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Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 40 von 51

 

Meine Damen und Herren! Wir sind beim Thema Kultur und beim Verein Sammlung Rotes Wien. Lassen Sie mich trotzdem einige Bemerkungen zum Roten Wien an sich machen. Ich meine jetzt nicht das rote Wien nach 1945, das gelegentlich, wie ich meine, fälschlicherweise als „Rotes Wien“ bezeichnet wird, sondern ich meine das Rote Wien von 1919 bis 1934, um genau zu sein, müsste man sagen, ab 1922, also ab der Trennung vom schwarzen Niederösterreich, also das Rote Wien der Geschichte, vor 80 oder knapp 90 Jahren.

 

Die SPÖ selber bezeichnete dieses Rote Wien damals als ein gesellschaftspolitisches Experiment, das mehrere bis viele Lebensbereiche umfassen sollte, und ich nenne jetzt die damalige Sozialpolitik, die Gesundheitspolitik, die Bildungspolitik und die Wohnbaupolitik.

 

Ich meine aber auch, dass diese Form der Politik zu dieser Zeit durchaus notwendig war, nämlich nach den schrecklichen Ereignissen und auch nach den schrecklichen gesellschaftlichen Veränderungen, nach der Armut in Zusammenhang mit und gleich nach dem Ersten Weltkrieg; und ich meine auch, dass es ganz einfach die Pflicht und die Aufgabe der Gemeinde Wien gewesen ist, da eindeutig tätig zu werden.

 

Finanziert musste das Ganze natürlich auch werden. Das waren durchaus progressive und, wie ich zugebe, sehr einfallsreiche finanzpolitische Mittel, die nicht nur aus dem Bundesbudget, sondern auch insbesondere durch die sogenannten Breitner-Steuern aufgebracht wurden – benannt nach dem damaligen und langjährigen Finanzstadtrat Hugo Breitner, der danach, ab 1932, einer der Leiter der Zentralsparkasse war.

 

Wir verdanken dem Herrn Breitner die Wohnbausteuer sowie damalige Luxussteuern wie zum Beispiel die Vergnügungssteuer – wenn Sie sie das nächste Mal zahlen, wissen Sie, auf wen sie zurückgeht –, wir verdanken ihm in Wien auch die Sektsteuer; die Steuer auf Reitpferde ist, soweit ich weiß, abgeschafft und jene auf die großen Autos gibt es heute auch nicht mehr.

 

Besonders ertragreich für das Steueraufkommen der damaligen Zeit war aber die Besteuerung des Dienstpersonals in den Haushalten, die sogenannte Hausgehilfinnensteuer. Es wurde sogar vorgerechnet, was alles finanziert werden konnte alleine aus dieser Dienstbotensteuer der Familie Rothschild in Wien.

 

Heute, meine Damen und Herren, stehen wir vor einer ganz anderen Situation. Heute sind die von mir genannten Bereiche – und ich weiß, dass das jetzt Protest und Widerspruch hervorrufen wird – eher im Niedergang begriffen. In der Sozialpolitik: Denken Sie bitte an die gestrige außerordentliche Landtagssitzung, wo wir über die Gebührenerhöhung gesprochen haben – das ist die derzeitige Sozialpolitik!

 

In der Gesundheitspolitik: Die medizinische Versorgung ist in Wien Gott sei Dank spitze, vollkommen in Ordnung und muss nicht weiter diskutiert werden, doch liegt auch da in Bezug auf Organisation und Verwaltung leider einiges im Argen, wie wir jeden Tag immer wieder erfahren.

 

Im Bildungswesen: Meine Damen und Herren, da denke ich an die Schulen, in denen in Wien kaum noch ein geregelter Unterricht möglich ist, wo eine Wissensvermittlung nicht mehr in dem Umfang erfolgen kann, wie sie eigentlich erfolgen sollte, von Übungen dazu ganz zu schweigen. Und was die berühmte soziale Kompetenz betrifft, von der wir immer sagen, dass die Schulen sie haben und vermitteln sollen: Das trifft auch nicht immer wirklich zu.

 

Was den Wohnbau betrifft, wissen wir alle, dass es noch immer oder schon wieder viel zu wenig leistbaren Wohnraum gibt, trotz aller offensichtlichen Bemühungen. Die Gemeindewohnungen alten Stils – ich betone, alten Stils – gibt es leider neu errichtet nicht mehr. Ich orte da einen Niedergang auf der ganzen Linie.

 

Die Tätigkeiten der Gemeinde vor etwa 80, 70 Jahren, die gerne von der SPÖ als „Errungenschaften“, „Großtaten“ und so weiter bezeichnet werden, sind, auch das gebe ich zu, damals ohne Aufnahme von Krediten durchgeführt worden. Das stimmt schon, Breitner hat sich damals gegen die Kreditaufnahme ausgesprochen, er hat dafür, wie wir wissen, eher die Sozialleistungen gekürzt. Auch da gibt es einen deutlichen Unterschied zu heute. Mit Kreditaufnahmen sind wir heute in Wien eher großzügig, mit allen Problemen und Verlusten.

 

Ich meine auch, dass es nicht nur die Breitner-Steuern waren, die damals für einen, wenn auch noch so bescheidenen, Aufschwung gesorgt haben; ich meine, dass das auch ohne die Gelder der damaligen Bundesregierung nicht möglich gewesen wäre. Man hat nämlich gesehen: Als die Bundesregierung dann, überspitzt formuliert, den Geldhahn zugedreht hat – zuerst gekürzt und dann praktisch ganz zugedreht –, sind die Aktivitäten der Gemeinde dramatisch zurückgegangen.

 

Das war eigentlich nur die Einleitung. Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema, nur damit wir alle vom Gleichen reden. (Heiterkeit bei den Grünen. – GR Dr Kurt Stürzenbecher: Ist ja keine Vorlesung!) – Auch ich habe 20 Minuten, und auch ich nütze sie heute aus ... Gut, Sie haben mich überzeugt. 6 Minuten noch.

 

Dieses Experiment vom Roten Wien wird nun vom Verein Sammlung Rotes Wien, von der Sammlung selber, ich scheue mich nicht zu sagen, verklärt und verherrlicht als ein doch realer Ausdruck eines Sozialismus oder genauer gesagt, eines damals zeitgenössischen Austromarxismus gemacht. Und dieser Austromarxismus, wenn ich mich richtig informiert habe und ich zweifle nicht daran, sollte ja zu einer Umerziehung des Menschen führen, nämlich zu einem neuen Menschen. Und ich bitte Sie jetzt, die Terminologie zu vergleichen: Der neue Mensch sollte nicht in dem Roten Wien, sondern nach früherer Diktion im neuen Wien leben, in einem verwirklichten Sozialismus, selbstverständlich einschließlich eines sozialistisch gestalteten Privatlebens und einer sozialistisch gestalteten Freizeit. Glücklicherweise hat sich das ja nicht durchgesetzt.

 

Vergessen wir bitte nicht, meine Damen und Herren, dass der Marxismus und seine Lehre ganz wesentlich

 

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