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Gemeinderat, 25. Sitzung vom 27.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 84 von 89

 

die Debatte. Zum Wort gemeldet ist Herr GR Dipl-Ing Stiftner. Sie haben das Wort.

 

17.40.03

GR Dipl-Ing Roman Stiftner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Werte Damen und Herren!

 

Uns liegt jetzt das Poststück der sogenannten Radfahragentur vor, und ich möchte eingangs ein paar Grundsatzstatements abgeben, worum es hier eigentlich geht und warum wir dieses Poststück im Endeffekt ablehnen werden. Das ist, glaube ich, wichtig, damit man nicht missverstanden oder politisch missinterpretiert wird.

 

Es geht uns, im Gegensatz zu anderen Fraktionen, nicht darum, einen Verkehrsteilnehmer gegen einen anderen auszuspielen, sondern mir und unserer Fraktion geht es darum, allen Möglichkeiten von Mobilität entsprechend Raum und Platz zu geben, den Fußgehern, denn Öffi-Benutzern, dem Individualverkehr, aber natürlich auch den Radfahrern, vor allem aber auch jenen, die mehr als eine dieser Möglichkeiten regelmäßig nutzen, denn kaum einer ist nur Autofahrer oder nur Radfahrer, sondern wir alle kombinieren ja diese Möglichkeiten. Ich denke, deshalb ist es auch gerechtfertigt, dass alle Mobilitätsmöglichkeiten mit entsprechend guter Infrastruktur ausgestattet werden, damit es ein harmonisches Miteinander gibt. Ich glaube, wenn wir uns auf diesen Grundsatz einigen könnten, dann hätten wir in dieser Stadt schon viel weitergebracht.

 

Wir sind sicherlich nicht das, als was uns die GRÜNEN gerne hinstellen, nämlich Radfahrerfresser oder sonst etwas. – Radfahren hat Bedeutung, es ist ein Modetrend. Aber ich werde Ihnen dann auch ein paar konkrete statistische Daten mitteilen, die Ihnen vielleicht auch zeigen, dass Sie – vor allem jene auf Seiten der Grünen Fraktion – Maßnahmen nicht ganz in der richtigen Dimension setzen, wofür Sie natürlich auch Steuergeld ausgeben.

 

Der Radfahrverkehr hat nämlich derzeit einen Anteil von 8 Prozent, was aber umgekehrt heißt, dass 92 Prozent in dieser Stadt andere Modalitäten annehmen, und das ist immerhin eine sehr breite Mehrheit, die das gleiche Recht hat, entsprechende politische Beachtung und entsprechende Mittel für die Infrastruktur zur Verfügung gestellt zu bekommen. Das ist jedoch leider heute nicht der Fall!

 

Selbst wenn man auf den von der Stadtregierung festgelegten 10-Prozent-Anteil an Radfahrverkehr kommen möchte, was das große Ziel ist, wird das immer noch nicht reichen, denn 90 Prozent sind dann immer noch eine andere Mehrheit, und ich denke, auch diese muss man entsprechend ausstatten.

 

Ich frage mich: Warum braucht man eine Radfahragentur? – Dann müsste man ja auch eine Fußgängeragentur, eine Agentur für die Öffis und natürlich auch eine Agentur für den Individualverkehr gründen, denn nur dann gäbe es eine Gleichberechtigung.

 

Aber was ist denn die Tatsache? – Ich höre immer, dass der Radfahrverkehr zunimmt. Wir haben in Wien Messstellen, damit es auch beim Radverkehr eine gewisse Objektivierung gibt. Und wenn man sich die statistischen Daten ein bisschen ansieht, wie es jetzt gerade, nämlich im ersten Halbjahr, bei den Messstellen aussieht, dann stellt man fest, dass in der letzten Zeit deutliche Rückgänge zu verzeichnen sind, und das, obwohl die GRÜNEN angeblich so viel für den Radverkehr tun.

 

Ich habe das jetzt nachvollzogen: Es gibt derzeit einen Rückgang von etwa 20 Prozent bei den Messstellen. Das ist gewaltig. Damit wird man wahrscheinlich das eigene Ziel nicht erreichen können. Es gibt sogar eine Messstelle am Liesingbach mit minus 32 Prozent. Es fahren also – warum auch immer! – fast ein Drittel der Leute dort nicht mehr, obwohl sie vorher gefahren sind. Es ist jetzt nicht wichtig, den Gründen für die Abnahme an den einzelnen Messstellen nachzugehen, sondern die Frage ist, warum es eine Reduktion des Radfahrverkehrs auf der einen Seite und einen so starken politischen Druck in diese Richtung und entsprechende Maßnahmen auf der anderen Seite gibt.

 

An diesen objektiven Zahlen kommt man aber auch seitens der Stadtregierung nicht vorbei, und im Hinblick darauf frage ich mich, warum eine Radfahragentur gegründet wird, die viel Geld kostet und letztendlich außer offenbar PR-Mittel speziell für die Grüne Fraktion nichts bringt. Das ist sicherlich abzulehnen, sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die Kosten sind mit etwa 7 Millionen EUR veranschlagt. Das ist ein sehr stolzer Preis, zumal es sich hier ja nur um ein Büro handelt! Mit 7 Millionen EUR kann man schon eine Menge machen, und ich frage mich, ob man nicht vielleicht auch eine Agentur für den Garagenbau schaffen sollte, denn wenn man einen Stellplatzmangel in dieser Stadt hat, dann muss man diesem auch begegnen und entsprechende Maßnahmen setzen. Ich denke, auch das sollte man sich überlegen! Jedenfalls könnte man ganz einfach wie üblich vorgehen: Das Ganze kommt in die eigene Verantwortung der jeweiligen Stadträte, und dann werden dort die Probleme gelöst, ohne dass man eine eigene teure Organisationsstruktur braucht.

 

Ich habe manchmal ein bisschen den Eindruck, dass die GRÜNEN Anleihen an den Ausgliederungsbemühungen der SPÖ genommen haben und versuchen, mit solchen Agenturen etwas am Gemeinderat vorbeizuschmuggeln. Wir kennen das von der SPÖ aus dem Umweltbereich, wo viele Teilorganisationen und Unternehmungen der Kontrolle des Gemeinderats entzogen sind und sich auch die Gebührenüberdeckungen nicht mehr herausrechnen lassen, weil heute einfach keine Kontrolle seitens der Opposition mehr gegeben ist.

 

In jedem Fall eignet sich die Agentur nicht dazu, etwas zur Effizienzsteigerung beizutragen oder eine Art privatwirtschaftliche Strukturen zu schaffen. Auch das trifft nicht zu. Im Gegenteil! Ich habe mir das angeschaut: Die Organisationsstruktur, die man sich ausgedacht hat, folgt eigentlich nur einem einzigen Zweck, und da haben die Grünen offenbar sehr rasch von den Roten gelernt und versucht, sozusagen die Roten im Hinblick auf

 

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