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Gemeinderat, 15. Sitzung vom 21.11.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 150

 

österreichischen Kapitalmarkt privatisiert wird, und wir wollten, dass die Haftungen der Stadt Wien – und wir waren, glaube ich, alle weise damit beraten, dass das geschehen ist, wie man heute an Hand des Themas Haftung in Europa sieht – aufhören beziehungsweise langsam abschmelzen. Von allem anderen, von einem „unfriedly takeover“ von Herrn Randa und seinen Spießgesellen – das sage ich heute ganz absichtlich an dieser Stelle –, die sich die monetäre Visitkarte Österreichs unter den Nagel gerissen haben, war damals genauso wenig die Rede wie vom Verkauf des fusionierten Unternehmens an die deutsche HVB. Das wollten wir nicht. Aber eine andere Lösung war mit der Sozialdemokratie in diesem Hause leider nicht möglich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Das war einer der ganz großen wirtschaftspolitischen Fehler in Wien und in Österreich in den letzten 20 Jahren oder länger. Und wer ist daran schuld, meine Damen und Herren? – Die Wiener können sagen: Danke, Bürgermeister Häupl. Er war es nämlich damals. Und sie können sagen: Danke, Herr Randa.

 

Wenn man sich das aber jetzt hier so salopp anschaut, dann glaubt man, dass gar keiner daran schuld ist und das irgendwie von selber gegangen ist. Das ist aber nicht der Fall.

 

Nun komme ich aber zurück zu Österreich und zu einem Thema, das heute natürlich uns alle bewegt, und das ist die Schuldenbremse. Die Europäische Union hat endlich reagiert, und Österreich hat auch endlich in einem – wie ich mir persönlich anzumerken erlaube – seltenen Akt der Einigkeit der Bundeskoalition unter dem Druck der internationalen Märkte reagiert. Aber nun, da es um die Umsetzung geht, meine Damen und Herren, beginnt es schon wieder zu spießen. Da geht ein altes österreichisches Spiel nach dem klassischen Floriani-Prinzip los: Sparen – ja, aber bitte nicht bei mir, sondern immer beim anderen!

 

Ich habe vorhin schon gesagt: Wir brauchen in der Politik viel mehr Ehrlichkeit, und wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir alle, dass wir vernünftigerweise an vielen verschiedenen Rädern gleichzeitig drehen müssen werden. Es wird Einsparungen geben, und zwar nicht zu knapp. Es drohen zusätzliche Belastungen. Alles andere zu sagen, wäre vermessen. Und vor allem brauchen wir Reformen, und zwar auch im Verwaltungsbereich. – Wir brauchen jetzt also, wie ich es bezeichnen möchte, so etwas wie einen New Deal für Österreich, einen nationalen Schulterschluss. Momentan höre ich aber links herum hauptsächlich klientelmotiviertes, einseitiges Gebrabbel.

 

Mit Reichensteuern allein – und damit komme ich zu einem Lieblingsthema, das wir heute schon debattiert haben – wird sich, lieber Kollege Margulies, diese Krise nicht bewältigen lassen. So viele Reiche gibt es nicht in Österreich, auch wenn du Zahlen nennst. Ich habe jetzt auch noch einmal nachgelesen: Die obersten 10 Prozent besitzen 54 Prozent, nicht zwei Drittel des Geldvermögens. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Genau, des Geldeinkommens! Und wie verhält es sich mit Grund und Boden?)

 

Dazu komme ich gleich! Im Zusammenhang mit Grund und Boden ist es ganz interessant. Man muss nämlich quasi das Kleingedruckte auch immer lesen: Raten Sie, meine Damen und Herren, wie viel Prozent von den 880 Milliarden Immobilienvermögen auf Hauptwohnsitze entfällt! – Es sind 52 Prozent! Wenn man also wirklich in die Grund-und-Boden-Besteuerung geht, dann erwischt man 52 Prozent der Hauptwohnsitzbesitzer in Österreich. (Zwischenruf von GR Dipl-Ing Martin Margulies.)

 

Na ja, sicherlich! Man muss es breit anlegen, sonst bleibt von den 880 Milliarden ja wieder nur weniger als die Hälfte übrig! (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Da ist ja mehr darauf!) Das „Mehr-Darauf“ geht in die andere Richtung, das hat Kollege Aigner schon richtig gesagt. Am Anfang war in den Zeitungen von einer Millionärssteuer zu lesen. Das hast du ja auch gesagt, Kollege! Einstweilen lese ich aber schon von einer Vermögenssteuer ab 500 000 und einer Einkommenssteuer ab 300 000. – Da sieht man schon, in welche Richtung nach unten in den Mittelstand dieses Schwert hineinschneiden soll, meine Damen und Herren! Und selbst wenn du die ganz Reichen mit 100 Millionen Vermögen nimmst, dann klingt das wie vieles in der Theorie super. Du hast gesagt, denen kann man von den 100 Millionen 1 Million wegnehmen. – Nimm ihnen im ersten Jahr 1 Million weg, dann bleiben 99 Millionen, dann nimmst du ihnen im zweiten Jahr wieder 990 000 weg und so weiter und so weiter.

 

Das heißt: Eine Vermögenssteuer, und das ist das große Problem, ist eine Vermögensverzehrsteuer. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Da irrst du dich, weil eine Vermögenssteuer mit 1 Prozent weitaus geringer wäre als der jährliche Vermögenszuwachs! Das Vermögen wächst, auch wenn wir etwas wegnehmen, das heißt, es wird niemals weniger!)

 

Nein, das stimmt auch nicht ganz! Warum? – Momentan in der Krise verdienen alle nicht so gut. (Zwischenruf von GR Dipl-Ing Martin Margulies.) Nein! Aber ich kenne wenige Reiche, die momentan in der Krise wirklich gut verdient haben! Du brauchst dir nur die Aktienentwicklung anzuschauen! Wie sollte denn das gehen? So wie sich die Aktien entwickeln, können die großen Vermögen in Österreich nicht sonderlich steigen.

 

Das heißt, das ist eine Verzehrsteuer. Treffen können wir uns bei der klassischen Capital Gains Tax. Nur den Vermögenszuwachs zu besteuern, darüber kann man reden. Das ist jedenfalls meine Privatmeinung. Aber bitte nicht in die Substanz gehen!

 

Außerdem kommt bei der Substanz noch etwas dazu: Die 100 Millionen, die du ansprichst, hat ja keiner in der Tasche oder zu Hause unter der Matratze liegen, sondern diese Summe ist investiert. Dieses Geld ist in Österreich zu einem Großteil – das geht auch aus dem Reichtumsbericht hervor – in Unternehmen investiert. Auch bei den Privatstiftungen ist der größte Anteil an Beteiligungen bei Unternehmen. Das heißt, man würde bei einer Substanzsteuer in die österreichische Wirtschaft gehen und denen etwas wegnehmen. Und was ist, wenn jemand es nicht in Cash hat, sondern das

 

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