Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 90
Kirche, es gibt Brunnen (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Einen Platz!), es gibt einen Platz, es gibt ein Denkmal.
Es kann also nicht im Entferntesten die Rede davon sein, dass wir das Gedächtnis Luegers auslöschen! Erstens stimmt es nicht, weil es zumindest noch einen Platz und ein Denkmal und eine Kirche und einen Brunnen und eine Eiche und vieles andere noch gibt. (GR Mag Wolfgang Jung: Warum macht ihr dann das Kasperltheater?) Und zweitens, muss ich Ihnen sagen, ist ja der nächste wesentliche Unterschied zu den anderen von Ihnen Genannten dieser: Lueger hat selber aktiv den Antisemitismus, das Vorurteil, zu einer politischen Waffe gemacht, im Unterschied zu all den anderen von Ihnen Genannten!
Und wenn es einen Ort in dieser Stadt gibt, der auch tatsächlich immer wieder Gegenstand von politischen Umbenennungen geworden ist: Der Lueger-Ring ist wenige Tage nach der Etablierung des Ständestaates, nach der Ausschaltung des Parlaments - eine der ersten Aktivitäten, die das ständestaatliche Regime gemacht hat, war die Umbenennung des Ringes, der damals „Ring des 12. November" geheißen hatte als Erinnerung an die Gründung der Republik - umbenannt worden in „Lueger-Ring".
Ich sage noch einmal, es geht uns nicht um die Auslöschung, es geht uns um eine differenzierte Sicht auf Karl Lueger. Und ja, verbunden mit dem Wunsch der Universität (GR Mag Wolfgang Jung: ... 1 Million EUR für die Kosten!) ist uns das ein richtiges Mittel, eine differenzierte Sicht auf diesen Bürgermeister zu gewinnen.
Ich bin auch sehr froh über die Debatte, auch über die öffentliche Debatte, denn in Wahrheit hat jetzt die öffentliche Debatte über den Karl-Lueger-Ring genau das bewirkt, was wir eigentlich wollten, was ich auch intendiert habe und weiter intendiere, nämlich eine Diskussion über die Persönlichkeit des Karl Lueger. Denn es ist insbesondere auch der jüngeren Generation gar nicht bewusst, welche Seiten dieser Bürgermeister hatte: die eines kommunalpolitischen Erneuerers - und die desjenigen, der zum ersten Mal tatsächlich den Antisemitismus massenweise als politisches Instrument benützt hat! Das ist der Unterschied. (Ruf bei der ÖVP: Dann muss man alles abschaffen!)
Man muss deswegen nicht alles abschaffen! Ich versuche gerade, das zu argumentieren; Sie wollen es nicht verstehen, was auch okay ist. Ich versuche zu argumentieren, dass wir versuchen, eine differenzierte Sicht der Dinge vorzunehmen und auch darzustellen, dass Lueger sozusagen eine sehr unterschiedliche Persönlichkeit war. Wenn man unter mehreren Dutzend Gedächtnisorten dieser Stadt einen sehr exponierten - noch dazu gerade zwischen den beiden Polen, die er bekämpft hat! - hernimmt und versucht, diesen einen Ort umzubenennen, noch dazu in einer Systematik, die ja der Ringstraße grundsätzlich auch immanent ist, nämlich nach den Orten, an denen die Institutionen zu Hause sind, dann halte ich das nicht für ein Auslöschen, sondern durchaus auch für ein Signal einer differenzierten historischen Betrachtung. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 2. Zusatzfrage wird von GR Mag Werner-Lobo gestellt. - Bitte.
GR Mag Klaus Werner-Lobo (Grüner Klub im Rathaus): Guten Morgen, sehr geehrter Herr Stadtrat!
Zunächst einmal möchte ich Ihnen meinen Dank und meine Anerkennung für diese Umbenennung aussprechen! Ich darf in Erinnerung rufen, dass die Umbenennung des Dr-Karl-Lueger-Rings eine Sache ist, die die GRÜNEN seit 1992 immer wieder beantragt haben. Umso mehr freuen wir uns, dass das jetzt geschehen ist.
Wir sind auch der Meinung, dass es nicht dabei bleiben soll! Deswegen begrüßen wir es sehr, dass es hier eine HistorikerInnenkommission gibt, die alle diese - also in Summe 4 100 - personenbezogenen Straßennamen prüfen wird.
Ich danke Ihnen auch sehr für den Hinweis darauf, dass es nicht um eine Auslöschung von Straßennamen geht, sondern um eine Kontextualisierung, die hier immer wieder gefordert wird. In manchen Fällen ist das notwendig. Ich verstehe auch nicht, warum die Opposition da grundsätzlich dagegen ist. Wären wir grundsätzlich dagegen, gäbe es wahrscheinlich heute noch einen Stalinplatz am Schwarzenbergplatz, oder wir würden in die UNO-City über die Rote-Armee-Brücke fahren! Das wollen wir, glaube ich, alle nicht.
Aber jetzt zu meiner Frage: Es gibt ja, wie Sie angeführt haben, mehrere Gedenkstätten für Dr Karl Lueger. Eine der prominentesten ist auch der Dr-Karl-Lueger-Platz mit dem Dr-Karl-Lueger-Denkmal. Hier gab es bereits vor Jahren eine große Initiative von einer Gruppe, nämlich vom Verein zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals, die hier einen Open Call gemacht hat, wo sehr, sehr interessante Siegerprojekte hervorgegangen sind. Das Siegerprojekt war eine Neigung um 3,5 Prozent. Wie Sie ausgeführt haben, ist das aus technischen Gründen unter Umständen schwierig. Das Denkmalamt äußert sich dagegen. Es könnte auch weniger kostengünstig sein.
Deswegen meine Frage: Könnten Sie, Herr Stadtrat, sich vorstellen, hier so etwas wie eine Neuausschreibung, eine Neubewertung der eingereichten Vorschläge oder eine Neuausschreibung vorzunehmen? Und könnten Sie eine Kontextualisierung des Lueger-Denkmals - wir haben ein sehr, sehr schönes Beispiel an der Universität Wien, wo der Siegfriedskopf hinter Plexiglas gelegt wurde, wo durch Beschriftung dieses Plexiglases der Siegfriedskopf, der immer wieder Gegenstand von Polemiken war, kontextualisiert ist -, könnte man so etwas auch beim Karl-Lueger-Denkmal vornehmen? Könnten Sie sich vorstellen, den Verein zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals, der sich hier besondere Verdienste erworben hat, mit einzubeziehen?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrter Herr Gemeinderat!
Wir haben ja mittlerweile schon eine langjährige Erfahrung im Umgang mit Gedächtnisorten, die historisch, sagen wir einmal, belastet sind. Ich bin grundsätzlich sehr dafür, dass man diese Kontextualisierung macht. Nur zur Verdeutschung: Da geht es im Grunde darum,
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