Gemeinderat, 15. Sitzung vom 21.11.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 111 von 150
Ein weiterer Antrag wäre betreffend regelmäßiger - gewünscht wären alle zwei Monate - Bericht der Sachverständigenkommission zur Untersuchung der Vorkommnisse im Kinderheim Wilhelminenberg an den zuständigen Gemeinderatsausschuss. - In formeller Hinsicht wird auch hier die Zuweisung verlangt.
Der letzte Antrag wäre betreffend Untersuchungskommission, Untersuchungsausschuss:
„Der Wiener Gemeinderat spricht sich für eine Änderung der Wiener Stadtverfassung dahin gehend aus, dass der Unterzeichnungszeitraum für Untersuchungsausschüsse und Untersuchungskommissionen zukünftig keiner Befristung unterliegt." Die derzeitige Beschränkung ist auf Sachverhalte, die maximal acht Jahre zurückliegen.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an Herrn Bgm Häupl verlangt. - Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Dr Sigrid Pilz: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Akkilic. Ich erteile es ihm.
GR Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus): Werte Vorsitzende! Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!
Normalerweise ist es in der Politik so, dass die Opposition auf Veränderungen drängt und die Regierenden ums Beibehalten des Status quo kämpfen, damit ihre Macht nicht gefährdet ist. In der Frage der Bildung, meine Damen und Herren, haben wir ein verkehrtes Verhältnis: Wir wollen, dass sich in der Bildungspolitik in dieser Stadt, aber auch in ganz Österreich etwas ändert, weil wir einen Überblick über die Entwicklungen in der Gesellschaft haben, die wir in unser Bildungssystem einfügen wollen und die wir berücksichtigen wollen, damit eine neue Politik entstehen kann.
Dieses Festhalten der Opposition am Status quo hat einen sehr wichtigen Grund, denn geht es um die Bildungspolitik, es geht um einen sehr harten Verteilungskampf. Hier wollen wir, dass Kinder, die vor allem aus sozial schwächeren Familien kommen, dieselben Chancen haben wie alle anderen Kinder, die sich höhere Bildung leisten können, durch die Bank, vom Kindergarten bis zur Universität.
Hier wissen wir ganz genau, dass es nicht nur um die Kinder aus sozial schwachen Familien geht, sondern auch um Kinder aus Familien, die einer sozioökonomischen Entwicklung unterworfen sind, deren Eltern beziehungsweise Elternteile nicht mehr imstande sind, für diese Kinder hundertprozentig zu sorgen. Wir reden von AlleinerzieherInnen, wir reden von Familien, die zwei oder mehreren Arbeiten nachgehen müssen, weil sie sonst durch den Monat nicht durchkommen. Wir reden über Familien, die nicht über das notwendige Wissen im Bildungssystem beziehungsweise über die Veränderungen in der Welt verfügen, damit sie ihren Kindern Unterstützung leisten können.
Herr Aigner! Das ist auch ein Unterschied zwischen Land und Stadt. Es gibt ein Gefälle zwischen Land und Stadt, es gibt eine andere Bevölkerungsstruktur am Land. Manche Ortschaften haben viel weniger Einwohner, daher andere Schulstrukturen und so weiter und so fort. Wir leben in der einzigen Metropole Österreichs, nämlich in Wien mit 1,7 Millionen Einwohnern, wo wir die Einflüsse der Globalisierung in unserer Gesellschaft am meisten spüren. Die Einflüsse der Globalisierung sind nicht nur dadurch gegeben, dass hier MigrantInnen vorhanden sind.
Ich glaube, es ist der allerschlechteste Weg, wenn man eine Bildungsdebatte in eine MigrantInnendebatte verwandelt, denn die Einflüsse der Migration haben sich durch die Europäische Union gewaltig verändert. Wir haben eine Zuwanderung, die sogenannte Binnenmigration, aus dem EU-Raum, wo die Kinder dieser Menschen nicht unbedingt zur untersten Bildungsschicht gehören, sondern sie bringen von zu Hause auch andere Qualifikationen mit, die unserem Bildungssystem auch gut tun würden und gut tun. Kinder von höher gebildeten Familien gehören genauso dazu wie Kinder aus gut qualifizierten Familien.
Also hier aus der Bildungsdebatte eine MigrantInnendebatte anzuzetteln wie in Ihrem letzten Redebeitrag, Herr Aigner, und sich dafür Applaus von der FPÖ zu holen - da müssen Sie einmal nachdenken, ob Sie richtige Dinge tun! Mein Appell an Sie wäre: Ja, Sie sind dort Flüchtling, Sie sind aufgenommen worden, aber Sie müssen denen nicht alles nachreden.
Das Eltern-Schule-Verhältnis ist ein sehr wichtiges Verhältnis. Selbstverständlich bin ich dafür, dass die Eltern imstande sein sollen, ihren Kindern zu helfen. Nur, wenn das Einkommen der Familie nicht dazu ausreicht, die Grundbedürfnisse der Kinder zu befriedigen, dann stehen wir vor einem großem Problem, nämlich: Wie sind die Eltern imstande, auf ihre Kinder aufzupassen? Gibt es eine Möglichkeit einer zufriedenstellenden Aufsicht für diese Kinder oder nicht?
Die Gesamtschule und die sogenannte Ganztagsschule ist nicht eine Sache, wo wir sagen, dort sollen die Kinder aufbewahrt werden, sondern dieses Bildungssystem soll dazu führen, dass die Kinder - egal, aus welchen Schichten sie kommen - miteinander lernen können, ihr Wissen untereinander teilen können. Hier können und dürfen wir die Kinder nicht dafür abstrafen, dass ihre Eltern nicht imstande sind, diesen Aufgaben nachzukommen. Im Zentrum unserer Debatte stehen das Bildungssystem und die Chancen der Kinder.
Meine Damen und Herren! Unsere Universitäten - die Wiener Uni ist, glaube ich, in einem Welt-Ranking an 154. Stelle. (Zwischenruf von GR Dr Wolfgang Aigner.) 154. Stelle im Welt-Ranking, das hat mehrere Gründe. Der erste Grund ist, dass durch den Einzug des Neoliberalismus in unserer Gesellschaft die Bildung den Ansprüchen des Marktes unterworfen worden ist und in erster Linie die Geisteswissenschaften vernachlässigt worden sind.
Zweitens: Sie haben geglaubt, dass durch die Studiengebühren die Probleme der Universitäten gelöst werden können. Das sind, glaube ich, 150 Millionen EUR, die da immer wieder berechnet werden - damit wurde die Sache nicht gelöst! (GR Mag Dietbert Kowarik: Jetzt aber auch nicht, Herr Kollege!) Das Problem ist, dass wir seit, glaube ich, mindestens zwei Perioden ÖVP-Bildungsminister haben, die nicht das notwendige
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