, wo immer hin senden, freuen sich die Österreicher, dass sie einen österreichischen Kollektivvertrag und die Arbeitszeitrichtlinien von Österreich haben. Natürlich ist es ein Problem, wenn umgekehrt Niedriglohnländer zu uns kommen. Da entsteht ein Dumping. Aber auf Grund des beschränkten Zugangs zum Arbeitsmarkt war es kein Problem. In den 80er Jahren haben dann auf Grund des Zuganges von Portugal zur Europäischen Gemeinschaft und dann 1990, als die Berliner Mauer gefallen ist - und jeder weiß, dass Berlin damals die größte Baustelle Europas war, der Potsdamer Platz wurde gebaut, der Bundestag ist übersiedelt. -, alle Ministerien mit polnischen und portugiesischen Firmen in Berlin zu ihren Konditionen gebaut. Der deutsche Etat, der Steuerzahler, hat sich natürlich sehr viel erspart, weil dadurch das Bauen billiger geworden ist, aber natürlich mit dem Problem, dass die meisten deutschen Bauindustriefirmen zugrunde gegangen sind. Die Firma Holzmann gibt es heute nicht mehr, Hochtief muss sich wehren, dass sie nicht die Spanier übernehmen, alle anderen großen deutschen Baufirmen wie Strabag, Dyckerhoff & Widmann, Walter Bau, Züblin, und die Liste lässt sich fortsetzen, sind heute österreichische Firmen. Das heißt, die österreichische Bauindustrie hat die deutschen Firmen übernommen. Auf Grund dieser schlechten Erfahrung hat damals die EU die Entsendungsrichtlinien eingeführt und diese Entsendungsrichtlinien beinhalten gleichen Lohn am gleichen Arbeitsplatz, um kein Dumping zuzulassen. Nur, der Nachteil dieser Richtlinie war, dass jene, die geschädigt waren und den

 

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