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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 90

 

dass man ein Denkmal in einen zeithistorischen Zusammenhang setzt und so sichtbar macht, was dieses Denkmal repräsentiert.

 

Es gibt eine ganze große Menge von hervorragenden Beispielen dafür, und wir haben gute Erfahrung gemacht mit dem KÖR, mit der Kunst im öffentlichen Raum, die in der Vergangenheit sehr sensibel und, glaube ich, durchaus in einem sehr großen Bewusstsein an diese Dinge herangegangen ist. Für mich ist eines der Musterbeispiele ein Mosaik im 5. Bezirk in der Brandmayergasse 27, wo es ein Wandbild an einem Gemeindebau gibt. Dieses Wandbild zeigt eine nationalsozialistische Familienidylle. Uns ist eigentlich erst vor wenigen Jahren sozusagen auch als Stadt bewusst geworden, was es darstellt. Wir haben damals in einem kleinen Wettbewerb, den die Künstlerin Ulrike Lienbacher gewonnen hat, dieses Bild sozusagen hervorgehoben, auch durch ein Plexiglas, das davorgesetzt wurde und auf das spiegelverkehrt das Wort Idylle draufgeschrieben wurde.

 

Warum erzähle ich das so im Detail? Weil das, glaube ich, eine gute Form ist, wie man beweisen kann, dass es nicht darum geht, irgendetwas zu zerstören oder abzureißen oder auszuweißeln. Es geht auch nicht um die Provokation, das muss man ebenfalls sagen. Es geht ja nicht darum, dass man die Leute, die dort wohnen, die vielleicht Jahrzehnte dort gewohnt haben, jetzt einmal grundsätzlich vor den Kopf stößt, sondern es geht schon darum, eine gute Auseinandersetzung, eine inhaltliche Auseinandersetzung zu führen. So kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir dieses Denkmal und andere Denkmäler, wie wir das in der Vergangenheit gemacht haben, auch ähnlich behandeln und ähnlich vorgehen.

 

Ich sage auch gleich dazu - nur weil das als Vorwurf sicher kommen wird -, dass ich schon vor geraumer Zeit folgenden Auftrag gegeben habe: Es gibt eine Tafel in der Schönbrunner Straße, die daran erinnert, dass Josef Stalin sich einmal in diesem Gebäude in der Schönbrunner Straße aufgehalten und dort an einem seiner Werke gearbeitet hat. Ich habe schon vor geraumer Zeit eine entsprechende Zusatztafel in Auftrag gegeben, die in den nächsten Tagen oder Wochen tatsächlich dort appliziert wird. Auch da geht es genau um diese Sache: Nicht darum, dass man irgendwas runterhaut und dort so tut, als wäre das nicht gewesen, sondern im Gegenteil darum, darauf hinzuweisen, dass im konkreten Fall Josef Stalin dort war, wer das war, warum die Tafel dort hängt und in welchem Zusammenhang mit Wien das steht.

 

Also insgesamt: Ja, ich bin dafür, vernünftige Kontextualisierungen, Hinweise, Zusatztafeln, künstlerische Gestaltungen zu machen. Welche das im konkreten Fall sein können und sein sollen, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Ich würde mich da gerne auch auf die etablierte Einrichtung des KÖR berufen. Jedenfalls aber müssen es solche Formen sein, die dann tatsächlich statisch, finanziell vom Bundesdenkmalamt her auch umzusetzen sind und nicht von Haus aus sozusagen daran scheitern, dass es einen gewichtigen Einspruch gibt, der dann der Umsetzung entgegensteht.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke. - Die 3. Zusatzfrage wird von GRin Meyer gestellt. - Bitte.

 

9.23.59

GRin Uta Meyer (Klub der Wiener Freiheitlichen): Guten Morgen, Herr Stadtrat!

 

Ich glaube, die Stadtregierung hat solche Probleme, dass ich diese Diskussion um Namensänderungen überhaupt nicht verstehen kann. Wir sollten uns lieber um die Lebenden kümmern, die auf Grund der Teuerungswelle den Monat nicht mehr überleben. Jeder Zweite kommt mit seinem Gehalt nicht mehr aus! Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie wir diesen Menschen helfen.

 

Wie ich höre, ist Ihnen die Diskussion über Lueger sehr recht. Ich frage Sie: Wie wird es denn sein, wenn ein Karl Renner, ein Julius Tandler, weitergehend zu einem Richard Wagner, wenn Menschen, die antisemitische und nationalsozialistische Gedanken geäußert haben, die viel geleistet haben in dieser Stadt, jetzt alle durchleuchtet werden und wir alle Straßennamen ändern werden, was nur viel Geld kostet? Hat man das schon einmal bedacht, und wie stehen Sie dazu?

 

Das ist meine Frage, und da gibt es Unzählige, von Rösch angefangen über Kreisky, es hat jeder solche Äußerungen gemacht. Ich habe mir das alles im Google angeschaut. (GR Mag Rüdiger Maresch: Nein, nicht jeder!) Also, bitte schön, wo hört das auf, wo fängt das an? (GR Mag Rüdiger Maresch: Bei euch vielleicht! Bei der FPÖ „jeder"!)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster (unterbrechend): Präzise!

 

GRin Uta Meyer (fortsetzend): Das ist doch eine unsachliche Diskussion. Ich glaube, bitte schön, wir sollten andere Probleme anfassen, und nicht, ob die Gedenktafel oder der Lueger schief gestellt wird. Wir sind ja die Lachnummer bei solchen Äußerungen. Herr Stadtrat, bitte überlegen Sie sich das!

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!

 

Also, weder habe ich mir diese Fragen gestellt, die Sie da jetzt stellen - Sie machen die Diskussion! Ich habe die Diskussion weder entfacht noch habe ich sie begonnen noch sonst etwas. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich meine, ich frage mich, ob Sie keine anderen Sorgen haben, wenn Ihnen das offensichtlich so viele Parteiaussendungen, so viel Aufregung ... Der ganze Vormittag im Wiener Gemeinderat widmet sich dem Thema Lueger, aber nicht ... Ich habe eine einfache Ankündigung gemacht. Das ist ein ganz einfacher Akt, auch keine Geschichte, die viel Geld kostet. (GR Mag Wolfgang Jung: O ja!) Die kostet genau die Abmontage von vier Tafeln. (GR Mag Wolfgang Jung: Und was ist mit dem Briefpapier der Uni? 1 Million ... - Weitere Zwischenrufe.)

 

Und ansonsten regt es Sie auf, nicht mich! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) Sie echauffieren sich darüber. Sie haben offensichtlich weder die Zeit noch die Muße noch die Ruhe noch die Kenntnis noch das Wissen, sich mit den wirklichen Sorgen der Leute auseinanderzusetzen. Denn wenn Sie so viel Zeit haben, da tonnenweise Parteiaussendungen zu dem Thema zu machen, dann frage

 

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