Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 51
mir hier wirklich wünschen, dass auch die politischen Kräfte über die Regierungsparteien hinaus zeitnahe informiert werden. Ich glaube, da gibt es durchaus auch noch ein Potenzial nach oben, wenn ich das einmal so vorsichtig formulieren darf.
Und zu guter Letzt glaube ich auch, dass man die Dramatik dieser Vorwürfe nicht dadurch relativieren soll, dass man sagt, man hat in den 80er Jahren die „g’sunde Watschn" abgeschafft und bekämpft. Ich bin auch sehr froh darüber, ich halte das auch für kein gutes Erziehungsmittel, aber ich meine doch, es tut den Opfern nicht wirklich gut und es ist eigentlich eine Ungerechtigkeit, wenn man nächtliche Massenvergewaltigungen, sklavereiähnliche oder gefängnisähnliche Zustände in einem Atemzug mit „g’sunden Watschn“ nennt, wo man sich auf die Fahnen heftet, diese beseitigt zu haben. Ich glaube, hier ist eine ganz andere Dimension angesprochen, und wir sollten gemeinsam darangehen, den Opfern Gerechtigkeit zukommen zu lassen, die Täter, deren man habhaft werden kann, entsprechend auch zur Verantwortung zu ziehen, vielleicht auch pensions- und disziplinarrechtlich, und für die Zukunft sicherzustellen, dass man genau beobachtet: Was passiert hier und heute, und wie können wir verhindern, dass Kinder zu Schaden kommen? Ganz verhindern wird man es nicht können. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächste Rednerin hat sich Frau GRin Mag Anger-Koch gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
GRin Mag Ines Anger-Koch (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir wissen, dass es aktuell 2 600 Kinder gibt, die aus sozialen und gesundheitlichen Gründen nicht bei ihren Familien aufwachsen können. Diese Kinder kommen zum Teil in Pflegefamilien oder in Betreuungseinrichtungen.
Und um eine dieser Betreuungseinrichtungen geht es hier heute. Eine dieser Betreuungseinrichtungen wurde 1977 geschlossen, und die Gründe dafür sind bis heute nicht publik gemacht worden. Erst durch den „Kurier", durch ein Medium, wurde eigentlich ein Fall ins Rollen gebracht, der in seiner Ungeheuerlichkeit Vergleichbares sucht. Serienvergewaltigungen, Sexattacken, Missbrauch. Die Unglaublichkeit ist, dass es hier um Kinder geht, die diesen Menschen, die dort gearbeitet haben, die Erzieher waren, unschuldig, hilflos und schutzlos ausgeliefert waren. Und noch ungeheuerlicher ist, dass diese Vorfälle der Stadt Wien bereits im Juli, wenn nicht schon früher bekannt waren.
Zwei der betroffenen Frauen haben sich durch ihren Anwalt an die Stadt Wien gewendet und haben Schadensersatz gefordert. Die Stadt Wien soll hier die Therapiekosten übernehmen. Bis dato hat nur eine Frau recht bekommen. Auf weitere Schreiben des Anwaltes wurde nicht reagiert seitens der Stadt.
Meine Damen und Herren! Was ist das für eine Vorgehensweise? Wir hatten ja schon heute von dem Bericht der Frau Nationalratsabgeordneten Karlsson gehört, die damals diese Heime, es waren 34, untersucht hat. 11 dieser Heime hatten die Erziehungsziele, wie sie damals genannt wurden, nicht erfüllt. Diese Ziele, um die es hier geht, hätten eigentlich die Kinder zu mündigen Bürgern zu erziehen sollen, aber nicht mit Attacken und Missbräuchen.
Wie uns bekannt wurde, sind genau zu diesem Zeitpunkt und auch über den hinaus diese Menschen von Opferschutzverbänden aufgefangen worden, und es ist erwiesen, dass auch die Stadt Wien zu diesem Zeitpunkt schon Bescheid wusste. Das Einzige, was Sie getan haben, war, die Verfahren wegen Verjährung einzustellen und die Opfer nicht ernst zu nehmen. Hier stellt sich jetzt die Frage: Agieren Sie womöglich bei anderen Fällen auch so ignorant?
Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass wir immer wieder schon Debatten über die Jugendwohlfahrt hatten, sprich, die MA 11, wo es gerade in Familien oder unter Jugendlichen zu Gewaltübergriffen kam. Wir haben Sie auch immer wieder darauf hingewiesen, hier wäre großer Handlungsbedarf, nicht nur in finanzieller, sondern auch in personeller Hinsicht. Wir haben Ihnen auch vorgebetet, dass die Fallzahlen in der Jugendwohlfahrt um 30 Prozent gestiegen sind.
Ich möchte Ihnen noch einen anderen Fall, den wir vor zwei Jahren diskutiert haben, in Erinnerung rufen, und zwar ging es damals um den Verein „Family for You", der Adoptionen getätigt hat. Hier ging es um eine besondere Adoption, und zwar um zwei Kinder aus Äthiopien, die an eine Familie vermittelt worden sind, wobei sich dann herausgestellt hat, dass die Kinder weder Geschwister waren noch in einem Waisenhaus waren, sondern dass den Eltern, sprich, den Müttern, die Kinder in Äthiopien unter Vorspiegelung falscher Tatsachen entzogen worden sind.
Meine Damen und Herren! Auch der Verein „Family for You" gehörte zu der Aufsicht der Jugendwohlfahrt, und auch hier wurde nichts getan. Hier wurde weder eine Aufsichtspflicht gewahrt noch wurde kontrolliert, noch wurde nachgeforscht, obwohl es eigentlich notwendig wäre, dass die Stadt Wien das genau bei diesen Vereinen, die unter Ihrer Verantwortung sind, tut.
Ich frage mich: Ist der aktuelle Skandal nur die Spitze des Eisberges? Wir fordern wirklich eine allumfassende Aufklärung dieses Falles. Es darf eigentlich nicht passieren, dass in unserer Gesellschaft derartige Vorkommnisse ignoriert werden. Es ist nicht nur unser politischer Auftrag – (Der Ton wird sehr leise) ist das schon wieder aus? –, sondern auch ein gesellschaftspolitischer Auftrag, dafür zu sorgen, dass Werte und menschliches Miteinander kein Verfallsdatum haben. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Abermals darf ich mich entschuldigen für die technischen Probleme. Ich glaube, durch das Blinken des Lichtes hört man dann immer dieses Ticken, und deshalb wird versucht, das leiser zu drehen, damit es nicht allzu durchdringend ist. Ich bitte noch einmal um Verständnis und um entsprechende Rücksichtnahme.
Als nächster Redner hat sich Herr GR Ellensohn zu
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