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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 26.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 31 von 88

 

müssen. Das ist eine gewaltige Herausforderung. Da gibt es Verzahnungen – um wirklich auch auf die Komplexität dieses Themas, das kein leichtes ist, hinzuweisen –, da geht es nicht nur, wie der Kollege Walter richtig gesagt hat, um Fragen der Wohnbaufinanzierung, wo wir auch auf Bundesmittel angewiesen sind, da geht es um Verzahnungen zwischen den Ressorts. Da geht es um die wichtige Frage, dass junge Familien, wenn sie einziehen, sich natürlich auch fragen werden: Wo ist die Schule für meine Kinder? Insofern hängen Entscheidungen, die im Wohnbauressort getroffen werden, auch zusammen mit Entscheidungen, die im Planungsressort getroffen werden oder maßgeblich auch im Bereich der Schule.

 

Es muss so sein – und daraus ergeben sich hoffentlich keine Verzögerungen –, dass Stadtgebiete, wo vielleicht die Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln schon gegeben ist, hoffentlich auch errichtet werden können, weil dort die entsprechende Schulinfrastruktur ist. Das heißt aber, dass wir jedes Jahr ein, zwei Schulen neu errichten oder entsprechend erweitern müssen. Und da wir nicht mit Containerschulen arbeiten wollen, ist das eine zweite riesige Herausforderung. Ich glaube, im Bildungsressort muss darüber gesprochen werden.

 

Ich will nur darauf hinweisen, wie verflochten dieses große Thema ist. Wie kann Wien darauf reagieren? Herr StR Ludwig hat einen, glaube ich, sehr richtigen grundsätzlichen Weg eingeschlagen – oder hat es zumindest gesagt, gesagt ist es ja einfach, umgesetzt ist es oft gar nicht so einfach –: billigere Startwohnungen, Smart-Wohnungen, auch in der Errichtung billigere Wohnungen.

 

Ich halte das für einen richtigen Weg – und das sind jetzt keine kleinen Kammerln –, denn der Druck für neue Wohnungen hat ja nicht nur damit zu tun, dass wir Zuwanderung haben – im Übrigen aus Niederösterreich, aus dem Südburgenland, aus der Steiermark, ganz stark aus Deutschland; ich wiederhole das ganz bewusst hier noch einmal, auch weil Schülerinnen und Schüler hier sind; es ist klass, dass Menschen zum Studieren nach Wien kommen, die bleiben dann auch hier, gründen Unternehmungen und tragen auch zu unserem Wohlstand bei –, es gibt noch einen weiteren Trend, das sind einfach gesellschaftliche Entwicklungen. Die Anzahl der Singlehaushalte steigt deutlich. In Wien wird jede zweite Ehe geschieden, Menschen orientieren sich neu, Menschen leben auch länger, in einem längeren Leben gibt es verschiedene Lebensabschnitte. Das heißt, die Anzahl von Singlewohnungen steigt, das heißt aber auch, pro Person nimmt, zusätzlich noch zur Zuwanderung, der Wohnungsbedarf zu.

 

Jetzt haben wir auf Grund der derzeitigen weltweiten Situation eine weitere Herausforderung, in dem Fall sage ich, wir haben ein wirkliches Problem, das ist die Entwicklung der Bodenpreise. Was passiert? Die Leute fürchten um ihr Geld und haben das richtige Gefühl: Wer weiß, auf welche Fonds, Pensionsversicherungen ich das einzahlen soll, was wirklich etwas wert ist, ist das, was man angreifen kann. Und was man angreifen kann, ist entweder eine Eigentumswohnung oder sich zu beteiligen an nicht vermehrbarem Grund und Boden.

 

Und wenn jetzt in den Wochenendzeitungen Wiener Äcker und Wiesen fotografiert werden und darunter steht: „Fürchten Sie auch die Inflation? Dann kaufen Sie!“ mit Telefonnummer, dann wissen wir, was passiert, und alle, die sich auch nur ein bisschen auskennen in der Branche und mit Bauträgern reden, wissen, was in den letzten Jahren passiert ist. Nicht erschlossenes Grünland irgendwo, keine Schule weit und breit, keine U-Bahn, keine Straßenbahn, wird teilweise bereits zu Baulandpreisen gekauft. Ich sage jetzt nur Größenordnungen, für die, die im Wohnbau nicht so täglich unterwegs sind: Sehr, sehr günstigen Errichtungskosten, die der Herr Stadtrat in der Seestadt anstrebt, irgendwo bei 1 200, 1 300, 1 400 EUR pro Quadratmeter, stehen Grundpreise pro Quadratmeter errichteter Wohnung von 500, 600, 700, 800 EUR gegenüber. Das heißt, schon mehr als 50 Prozent der Errichtungskosten werden für Grund und Boden gezahlt. Und das ist ein Trend, den wir auf der ganzen Welt haben.

 

Da stellt sich das Wirtschaftssystem in Frage. Jetzt spreche ich als Grüner und nicht sozusagen als Mitglied des Wohnausschusses der Regierung, denn das ist keine regierungsakkordierte Linie, aber das sage ich jetzt als Grüner hier: Wenn etwas nicht vermehrbar ist wie Grund und Boden und die reine Marktwirtschaft nur zu Preiserhöhungen führt, müssen wir stärker darüber nachdenken, Grund und Boden dem Markt zu entziehen. Achtung! Es ist jetzt Mittag und keine große mediale Berichterstattung, das ist nicht Regierungslinie, aber das ist meine tiefe Überzeugung: Wenn man Grund und Boden nur den Marktkräften überlässt, dann explodieren die Grund- und Bodenpreise. (Beifall von GRin Dr Monika Vana.)

 

Der Markt kann sehr viel. Er kann sehr viele Güter hervorbringen, dort, wo man mehr Güter herstellen kann – Autos und Jacken und Brillen und Schuhe und Häuser und Mikros –, knappen Grund und Boden, der nicht vermehrbar ist, kann der Markt nicht hervorbringen. Hier müssen wir Neues einrichten. Da braucht man nicht irgendwohin zu schauen, da kann man nach Holland gehen, und selbst in Deutschland gibt es viel stärker als bei uns die Sozialpflichtigkeit von Eigentum. Und darüber sollten wir nachdenken.

 

Wenn man – jetzt packe ich gleich irgendwie die große Ideologiekeulen aus – bei Straßen über Formen der Eigentumsübertragung nachdenkt – ich sage bewusst, der Eigentumsübertragung (GR Johann Herzog: Enteignung!), denn Enteignung heißt ja nicht, ich nehme dir was weg, sondern es ist eine Übertragung des Eigentums, wo festgestellt wird, zu welchem Preis das erfolgt –, wenn das für Straßen selbstverständlich ist, stelle ich hier als Grüner – das ist nicht Regierungslinie – zur Diskussion, ob dann, wenn die öffentliche Hand alle Vorinvestitionen getätigt hat, die U-Bahn und die Schule und, und, und, und sich irgendjemand einbildet, er behält sich das, weil das eine sichere Versicherung für die nächsten 50 Jahre ist, dann stelle ich das in Frage. Dann

 

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