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Gemeinderat, 15. Sitzung vom 21.11.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 73 von 150

 

frauenpolitischen Debatten, ist das Ermöglichen von Eigenständigkeit von Migrantinnen. Das spreche ich hier deshalb an, weil es mir immer wieder wichtig ist zu sagen, dass nämlich das Aufenthaltsrecht, das wir in Österreich haben, dem selbstbestimmten Leben vieler Migrantinnen leider im Weg steht. Hier gilt es dringend - und ja, das ist ein Appell an die Bundesregierung, aber ich möchte nicht verabsäumen, ihn auszusprechen, wenn ich am Wort bin -, Frauen ein von ihren Ehemännern unabhängiges Aufenthaltsrecht zu gewähren, damit sie endlich in Unabhängigkeit und Selbstbestimmung leben können. Ansonsten beteiligt sich hier der österreichische Staat an schwierigen Verhältnissen und vor allem an Unterdrückungsverhältnissen von Frauen.

 

Ein letzter Punkt – nein, nicht ein letzter Punkt, sondern ein weiterer Punkt -, den ich ansprechen möchte, ist das wichtige Fördern von feministischer Grundlagenarbeit in dieser Stadt. Auch hier nimmt die Stadt Geld in die Hand, um unabhängige emanzipatorisch-feministische Grundlagenarbeit zu fördern, die so wichtig ist und die so unendlich wichtig scheint, gerade wenn wir uns das letzte Jahr, finde ich, vor Augen führen, wenn wir uns vor Augen führen, welche Debatten wir als Frauen miterleben mussten im Zusammenhang mit Sexualstraftaten, welche Debatten wir uns anhören, welche Beiträge - einerseits medial vermittelt, aber durchaus auch durch die Öffentlichkeit vermittelt – wir uns anhören mussten, was wir uns anhören mussten, wie über Gewalt an Frauen gesprochen wird, debattiert wird, wie Gewalt an Frauen genau nicht benannt wird. Da ist immer noch von, ich weiß nicht, welchen Worten - ich will sie nicht wiederholen -, jedenfalls nicht von Gewalt die Rede. Es wird immer noch so getan, als handle es sich hier um Kavaliersdelikte, als hätten Frauen selbst daran Schuld, wenn Gewalt an ihnen ausgeübt wird. Genau diese Haltung ist in diesem Jahr - und wir sind alle traurigerweise Zeuginnen und Zeugen davon geworden – so überdeutlich, mehr als deutlich geworden.

 

Auch hier nimmt die Stadt Wien genug Geld in die Hand, um Frauenschutz, um Gewaltschutz ordentlich und ausreichend zu finanzieren. Über die Hälfte des Budgets geht in diesen Bereich. Ich möchte hier nochmals ansprechen, was wir jedes Jahr an dieser Stelle ansprechen: Ich finde es richtig und wichtig, dass es selbstverständlich so viel und gut budgetiertes Gewaltschutzbudget gibt. Allerdings finde ich es nicht richtig, dass es im Frauenförderungsbudget ist. Gewaltschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich meiner Meinung nach nicht allein im Frauenbudget wiederfinden sollte, sondern die gesamtgesellschaftlich getragen werden sollte. Und insofern sind wir – aber das ist auch nichts Neues – natürlich für die Erhöhung des Frauenbudgets und für das Herausnehmen des Gewaltschutzbudgets aus dem Frauenbudget, damit das hier auch endlich als gemeinsame Aufgabe der gesamten Gesellschaft verstanden wird.

 

Am kommenden Freitag, am 25. November, beginnen wieder mit dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen die „16 Tage gegen Gewalt", die jedes Jahr - ich habe es schon gesagt - leider kein bisschen an Aktualität und Brisanz verlieren. Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist immer noch die weltweit häufigste Verletzung der Menschenrechte. Sie ist subtil, sie ist brutal, sie ist kulturell tief verankert, und dennoch ist sie selbstverständlich weder zwangsläufig noch naturgegeben.

 

Gewalt gegen Frauen umfasst allgemein jede Verletzung der körperlichen und seelischen Integrität. Es geht darum, die Überschneidungen dieser scheinbar so unterschiedlichen Gewaltformen aufzuzeigen und die Alltäglichkeit männlicher Gewalt gegen Frauen sichtbar zu machen.

 

Gewalt dient nach wie vor der Machterhaltung, der Erhaltung des Status quo. Sie hemmt Frauen massiv in ihrer Entwicklung, und sie hindert sie systematisch an gesellschaftlicher Teilhabe.

 

Nach wie vor ist der gefährlichste Ort für Frauen die Familie. Nach wie vor ist der gefährlichste Ort für Frauen die Beziehung. Nicht vor Angriffen von Fremden in dunklen Straßen müssen Frauen sich erfahrungsgemäß am meisten fürchten, sondern vor den alltäglichen Angriffen, vor der alltäglichen Brutalität von Freunden, Verwandten und Geliebten. Der Tatort Beziehung ist international und alltäglich. Eine von fünf Frauen ist von Gewalt durch ihre männlichen Verwandten, Freunde oder Bekannten betroffen, nicht nur in Österreich, sondern in allen umliegenden europäischen Ländern. (Ruf bei der FPÖ: Und außereuropäischen!) Und außereuropäischen. Mehrmals betont habe ich, dass Gewalt international ist. Richtig!

 

Nicht unterschätzt werden darf aber auch - das möchte ich hier auch ansprechen - die beobachtete Gewalt. Abgesehen davon, dass in 70 Prozent der Fälle auch Kinder direkt, also unmittelbar von Gewalt betroffen sind, werden sie durch beobachtete Gewalt selbstverständlich und nachweislich massiv in ihren Entwicklungschancen gehemmt.

 

Es gibt - und das möchte ich nochmals sagen, weil es auch in diesem Jahr so häufig missverstanden und missverständlich kommuniziert wurde -: Es gibt keine individuelle Kontrollierbarkeit von Gewalt. Ich persönlich kann Gewalterfahrung nicht individuell verhindern. Es liegt nicht in meiner Hand, ich bin nicht diejenige, die provoziert, ich bin nicht diejenige, die selbst an Gewalt, die an mir ausgeübt wird, Schuld hat.

 

Als zentralen Schritt, um von Gewalt betroffenen Frauen zu helfen, muss ihre Isolation durchbrochen werden, das Private muss politisiert werden, und es muss endlich Schluss sein mit der Solidarisierung mit oder Bemitleidung von gewalttätigen Männern, die noch immer so oft und so häufig auf verlogenes Schweigen zählen können.

 

Ich bitte um Ihre Mithilfe, um hier die Welt für Frauen um einiges besser zu machen. - Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Frau Kollegin! Ich habe jetzt davon abgesehen, Sie in Ihrem

 

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