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Gemeinderat, 15. Sitzung vom 21.11.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 82 von 150

 

Gesellschaft. Diese Schiene ist aber eine unvernachlässigbare Schiene in der Integrationspolitik, die unsere höchste Aufmerksamkeit verdient. Gerade wo in Deutschland Neonazi-Terroristen Menschen umbringen, weil sie anders aussehen, weil sie eine andere Herkunft haben, ist die Thematisierung von Rassismus und Diskriminierung wichtiger denn je. Ich würde dem Herrn Kurz daher empfehlen, sich auch dieses Themas anzunehmen und genau zu schauen.

 

Ein weiterer Unterschied zwischen Herrn Kurz und uns ist, dass wir allein in Wien fast 10 Millionen EUR für das Integrationsbudget aufstellen, während Sebastian Kurz für das gesamte Land, für ganz Österreich inklusive EU-Mittel 10 Millionen EUR zur Verfügung stehen. Das ist ein sehr wesentlicher Unterschied, das müssen Sie sehen. Also das Gewicht der Integrationspolitik ist bei der ÖVP leider Gottes noch nicht so ganz angekommen, sonst hätte Herr Kurz Wien hochrechnen müssen, mal 9 rechnen müssen und 90 Millionen EUR in die Hand nehmen müssen, damit er bundesweit eine bessere Integrationspolitik betreiben kann.

 

Das Alter von Herrn Kurz haben wir nie thematisiert. Ich bin hier gestanden – da wird sich die Isabella oder der eine oder andere Kollege, die eine oder andere Kollegin von der ÖVP erinnern können – und habe gesagt, ich freue mich, dass ein junger Mensch diese Verantwortung übernommen hat, weil gerade wir, die GRÜNEN, dafür sind, dass die jungen Menschen in der Politik mehr Aufmerksamkeit bekommen und mehr Verantwortung übernehmen. Hier zählt für uns nicht das Alter, aber ganz wichtig ist für mich, dass Sebastian Kurz aus Wien kommt, aus einer interkulturellen Stadt, aus einer Stadt, wo das Stadtbild davon geprägt ist und wo die Menschen miteinander in unterschiedlichsten Sprachen kommunizieren können. In einer Stadt, in der unterschiedlichste Kulturen vorherrschen, erhoffe ich mir von dieser Sozialisation des Herrn Kurz auch einen anderen Zugang zu Integration und zur Integrationspolitik.

 

Aber wenn man sich die ÖVP hier genauer anschaut, so ist es, glaube ich, der Außenminister, wenn ich mich nicht irre, der mit den Wahhabiten ein Projekt in Wien machen will. Sie wissen, wer die Wahhabiten sind? Die Wahhabiten sind eine total konservative, eine streng konservative Schicht in Saudi Arabien, die dort das Sagen haben, die auch Einflüsse in Europa, in sämtlichen Städten, auch in Wien, haben, die nicht unbedingt integrationsfördernd, das Zusammenleben fördernd arbeiten, sondern auf ihre eigenen Interessen schauen. Hier ist ein Klärungsbedarf, Herr Juraczka. Der Herr Außenminister müsste sich eigentlich von diesem sogenannten Dialogzentrum, das die Wahhabiten ins Leben gerufen haben, distanzieren – wir haben das getan und haben kritisiert –, es sei denn, es sind andere Gründe da, Geschäfte oder sonstige finanzielle Gründe. Aber dieser Schritt ist sicherlich keine Hilfe für Integration in unserer Stadt, in Österreich und, ich sage es ganz offen, nicht einmal in ganz Europa. Ganz im Gegenteil! Wien übernimmt damit eine schlechte Rolle. Das sollten wir nicht machen. Bei Gelegenheit bitte ich Sie, dem Außenminister das mitzuteilen.

 

Ich komme auf einen weiteren Punkt, nämlich die Frage der Sprache. Ich bin ein Mensch, der zwei Sprachen kann. In Türkisch und in Deutsch kann ich mich ausdrücken, ich kann lesen, ich kann mir Informationen in beiden Sprachen holen, ich kann verfolgen, was da und dort passiert, weltweit. Das hat nur Vorteile, also aus meiner Sicht hat das überhaupt keine Nachteile.

 

Wenn wir uns Europa anschauen, so leben in Europa 105 Millionen Menschen, die 300 Minderheiten angehören und unterschiedlichste Sprachen sprechen. Wenn wir über Mehrsprachigkeit reden in einer europäischen Dimension, die ja auch in Wien beheimatet ist, reden wir nicht darüber, wie schlecht eine Sprache ist, sondern wir reden über eine Realität und stellen fest, es sind 105 Millionen Menschen, ein Fünftel der europäischen Bevölkerung, und dazu gehören auch die deutschen Minderheiten in Rumänien, Tschechien und was weiß ich, wo.

 

Herr Jung! Ich bin vom Herzen dafür, dass die deutschsprachige Minderheit in diesen Ländern auch nach wie vor die deutsche Sprache sprechen, artikulieren und lernen darf. Das schadet nicht. Sie sollen aber nicht nur die deutsche Sprache lernen, sondern auch die landesübliche Sprache dort lernen und sprechen, damit man miteinander sprechen kann. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Das müssen sie sowieso!)

 

Ihre Doppelbödigkeit ist die: Wenn es um die anderen geht, also wenn es um die deutschsprachige Minderheit in anderen Ländern geht, fordern Sie vehement deren Rechte ein. Nichts dagegen einzuwenden. Wir sind für Minderheitenschutz, überall. Wenn es aber um Wien geht oder um Österreich geht, steigen Sie auf die Palme und sagen: „Was? Türkisch?" Sie haben da einen Antrag, in dem Sie auch Kroatisch und eine andere Sprache aufgezählt haben, Serbisch haben Sie bewusst ausgelassen. Serbisch haben Sie bewusst ausgelassen, obwohl in Wien auch Serbisch gesprochen wird, denn das ist natürlich ein Teil Ihrer Politik.

 

Ich bin sehr dafür, dass Kinder und Jugendliche doppelsprachig aufwachsen. Ich habe eine Tochter, die ist 19 Jahre alt, die kann 3 Sprachen, und ich habe einen Sohn, der ist zweieinhalb Jahre alt und wächst doppelsprachig auf. Das schadet überhaupt nicht. Der hört jetzt schon türkische Musik, österreichische Musik, deutsche Musik und so weiter, er hört Geschichten in diesen Sprachen an. So entsteht ein weltoffener Mensch, der vielseitig ist.

 

Wenn wir über Integration reden, meine Damen und Herren, heben wir doch einmal diese positiven Aspekte hervor. Wir haben in Österreich eine hervorragend funktionierende Zusammenlebensweise, wo sehr viele Jugendliche aus der zweiten und dritten Generation mittlerweile als Journalisten und Journalistinnen in der österreichischen Presse schreiben, im ORF arbeiten, in anderen Medien arbeiten. Diese Menschen sind unterstützt worden durch ihre Familien, durch die Gesellschaft und können diesen Erfolg vorweisen.

 

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