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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 164

 

des heurigen Jahres. Dann hat die Frau Vizebürgermeisterin auch noch gemeint: „Der Kampf gegen die Krise war erfolgreich." - So in der Rathauskorrespondenz vom 7. Juni dieses Jahres nachzulesen.

 

Ich freue mich daher, dass wir heute festgestellt haben, dass die Krise noch nicht vorbei ist.

 

Um jetzt bei der Wiener Situation zu bleiben und nicht die globale Finanzmarktsituation überhaupt aufzurollen: Klubobmann Schicker hat heute gemeint – Zitat: „Wien ist eine Stadt der Industrie." - Ja, da hat er schon recht, meine sehr geehrten Damen und Herren, Wien ist eine Stadt der Industrie, aber Wien ist keine Stadt, in der Export aus der Wiener Industrie eine ganz überwiegende Rolle spielen würde. Die Wiener Industrie produziert hauptsächlich für den inländischen Markt. Das ist auch einer der Gründe, warum bei uns die Krise erst später durchgeschlagen hat, meine Damen und Herren. Die Beteuerungen, dass wirklich alles gut gemeistert sei, werden erst noch zu beweisen sein.

 

Ich habe schon gesagt, dass Investitionen gekürzt wurden. Ich halte das für eine falsche Vorgangsweise. In der Krise waren und sind Investitionskürzungen mit Sicherheit der falsche Weg. Wir werden das dann im nächsten Jahr ausführlich besprechen können, wenn wir über das Budget 2011 von Rot-Grün sprechen.

 

Ein Kürzungsbudget ist auf jeden Fall in dieser Hinsicht nicht am Platz und ist, wie ich denke, wirtschaftspolitisch kurzsichtig. Wie gesagt, ich sage es noch einmal, die Frau Vizebürgermeisterin hat vollkommen recht: Wir haben die Krise noch nicht überwunden. - In Wirklichkeit, meine Damen und Herren, und Sie werden an meine Worte denken, kommt die Krise für Wien jetzt erst.

 

Sensibel reagiert hat selbstverständlich der Arbeitsmarkt. Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten – wir haben heute schon über den Arbeitsmarkt gesprochen – ist ja von 2010 auf 2011 in Gesamtösterreich leicht gestiegen, um 0,6 Prozent. Burgenland kann sich freuen, die haben eine Steigerung von 3,3 Prozent. Wien kann sich nicht so sehr freuen, Wien hat ein Minus von 1,6 Prozent. Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut sagt, dass Wien als einzige Region einen negativen Beschäftigungszuwachs hat. Also das ist keine bösartige Berechnung der FPÖ oder von mir, sondern das sagt auch das Wirtschaftsforschungsinstitut.

 

Daher meine ich, dass die Wirtschaftspolitik, die hier in der Stadt gemacht wurde, wohl nicht so ganz die richtige gewesen sein kann, wenn Wien im letzten Jahr 12 000 Arbeitsplätze verloren hat und wenn - die Zahl wurde schon genannt - heuer im 1. Quartal gegenüber dem 1. Quartal 2010 die Zahl der Arbeitslosen um 7,2 Prozent gestiegen ist, während sie in Vorarlberg um fast 20 Prozent gesunken ist. Von den Schulungsteilnehmern beim AMS war auch schon die Rede und von den Personen ohne Beschäftigung in Wien mit einem Anteil von 11,9 Prozent war auch schon die Rede – die höchste Quote in Österreich und eben leider nicht die niedrigste.

 

Das zeigt, die Wiener Stadtregierung hat hier wirtschaftspolitisch nicht richtig reagiert.

 

Ein Gleiches gilt für die öffentlichen Aufträge in Wien, womit wir wieder bei den Investitionen sind: Wenn ich nicht bereit bin, etwas zu investieren, oder es vielleicht auch nicht kann, dann werden natürlich auch die öffentlichen Aufträge zurückgehen. Das ist wohl eine Milchmädchenrechnung. Dieser Rückgang beträgt für Wien 10,4 Prozent, weil eben Investitionen gekürzt wurden.

 

Andere Bundesländer sind inzwischen im Aufholen begriffen. Wien ist jetzt in der Krise und konnte den Aufholprozess noch nicht einmal beginnen.

 

Die Frau Vizebürgermeisterin hat heute auch gemeint, Wien hat eine aktive Arbeitsmarktpolitik. - Als Herr Bgm Häupl im Jahr 1994 seine Bürgermeisterschaft, wenn es dieses Wort überhaupt gibt, angetreten hat – aber jeder weiß, was ich meine -, also Bürgermeister wurde – der langen Rede kurzer Sinn –, hatten wir in Wien 780 000, etwas mehr, unselbstständig Erwerbstätige. Heuer, 2011, haben wir 761 000 unselbstständig Erwerbstätige. Das heißt, es sind 18 200, ziemlich genau, Arbeitsplätze verloren gegangen.

 

Restösterreich hat da eine wesentlich bessere Bilanz. Restösterreich hat aufgerüstet, hat über 355 000 Arbeitsplätze mehr. Wien hat heute die höchste Arbeitslosenrate unter allen Bundesländern. Allein in diesen Jahren, von 1994 bis 2011, ist Wien arbeitsplatzmäßig zurückgefallen. Das muss man leider feststellen. Das freut mich als Wiener nicht, und Sie wissen alle, ich beharre immer so sehr darauf, Wiener zu sein. Also das freut mich als Wiener nicht, aber das ist nun einmal so, da kann man nichts machen.

 

Dass die SPÖ, die Wiener Stadtregierung im Wesentlichen - und wir reden jetzt auch von der Entwicklung von 2010 auf 2011 - wirtschaftspolitisch falsch liegt, zeigen auch die Insolvenzen in Wien - das ist heute auch schon gesagt worden -: Heuer, 1. Quartal, Anstieg um knapp 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr, täglich 18 Insolvenzen im Schnitt; mehr Private als Unternehmen, zugegeben, das ist uns heute auch schon erklärt worden. Hinter den Privaten verstecken sich gelegentlich auch Unternehmungen, weil es sich eben um Familienbetriebe beziehungsweise Ein-Personen-Unternehmen handelt.

 

Arbeitslosigkeit und Insolvenzen sind schon, meine Damen und Herren, ein Barometer, das deutlich zeigt, dass die Gemeinde hier nicht so wirklich richtig gehandelt hat.

 

Ich komme zum Schluss. Was kann man tun im Sinne der Beschäftigung, im Sinne der Bevölkerung, im Sinne der Unternehmungen zu einer allgemeinen Hebung der Konjunktur? - Man kann, wenn man es möchte, ein Hilfspaket für die Wiener Wirtschaft schnüren, wo man die Wirtschaftsförderung nicht nur leicht erhöht, sondern vielleicht sogar verdoppelt, die Wirtschaftsförderung für die Klein- und Mittelbetriebe auf, sagen wir einmal, 80 Millionen EUR anhebt. Man kann zusätzlich zu einer Entlastung der Steuerzahler durch Abgabensenkungen die Mieten reduzieren, einschließlich der von uns immer wieder geforderten Rückkehr zum Kategoriemietzins, der aber auch erhöht worden ist.

 

Und man kann, und das müsste die Gemeinde wirklich tun, Sonderinvestitionsprogramme in mehreren Bereichen durchführen. Man kann Schulsanierungsprogramme vorziehen und Geld dafür aufbringen. Man kann

 

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