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Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 13 von 51

 

dass sie gesichert sind und daher von unserer Seite her nichts vertuscht wird. Gerade auf Grund der Tatsache, dass entsprechende Vorkommnisse immer wieder auftreten können - es arbeiten dort eben Menschen –, ist es für uns wichtig, und ich habe das in der Debatte vor über einem Jahr gesagt, hier rasch aufzuklären und entsprechende strafrechtliche Verfolgungen einzuleiten, damit das, vor dem wir jetzt stehen, nicht wieder passiert, nämlich dass Missstände damals nicht gerichtlich verfolgt werden konnten, und damit Täter auch entsprechend belangt werden können. Das ist für mich ein ganz wesentlicher und wichtiger Unterschied.

 

Ich hoffe und ich bin überzeugt davon, dass die Kommission hier ihr Bestes tun wird, damit eben letztendlich auch Verantwortungen geklärt werden.

 

Man muss aber in diesem Zusammenhang auch sagen, weil hier durchaus immer wieder dargestellt wird, es handelt sich bei der konkret angesprochenen Studie der ehemaligen Nationalratsabgeordneten um ein völlig unbekanntes Dokument, und auch ich möchte schon klarlegen, dass diese Untersuchung 1976 als Buch publiziert wurde mit einem Vorwort der damals verantwortlichen Stadträtin und mit einem klaren Bekenntnis - auch letztendlich durch die Ergebnisse der Heimkommission der damaligen Zeit - zu einem radikalen Wechsel im gesamten Bereich der Heimerziehung.

 

Allerdings ist auch wesentlich, und war es damals natürlich durchaus auch, und es sagen ja auch viele Opfer, wie schwer es ihnen gefallen ist, damals über Ereignisse zu sprechen, und natürlich auch auf einem ganz anderen Informationsstand. Es war kein Geheimnis, und es ist letztendlich die Notwendigkeit der Reformen klar erkannt worden, dass diese totalitären Systeme, diese Form der Heimerziehung durch eine moderne Sozialpädagogik abgelöst werden muss, dass Erzieherinnen und Erzieher ohne Ausbildung durch gut ausgebildete SozialpädagogInnen abgelöst werden müssen und dass die Einrichtungen selbst keine geschlossenen Einrichtungen sein dürfen, sondern Einrichtungen sein müssen, wo es jenen Bewohnerinnen und Bewohnern möglich ist, sich auch an andere Stellen zu wenden, in der Schule, beim Arzt, beim Freund am Spielplatz, also dass es hier Außenbeziehungen geben muss, und dass die ganz wesentlich sind. Und dieser Reformprozess ist ein schwieriger, ist auch kein einfacher gewesen, diesem Reformprozess hat man sich durchaus aber auch unterzogen und ich denke, wenn man sich heute die Standards der Sozialpädagogik ansieht und sie mit jenen Traditionen vergleicht, die in den 50er, 60er und 70er Jahren geherrscht haben, dann gibt es einen grundlegenden Unterschied.

 

Ich erinnere an die Diskussionen, die viele von Ihnen wahrscheinlich noch miterlebt haben. Ich war damals sehr jung und in einer Organisation tätig, in der wir an verschiedenen Orten dafür geworben haben, dass die gesunde Watschen verboten werden soll. Es war dies in den 80er Jahren, die Diskussionen damals, auch in der Gesellschaft, waren sehr kontroversiell, und ich erinnere daran, dass damals auch in der Gesellschaft durchaus ein völlig anderer Blick geherrscht hat, auch ein anderer Blick geherrscht hat, leider, betreffend die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Einrichtungen. Kinder wurden damals vielfach, nämlich auch im Sinne der Heimerziehung, sehr maßgeblich als Täter betrachtet, heute ist klar, dass Kinder, die in Einrichtungen untergebracht werden müssen, in Einrichtungen betreut werden müssen, Opfer sind, Opfer auch ihrer familiären Umstände, und bestmöglich betreut werden müssen. Hier hat es im Laufe der Jahrzehnte einen Paradigmenwechsel gegeben, es war ein notwendiger Paradigmenwechsel und man soll ihn, glaube ich, auch seriöserweise angesichts all der bekannt gewordenen tragischen Ereignisse nicht außer Acht lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 2. Zusatzfrage wird von GRin Mörk gestellt, bitte schön.

 

10.03.11

GRin Gabriele Mörk (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Guten Morgen, Herr Stadtrat!

 

Sie haben jetzt gerade den Paradigmenwechsel in den Erziehungsmethoden erwähnt. Ich darf Sie daher fragen: Wo sehen Sie die wesentlichsten Unterschiede in der Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt zwischen damals und heute?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Christian Oxonitsch: Also zunächst einmal, dass es notwendig war, wie in anderen bekannten Bereichen auch, die Einrichtungen zu öffnen. Entsprechend, wie schon gesagt, Sozialkontakte zu ermöglichen, die über die unmittelbaren Betreuungspersonen oder andere Mitbewohnerinnen und Mitbewohner hinausgehen, also die Möglichkeit im Falle von Missständen, seien es Misshandlungen, seien es hygienische Missstände, oder was auch immer für Missstände es auch immer wieder geben kann, die Möglichkeit zu schaffen, Hilferufe auszusenden. Das war ein ganz wesentlicher und zentraler Punkt der Ergebnisse der Untersuchung von Irmtraut Karlsson, der Heimkommission, aber auch der gesamten Heimreform 2000, Einrichtungen unmittelbar zu öffnen.

 

Ein weiterer Bereich, den ich auch bereits angesprochen habe, liegt selbstverständlich im Bereich der Ausbildung. Auch ein Bereich, der - und ich habe es auch nur den Medien, dem Fernsehen, entnommen - auch bereits in den 70er Jahren öffentlich intensiv diskutiert wurde, und wo es ja in dem, glaube ich, „Panorama-Beitrag", aus den frühen 70er Jahren erörtert wurde: Man braucht eine Lehrausbildung um Schuster zu werden, man braucht eine Lehrausbildung, um Tischler zu werden. Man brauchte damals keine entsprechende Ausbildung, um Erzieher zu sein. Es geht natürlich auch um das pädagogische Konzept in sich selbst. Das Schlagwort der „schwarzen Pädagogik" beschreibt es trotz alledem in all seiner Düsternis, glaube ich, sehr gut, wo also tatsächlich auch entsprechend Gewaltformen in der Erziehung - und noch einmal, die „g’sunde Watschen“ wurde erst 1989 verboten - durchaus gängige

 

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