Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 164
sen. Und da wundern sich die Grünen und die Roten, warum immer weniger Leute umsteigen.
Diese Zehntausende von Einpendlern aus Niederösterreich haben ja noch ein zusätzliches Handicap zu bewältigen: Erstens finden sie keinen Parkplatz bei den U-Bahn-Stationen, weil die Parkplätze vernichtet wurden, und wenn es einmal irgendwo eine Park-and-ride-Anlage gibt, ist sie einfach zu teuer. Das können sich die meisten Leute nicht leisten, die sich vielleicht ein Haus in Niederösterreich gebaut haben und eine Wochen-, Monats- oder Jahresnetzkarte besitzen (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Die sollen in Niederösterreich auf die Schnellbahn umsteigen und gar nicht erst hereinfahren!) oder sich vielleicht kein Haus gebaut haben, sondern in einer Wohnung leben, Menschen, die in Niederösterreich geboren wurden und hierher pendeln.
Nicht jeder von denen, die einpendeln, Herr Kollege Margulies. hat das Geld, um sich in Niederösterreich ein Haus zu bauen, wie wahrscheinlich der Herr Lichtenegger von den Wiener Linien. Jedenfalls können sich diese Leute die zusätzliche Belastung nicht leisten. Das Auto ist zu bezahlen, die Miete, und das alles wird teurer, dazu kommen vielleicht noch Kreditraten, dann müssen sie Netzkarten bezahlen, und dann sollen sie noch die Gebühr für die Garage bezahlen. – Das ist in den meisten Fällen einfach nicht drin!
Was machen die Leute? – Sie bleiben im Auto sitzen. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Die sollen auf die Schnellbahn umsteigen und gar nicht erst hereinfahren!) – Wieso macht das Lichtenegger nicht? Wieso steigt er nicht auf die Schnellbahn um? Oder habt ihr jetzt auf Grund des Interviews einen Vorstoß unternommen, dass Lichtenegger im August abgelöst werden soll? Ich kann es mir fast nicht vorstellen, nachdem ihr PS-Freaks in euren Reihen habt, wie Maresch, der früher im dicken Ford herumgefahren ist und jetzt im dicken Volvo herumfährt. (Lebhafte Heiterkeit bei GR Dipl-Ing Martin Margulies.)
Die Grünen sind ja überhaupt die größten Pharisäer. Damit bin ich auch schon bei der nächsten Aktion, die aus meiner Sicht die Unehrlichkeit bis Verlogenheit der Politik von Rot und Grün bezeichnend darstellt. Ich meine die Aktion von Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Vassilakou gemeinsam mit Magistratsdirektor Hechtner vor einigen Wochen. Die beiden haben sich mit zwei Rädern hingestellt und gesagt: Künftig soll in Wien und beim Magistrat mit seinen 65 000 Bediensteten vermehrt mit dem Rad gefahren werden – zur Arbeit, von der Arbeit zurück und auch die Dienstwege dazwischen. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Ja, das ist okay!)
Herrn Hechtner glaube ich es ja aufs Wort, aber zum Beispiel der VBgmin Vassilakou glaube ich es schon deswegen nicht, weil sie immer mit dem Dienstauto vorfährt. Ich habe sie noch nie auf einem Fahrrad gesehen. Ich möchte ihr nicht zu nahe treten, vielleicht arbeitet sie immer so lange, dass sie um 20 oder 22 Uhr mit dem Rad von dannen fährt. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Weil du zu selten im Rathaus bist!) Ich glaube es aber nicht. Ich habe auch noch nie auch nur einen einzigen SPÖ-Stadtrat auf einem Fahrrad gesehen, außer für eine PR-Aktion für die Zeitung. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Weil du so selten da bist! Du arbeitest so selten hier, das ist das Problem!)
Wir sitzen untertags im Büro, wir haben keine Tagesfreizeit wie ihr. Die meisten von euch Grünen sind ja hauptberuflich Mandatare. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Eure Mandatare haben ihre Jobs! Abcashen und nichts dafür arbeiten, das ist eure Einstellung!) Darum kann ich es mir nicht leisten, von Eßling ins Rathaus mit dem Rad zu fahren, weil ich eben die Zeit nicht habe. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Aber die Gage nehmt ihr!) Es ist nie schlecht, wenn man weiß, wie es im richtigen Leben zugeht, und nicht nur hier im Gemeinderat sitzt, die Beine gemütlich überkreuzt, und zum Rednerpult „außegscheitelt". (Beifall bei der FPÖ. – GR Dipl-Ing Martin Margulies: Nichts arbeiten, aber die volle Gage kassieren!)
Ich glaube ja, dass sich die Grünen hin und wieder auf ein Fahrrad setzen, aber das fällt für mich nicht unter Radfahren. Wenn man sich etwa vom Spittelberg zum Naschmarkt herunterrollen lässt und das Rad danach vielleicht ins Freihausviertel schiebt, weil man vielleicht schon ein paar Achteln getrunken hat, dann ist das für mich kein Radfahren. Dabei lernt ihr das Wiener Radwegenetz nicht kennen.
Ich fahre jedes Wochenende Rad – Kollege Maresch glaubt es mir nicht. Ich habe es am 21. Juni wieder gemacht, bin von Eßling zum Schottenhof gefahren, habe mir den halben Wiental-Highway angeschaut. Er ist nicht schlecht.
Wir sind nicht gegen den Radwegausbau an sich – das wird heute noch in der Spezialdebatte kommen –, aber die Grünen und die Roten tun so, als ob wir künftig alle Berufs- und Einkaufswege mit dem Fahrrad würden erledigen können. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Du übertreibst ein bisserl!) Sie stecken daher zum Beispiel 8 Millionen EUR in einen unsinnigen Ringradweg Neu, wollen aber daneben noch am Wochenende den Ring für Autofahrer sperren. Oder – Kollege Chorherr hat es schon einmal angemerkt – irgendwann sollte man vielleicht eine Fahrspur überhaupt für die Radfahrer reservieren, das wäre nur billig und recht. (Ruf bei der FPÖ: Gefährlich!) Wieso denn nicht gleich den ganzen Ring und den Gürtel? Wir haben es ja wahrscheinlich notwendig. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Ist das jetzt ein Vorschlag?)
Es war ja vorige Woche in der Zeitung „Österreich" echt lustig zu lesen, dass die Verkehrsstadträtin Vassilakou gesagt hat, der Fahrradverkehr habe sich, seit die Grünen in der Regierung sind, um 30 Prozent erhöht. (GR David Ellensohn: Wahnsinn!) Warum eigentlich? Es war Winter. Wo sind die neuen Radwege gebaut worden, dass jetzt um 30 Prozent mehr Radfahrer würden fahren können? Der Ringradweg ist ja eurer Diktion nach überlastet. Oder fahren jetzt alle mit dem Rad, weil ihr so großartige Vorbilder seid?
Wo seid denn ihr, die Vorbilder? Steigt einmal auf ein Rad – aber nicht nur vom Spittelberg ins Freihausviertel! Schaut euch das Radwegenetz in Wien einmal wirklich an! Es ist noch ausbaufähig, es muss ausgebaut werden. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Nenn einen einzigen
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