Gemeinderat, 8. Sitzung vom 30.05.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 59
des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Wenn man sich das Thema FPÖ und Heldenverehrung anschaut, dann mag sich die Frage stellen: Handelt es sich dabei um eine Auseinandersetzung mit Figuren der germanischen Heldensagen, oder geht es dabei doch um aktuellere Bezüge und um eine aktuellere Geschichte? – Ich muss feststellen – und das haben schon viele vor mir gemacht –, dass es hier einen bestimmten Kult um das sogenannte „Tausendjährige Reich“ gibt, also betreffend die Zeit, in der die deutschnationale Ideologie unumschränkt geherrscht und gezeigt hat, wozu sie fähig ist.
Ich werfe der FPÖ erstens einmal eine unsägliche Deutschtümelei vor. Ich werfe der FPÖ eine bedenkliche Nostalgie um diese Zeit ohne Gnade vor. Und ich werfe der FPÖ eine Verharmlosung der von manchen ihrer Funktionäre und Mitglieder geübten Verherrlichung historischer Tatsachen vor, für die es nach dem, wie wir Geschichte erleben mussten, kein Verständnis geben sollte.
Ich möchte bei den Fakten bleiben und kurz ein paar Tatsachen hier anführen. So endet zum Beispiel, wenn Herr Strache bei einem Commers deutschnationaler oder rechtsextremer Burschenschaften spricht, wie etwa in Wien am 21. November 2009, das Ganze natürlich mit dem Absingen aller drei Strophen des Deutschlandliedes. Man kann auf der Website der Deutschen Burschenschaft Straches sogenannte Festrede nachlesen und sieht, dass in dieser von „Volksgemeinschaft“ gesprochen wird, dass es heißt: „Wir fühlen uns dem deutschen Volk verpflichtet!“ und was sonst noch an pangermanischen Bekenntnissen abgelegt wird.
Worauf ich heute nicht verzichten will, ist ein kurzer Schwenk Richtung Amstetten: Die Gemeinderatsfraktion der FPÖ kann sich nicht überwinden, der Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers in dieser Gemeinde zuzustimmen. Dazu gibt es nur die schwache Argumentation des Herrn Kickl, dass Ehrenbürgerschaften sowieso mit dem Tod eines Bürgers enden. – So etwas geht aber mitunter weit über die Grabpflege hinaus! Auch nach dem Tode von sogenannten Ehrenbürgern gibt es oft genug Verpflichtungen der Gemeinde genau diesen Ehrenbürgern gegenüber, und somit stimmt dieses Argument nicht.
Und nun zu Frau Stadträtin und Fraktionsführerin Kashofer. Sie ist ja schon bekannt. Sie ist nicht nur FPÖ-Mitglied, sondern auch Mandatarin und Funktionärin der FPÖ. Frau Kashofer ist schon 1995 aufgefallen, als sie in einem Flugblatt gemeint hatte, dass das Verbotsgesetz nur deswegen erlassen worden sei – Zitat: „um die Gebildeten unter den Kritikern mundtot zu machen“. Und sie echauffierte sich auch, dass noch heute – Zitat: „die Kriegsverlierer pausenlos zu einseitigen Schuldbekenntnissen aufgefordert werden, während in Vergessenheit gerät, dass England den Krieg begonnen hat.“.
Dass England den Krieg begonnen hat: Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Unglaublich!) Um es klar zu sagen: Ich denke, die historischen Fakten sind eindeutig von der Aufrüstung des Deutschen Reiches bis zum Überfall auf Polen. Ich denke, das ist sehr klar bewiesen.
Aber damit nicht genug. Am 22. Februar 2010 postete Frau Kashofer im Internetforum der Tageszeitung „ Die Presse“: „Dass viele Österreicher glauben, keine Deutschen zu sein, ist ein gewisser Erfolg der Umerziehung.“ Hier lasse ich etwas aus. Dann geht es weiter: „Seit dem Zweiten Weltkrieg ist es politisch opportun, von einer österreichischen Nation zu sprechen, obwohl eigentlich niemand so recht weiß, was das sein soll.“ – Zitat Ende.
Hier wird also auch die übliche Deutschtümelei gelebt. Und dem kann man nur heftigst widersprechen! 1945 wurde die Republik Österreich als komplette Antithese zum national-sozialistischen Führerstaat gegründet, der rassistisch, totalitär und hetzerisch war. Es war dies ein Verbrecherregime gegenüber den eigenen Bürgern, das darüber hinaus die größte menschliche Katastrophe in der Geschichte dieses Planeten herbeigeführt hat, nämlich den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg mit über 60 Millionen Toten.
Am 8. Mai 2011 begingen verschiedene Korporationen einen Heldengedenk- beziehungsweise Totengedenktag. Und was ich mir daran zu kritisieren erlaube, ist das undifferenzierte Totengedenken, das einfach mit den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und den Leiden vieler Menschen nicht geteilt werden kann. Wenn es hier bei diesem Ereignis von Rednern heißt – Zitat: „unter allen Fahnen Millionen von Soldaten und Zivilisten ihre Pflicht erfüllt haben, so wie es ihre jeweiligen Staaten von ihnen eingefordert haben“, dann denke ich mir: In diesem Weltkrieg hat es tatsächlich Gut und Böse gegeben. In diesem Weltkrieg haben verschiedene Seiten für verschiedene Ziele gekämpft. In diesem Weltkrieg sind viele, viele unschuldige Menschen verhaftet, abgeführt, gequält und hingerichtet worden.
Und ich denke mir, es ist überhaupt nicht angebracht, undifferenziert aller Toten zu gedenken. Es hat eine ganze Anzahl von Kriegsverbrechern gegeben, und einige davon wurden nach dem Zweiten Weltkrieg abgeurteilt und sogar hingerichtet. Auch das waren Teilnehmer an diesen geschichtlichen Ereignissen beziehungsweise Kriegsereignissen, und sie waren auch an der Verursachung von Toten und von Todesfällen beteiligt, und all das kann nicht undifferenziert betrachtet werden. Da gibt es ganz einfach auch Schuld, und dieser Schuld müssen wir uns moralisch und juristisch stellen.
Das heißt, ein undifferenziertes Gedenken im Sinne von Pflichterfüllung, womit man vieles kaschieren kann, und diese Grauzone bis hin zur Verharmlosung oder Verherrlichung eines verbrecherischen Regimes, können einfach nicht hingenommen werden. Vielmehr muss man sich damit entsprechend historisch, politisch und moralisch auseinandersetzen.
Ich würde der FPÖ empfehlen, sich mehr an Helden wie Graf von Stauffenberg oder Rosa Jochmann zu orientieren. Es würde Ihnen gut tun, sich da einiges anzuschauen und weniger Zeit für Ihre Art der Heldenverehrung aufzuwenden!
Herr Strache hat sich kurzfristig auf Grund unaufschiebbarer Termine für den 8. Mai 2011 entschuldigen
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular