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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 26.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 88

 

Der zweite Bereich hat etwas zu tun mit bürgerlichen Freiheiten und Rechten, und auch hier wissen wir, dass es darum geht, diese zu wahren. Sie haben selbst die Schweiz vorhin als Beispiel gebracht. Dort nehmen sie es nicht so streng, mit dem Ergebnis, dass sie jetzt in regelmäßigen Abfolgen Plebiszite haben, die gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen, die daher auch nicht umsetzbar sind.

 

Ich frage mich, ob das jetzt unbedingt der beste Weg wäre für Österreich. Es gibt hier Kolleginnen und Kollegen, die meinen, ja, die meinen, das ist der Weg. Es gibt hier Kolleginnen und Kollegen, die haben direktdemokratische Vorstellungen, die in die Richtung gehen: Na, eigentlich brauchen wir die Parlamente nicht, die sind Quatschbuden. Man braucht nur den starken Mann, und für alles, was er oder sie zu entscheiden hat – meistens ist es eh ein Mann, also er –, brauchen wir ja nur das Volk direkt zu befragen. Damit haben wir eine Entscheidungsbasis und können so agieren.

 

Es gibt aber auch diejenigen, die der Meinung sind, dass die repräsentative Demokratie ein hohes Gut ist, dass die Parlamente keine Quatschbuden sind und dass wir gut beraten sind – einmal mehr –, eine ernst zu nehmende Debatte darüber zu führen, welche Kapitel sich eigenen für direktdemokratische Mechanismen und welche nicht.

 

Ich fürchte nur, wir werden nicht auf einen grünen Zweig kommen, zumindest nicht so schnell. Sie haben Gutachten in Auftrag gegeben, die Stadt hat ebenfalls bei einem externen Experten ein Gutachten in Auftrag gegeben, dieser hat uns allen ein Ergebnis präsentiert, das ich heute auch übermittelt habe. Ich gehe davon aus, dass Sie das genauso aufmerksam studieren werden, wie ich auch jene Gutachten, die uns hier übermittelt wurden, aufmerksam studieren werde.

 

Er kommt jedenfalls zu dem Schluss, dass es rechtswidrig ist, diese Fragestellung, so, wie sie eingereicht wurde und wie sie mehrere Tausend Wienerinnen und Wiener unterschrieben haben, zu einer Befragung zu bringen.

 

Und ich sage nur eines an dieser Stelle – abseits von all diesen Erörterungen und auch der Frage, warum lässt man mehrere Tausend Wienerinnen und Wiener eine Fragestellung, die rechtswidrig ist, unterschreiben –: Wir werden das alles beiseite stellen müssen, denn es gilt, mehrere Tausend Menschen, mehrere Tausend Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, die unterschrieben haben, selbstverständlich nicht im Regen stehen zu lassen, selbstverständlich möglichst gemeinsam einen Weg zu erarbeiten, wie man mit diesen Unterschriften umgeht, aber selbstverständlich in einer Art und Weise, die die Verfassung nicht verbiegt. Und ich gehe davon aus, dass Sie auch alle diesen Weg unterstützen werden, denn die Wiener Verfassung und auch die Bundesverfassung sind nicht aus Gummi.

 

Es hat schon auch Politiker in der Vergangenheit – in gar nicht allzu grauer Vergangenheit – gegeben, die in diesem Bereich Verfassungsparagraphen zurechtgebogen und ausgedehnt haben, wie es gerade gepasst hat, aber das werde ich niemals zulassen. Bei aller Polemik, bei jeder Polemik, die hier an den Tag gelegt wird, es gibt eine Sache, die ich niemals tun werde: Ich werde niemals jene Verfassung verbiegen, auf die ich einen Eid geleistet habe.

 

Das werde ich deshalb nicht tun, weil wir Pandoras Büchse nicht aufmachen wollen und weil wir nicht das nächste Mal, das übernächste Mal und das überübernächste Mal einen Präzedenzfall geschaffen haben wollen, der bedeutet, dass bei jedem verfassungswidrigen Ansinnen dann erneut sozusagen die Tür aufgemacht werden kann und soll.

 

Also einmal mehr an dieser Stelle, Kollegen: Ich habe sehr geduldig zugehört, was Sie alle vorgebracht haben. Ich sage Ihnen klipp und klar meine Meinung dazu. Ich freue mich, wenn es gelingt, einen breiten Konsens über die Parkraumbewirtschaftung als Modell in Wien gemeinsam zu formulieren. Ich freue mich darauf, wenn es gelingt, gemeinsam einen Weg zu finden, wie man mit den heute übergebenen Unterschriften umgeht. Und ich halte meinerseits fest, dass ich nicht zu haben bin für irgendeinen Weg, der bedeuten würde, dass wir kreativ mit der eigenen Verfassung umgehen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Ich bin an dieser Stelle optimistisch und glaube im Übrigen, dass es uns gelingen wird, denn wenn wir zunächst einmal bei den Inhalten der Parkraumbewirtschaftung einen Konsens hergestellt haben, wird die weitere Konsensherstellung wahrscheinlich leichter fallen. Konsens ist eine Übung. Man muss ein bisschen lächeln, man muss aufeinander zugehen, man muss einander zuhören, man muss sich einen kleinen Ruck geben, man muss einen kleinen Kompromiss schließen und schon, wie gesagt, fallen alle weiteren Schritte leichter.

 

Ich meine jedenfalls abschließend zur Verkehrspolitik – denn einige Themen hat unser Ressort auch noch in seinem Kompetenzbereich –, dass wir im Jahr 2011 ein Jahr hatten, in dem wir einiges weitergebracht haben. Die 365-EUR-Jahreskarte wurde umgesetzt, nebenbei – nur so ganz nebenbei, weil das auch meistens nicht erwähnt wird – wurde die Monatskarte vergünstigt und die Rahmenbedingungen erarbeitet, damit man, wie zuletzt bekannt wurde und übrigens auch in der Bevölkerung sehr, sehr großen Anklang findet, das 60-EUR-Ticket für Jugendliche und Junge in Ausbildung in der gesamten Region einführen konnte.

 

Das sind Maßnahmen, die sehr wohl nicht irgendwie theoretisch, sondern unmittelbar und an Ort und Stelle auch den erhofften Effekt mit sich gebracht haben. Diese Kombination aus Verkehrssteuerung, aus der Verbilligung der öffentlichen Verkehrsmittel, aus dem weiteren Ausbau der Radverkehrsanlagen, aus den Investitionen, die sich die Stadt auch im Bereich des Carsharing vorgenommen hat, wo auch schon der erste große Anbieter angekommen ist, also dieser Maßnahmenmix hat in Summe allein innerhalb des Jahres 2011 eine nicht nur meiner Meinung nach, sondern objektiv betrachtet beachtliche Verschiebung im Modal-Split der Stadt mit sich gebracht. Denn leicht gelingt es nicht, innerhalb eines Jahres schlussendlich

 

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