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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 26.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 88

 

Mietermitbestimmungsstatutes reden, oder man sagt, eigentlich ist das eh nur ein Kasperlverein, und die lassen dort die Kasperln oder die Puppen tanzen. Das halte ich, gelinde gesagt, für genauso unfair, für genauso unnotwendig. Wenn man es ernst meint, dann sagt man entweder Ja und wertet sie auf, oder man sagt Nein, man will sie nicht, dann schafft man sie ab.

 

Ich habe hier das Koalitionsabkommen zwischen Rot und Grün mit, und wenn ich mir das anschaue, ist das ganz interessant. Es sind nämlich viele Dinge drinnen, die immer wieder erzählt und auch deponiert werden. Das Lustige und das Schönste daran ist – das habe ich auch immer gesagt –: Wir haben ja de facto im Gemeindebau ein Erbrecht, und zwar eines, das nichts kostet, denn es gibt ja das erweiterte Eintrittsrecht, für die Kinder sowieso, aber auch für die Enkel. Jetzt komme ich zu dem Punkt, wo ich sage, durchaus auch für Cousinen und Cousins, da kann man durchaus darüber reden, aber es wurde bis heute nicht evaluiert, und ich traue mich aus dem Stand heraus hier zu behaupten, dass ungefähr 20 bis 25 Prozent der Wohnungen, die nicht genutzt werden, gehortet werden für die Kinder, Enkelkinder, aber auch für die Cousins und Cousinen. Die Interventionen aus diesen Bereichen – das wissen Sie alle, die Sie im Wohnbauausschuss tätig sind –, die tagtäglich an uns herankommen, haben auch damit zu tun.

 

Wenn da drinnen steht, man möchte eine Evaluierung der erweiterten Weitergabe machen, dann bin ich durchaus auch dafür, dass man erstens das macht, aber zweitens sage ich, ich würde sie abschaffen, denn es ist nicht notwendig, dass das so ist. Denn auf der anderen Seite haben wir die Siedlungsmieter, wo die Baurechtszinse jetzt ausgelaufen sind. Da gibt es zwar die Verlängerung des Baurechtszinses für die Genossenschaften, die geben das dann an die Siedlungsmieter weiter, aber dort hat das Enkelkind kein Eintrittsrecht und bei den Kindern auch nur die unmündigen bis zum 18. Lebensjahr.

 

Jetzt sage ich – das gilt natürlich auch umgekehrt –, das ist, wenn wir von Gerechtigkeit sprechen, zutiefst ungerecht, denn diese Siedlungsmieter haben ihre Häuser selbst gebaut, haben ihre Häuser selbst erhalten über Generationen hinweg. Warum sollen die nicht in den Genuss kommen, wenn auf der einen Seite die Gemeindebaumieter, nämlich nicht nur die Mieter der Wohnungen, sondern auch die Mieter der Häuser, diese Häuser an Enkel weitergeben können, aber die Siedlungsmieter das nicht können sollen. Im Übrigen haben die Siedlungsmieter jedenfalls mehr Eigenleistung erbracht als die Mieter im Gemeindebau, vor allem jene, die in den Häusern wohnen, denn dort bezahlen sie in der Regel sogar noch weniger und brauchen nichts für die Erhaltung zu tun. Das zahlen wir alle, wir Steuerzahler draußen und drinnen.

 

In diesem Sinne hoffe ich, dass bis zum Budgetvoranschlag viele Dinge aus diesem schönen Papier – es sind immerhin, ich weiß nicht, wie viele Punkte, ich habe sie nicht gezählt, es sind jedenfalls vier Seiten, sehr dicht beschriebene Seiten, wenn auch nur Schlagworte – für das nächste Jahr und für die nächsten Jahre, denn es sind wirklich einige sehr gute Dinge drinnen, die dringend umzusetzen wären, im Budgetvoranschlag wiederzufinden sind. Dann werden wir uns auch einmal überlegen, einem Rechnungsabschluss zuzustimmen.

 

In dem Fall können wir das nicht, denn ich finde, wenn wir von Gerechtigkeit sprechen, dann soll man von Gerechtigkeit nicht nur reden, sondern sie auch umsetzen und durchführen. Im Übrigen hat Paul Shark einmal gesagt: „Für verlorene Gelegenheiten in der Politik gibt es kein Fundbüro.“

 

Wir stimmen dem Rechnungsabschluss nicht zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zu Wort gemeldet ist Herr GR Mag Chorherr. Ich erteile es ihm.

 

12.23.49

GR Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus)|: Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!

 

Auch wenn ich zur mittäglichen Stunde die Schülerinnen und Schüler von der Neuen Mittelschule Koppstraße zur Rechnungsabschlussdebatte begrüßen darf – wir diskutieren den Wohnungsbereich.

 

Ich möchte jetzt eine paar Themen auch aus dem Planungsbereich, der sich ja mit dem Wohnungsbereich überschneidet, zusammenfassen. Ja, es gibt eine große Herausforderung für alle Städte, auch für Wien, und die ist gar nicht leicht zu erfüllen. Die große Chance, die viele aber nicht nur als Chance, sondern auch als Beeinträchtigung sehen, ist, dass Wien sehr stark wächst. Jetzt bringe ich die andere Zahl, nicht die 15 000 bis 20 000, jetzt bringe ich die 50 000 bis 60 000 Menschen, die jedes Jahr nach Wien kommen, gegenüber jenen 40 000 bis 45 000, die aus Wien jedes Jahr weggehen. Das heißt, netto sind es 15 000 bis 20 000 Menschen mehr, die hier arbeiten wollen, die hier leben wollen, die hier wohnen wollen.

 

Das Problem, vor dem alle Städte in Europa stehen – aber soweit ich auch außerhalb von Europa blicke, nicht nur in Europa, sondern auch im asiatischen Bereich, in den USA –, das Wohnen im städtischen Bereich wird teurer, deutlich über der Inflationsrate. Das führt dazu – und das sehe ich als eine der größten Bedrohungen, auch für Wien; noch sind wir nicht soweit, und wir werden hoffentlich alles dazu tun können, dass wir dort auch nicht hinkommen –, dass junge Menschen, die aus guten Gründen in Wien leben wollen und nicht im Umland leben wollen, sich innerhalb der Stadt keine Wohnung mehr leisten können.

 

Die Hauptaufgabe der Politik ist es, diesen Trend, den es in Paris gibt, den es in München gibt, den es in London gibt, den es in vielen asiatischen Städten gibt, nicht auch in Wien einreißen zu lassen, damit Leute – noch einmal, ich bringe es auf den Punkt –, die aus ökologischen Gründen, aus sozialen Gründen, aus vielen Gründen, aus guten Gründen sagen, sie wollen in der Stadt leben, eine Möglichkeit haben, hier eine Wohnung zu finden.

 

Angesichts von 20 000 Menschen mehr jedes Jahr heißt das, dass wir in den nächsten 20 Jahren die zweitgrößte Stadt Österreichs, Graz, in Wien bauen

 

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