Gemeinderat, 15. Sitzung vom 21.11.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 150
irgendwann einmal zurückzahlen, es handelt sich nur um geborgtes Geld. Genau auf diesem geborgten Geld ist aber unser Wohlfahrtsstaat beziehungsweise Wohlstandsstaat aufgebaut, und wir haben halt jahrzehntelang über unsere Verhältnisse gelebt.
Kollege Schicker hat heute Keynes zitiert, den Säulenheiligen der Staatsverschulder, wenn ich es so sagen darf, meine Damen und Herren. Keynes hat quasi den philosophischen Unterbau für das Deficit Spending erfunden. Er sagt wohl, dass in schlechten Zeiten der Staat Geld auszugeben und die Wirtschaft zu beflügeln hat. Er sagt aber auch, dass in guten Zeiten gespart werden soll, meine Damen und Herren, um dann, wenn die Konjunktur schlechter ist, überhaupt noch Pulver für Maßnahmen zu haben.
Ich denke nur, welches Zeter und Mordio es wegen des Nulldefizites vor einigen Jahren im Bund gab! Das war der richtige Weg! Man muss in guten Zeiten noch viel mehr ansparen, um dann in schlechten Zeiten Geld ausgeben zu können.
Es ist dies eine dramatische Fehleinschätzung, meine Damen und Herren: Wer einen sozial starken Staat will, der muss in guten Zeiten höhere Überschüsse erwirtschaften, sonst kann der starke Staat seiner Rolle nämlich dann, wenn es schlecht geht, gar nicht mehr gerecht werden. Und dieser starke Staat muss auch effizient organisiert sein, und Gleiches gilt für die Stadt. Diesbezüglich könnte man übrigens viel von skandinavischen Ländern, und zwar auch von sozialdemokratisch regierten, lernen.
Die Weltpolitik hat also nach der Lehman-Krise 2008 eine ganze Reihe von Fehlern gemacht. Ich zähle diese nur ganz kursorisch auf.
Ich glaube, die Krise wurde am Anfang unterschätzt. Man hat gesagt: Ist eh nur – unter Anführungszeichen – die Finanzwirtschaft! Die Staatsschulden wurden noch vergrößert. Was die Regeln für die Finanzwirtschaft betrifft, gebe ich sogar den GRÜNEN teilweise recht. Ich glaube, dass man diesbezüglich viel zu wenig stringent vorgegangen ist.
Es gibt so etwas wie ein Schattenbankensystem noch immer, auch drei Jahre nach Lehman, in Form von Hedgefonds. Die Absicherungen für Exporteure über derivative Produkte, um zum Beispiel das Währungsrisiko zu hedgen beziehungsweise abzusichern, ist völlig okay. Das ist etwas betriebswirtschaftlich völlig Normales. Aber wenn es das Grundgeschäft nicht mehr gibt und nur mehr über solche Produkte spekuliert wird – und das mag jetzt Margulies vielleicht verwundern, aber es ist tatsächlich so –, dann soll das meiner Meinung nach durchaus eingedämmt respektive eingeschränkt werden, denn das führt teilweise auch zu den Problemen der Länderbonitäten, weil mit sogenannten Credit Default Swaps an der Verschlechterung der Bonität eines Landes verdient werden kann. Dem muss man – und die Europäische Union tut es ja – meiner Meinung nach wahrlich zu Leibe rücken.
Ich glaube, wir brauchen in Summe auf jeden Fall mehr Ehrlichkeit in der Politik. Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar, und die Wahrheit ist, wie ich schon gesagt habe: Unser Wohlfahrtsstaat ist knapp am Ende, das Finanzsystem, so wie wir es heute kennen, steht zumindest – wie ich einmal sagen möchte – auf der Kippe. Und mit dem Verlust des Triple-A-Ratings würden Österreich zunächst im ersten Schritt – und wenn es dann noch weitergeht, könnte es noch mehr sein – 8 Milliarden EUR zusätzlich jährlich an Geldbeschaffungskosten drohen. – Das gilt es wirklich mit aller zu Gebote stehenden Macht zu verhindern, meine Damen und Herren! Diese 8 Milliarden zusätzlich wären eine Katastrophe und würden den Handlungsspielraum der österreichischen Politik noch viel weiter einengen!
Das Thema Staatsbankrott ist – was keiner von uns beziehungsweise unserer Generation noch vor zehn Jahren geglaubt hätte – kein utopisches Gespenst mehr, siehe Griechenland, und vielleicht betrifft es in nächster Lesung sogar auch Italien. Dieses Gespenst Staatsbankrott ist in Europa auf einmal Realität geworden, und wenn Italien kippt, meine Damen und Herren, dann wird es, salopp gesprochen, auch für Österreich eng. Italien ist unser zweitgrößter Handelspartner. Das wäre für uns eine Katastrophe!
Damit bin ich jetzt bei einem Thema, das heute auch schon angesprochen wurde: Unicredit Bank Austria: Auch das wäre für die österreichische Wirtschaft eine absolute Katastrophe. Es sind ja sehr viele Unternehmen bei der Bank Austria finanziert. Deren Ratings werden immer schlechter, und das spüren heute schon die kleinen und mittleren Unternehmer und Privaten: Es gibt höhere Kosten für ihre Kredite, weil es der Bank Austria durch ihre Muttergesellschaft Unicredit schlecht geht, meine Damen und Herren.
Das, was mit dieser Bank Austria geschehen ist, ist einer der größten wirtschaftspolitischen Skandale der österreichischen Nachkriegsgeschichte! Das muss man sich schon einmal genau anschauen, und wir werden uns dieses Thema auch in Zukunft genauer anschauen, und da wollen wir auch – das sage ich gleich – bei der historischen Wahrheit bleiben. Es ist ganz wichtig, Ihnen das einmal zu erklären, weil Kollege Schicker vorhin gemeint hat, die ÖVP sei am Verkauf der Bank Austria schuld gewesen, weil wir sie privatisieren wollten.
Wenn wir mit so etwas schon anfangen, dann machen wir es genau, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Im Koalitionsabkommen 1996 stand – und ich erlaube mir jetzt, aus diesem Abkommen zu zitieren: „Den Interessen der Bank Austria und der Wirtschaft ist am besten dadurch gedient, dass die Bank Austria auch bei Veränderung der Besitzstruktur mehrheitlich in österreichischem Eigentum bleibt und sich die öffentliche Hand schrittweise aus ihrer Eigentümerfunktion zurückzieht.“ – 1996 war von der Bank Austria-Übernahme der CA noch nicht die Rede, damals gab es noch die Bank Austria als fusioniertes Unternehmen von Länderbank und Zentralsparkasse. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Damals hat sie fast noch Zentralsparkasse geheißen!)
Es stimmt: Wir wollten, dass über den
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular