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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 14.12.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 112 von 133

 

den oder Abende ehrenamtlich in ihren Vereinen verbringen.

 

Ich glaube, im Hinblick darauf müssen wir zwei Punkte grundsätzlich wertschätzen, und zwar erstens die Ehrenamtlichkeit. Ich schaue jetzt in Richtung ÖVP, weil Herr Sebastian Kurz eine ehrenamtliche Tätigkeit zu einer Bedingung zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemacht hat, die ehrenamtliche Tätigkeit aber auf bestimmte anerkannte, renommierte, etablierte Vereine beschränkt hat. – Ich glaube, dass es in der Stadt sehr viele Vereine gibt, die zwar nicht so etabliert und renommiert sind, aber doch über sehr große Mitgliederzahlen von über 100 bis 500 Leuten verfügen, die in ihren Lokalen kulturelle, soziale Aktivitäten setzen. Wir denken auch an diese Leute, weil wir wissen, dass diese Menschen wirklich etwas in die Gesellschaft einbringen und einen Beitrag zum Zusammenleben in der Gesellschaft leisten wollen. Daher ist es ganz wichtig, dass diese Leute rasch zu Hilfe kommen können. Und es ist wirklich nicht leicht für diese Leute, weil sie sämtliche Auflagen erfüllen und zahlreiche Formulare ausfüllen müssen. Das zu bewältigen, kostet auch Zeit, und am Ende des Weges bleibt von diesen 5 000 EUR für diese Vereine gar nichts. Alles wird in die Veranstaltungen investiert, damit sie etwas Gutes und Schönes auf die Beine stellen.

 

Wir werden den Kleinprojektetopf auch im nächsten Jahr im Rahmen unserer Schwerpunktsetzung verwenden, nämlich im Hinblick auf die Mehrsprachigkeit in Wien. Eine der wichtigsten Säulen der Integration ist für uns nämlich auch die Mehrsprachigkeit. Ich lehne eine Debatte, in der es um Deutsch versus Mehrsprachigkeit geht, grundsätzlich ab. Das gibt es nicht! Mehrsprachigkeit umfasst auch Deutsch, Deutsch und Mehrsprachigkeit ergänzen einander. Sie stehen nicht gegeneinander, sondern sie stehen füreinander. Und ich glaube, dass wir, wenn wir die Mehrsprachigkeit vor allem bei den Kindern stärker fördern würden, auch mehr Möglichkeiten haben, miteinander zu kommunizieren und sich auszutauschen.

 

Ich nenne nur ein einfaches Beispiel. Vor ungefähr zwei Monaten war ich bei einer Geburtstagsfeier. Fünf Familien waren eingeladen, und es wurden zehn Sprachen bei dieser Feier gesprochen. Fünf Familien, zehn Sprachen, unter anderem Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch und Türkisch war auch dabei. Das heißt, diese Kinder haben sofort etwas voneinander abgeschaut: Sie haben gesehen: Der spricht auch eine andere Sprache, ich spreche auch eine andere Sprache. Ich bin also zweisprachig.

 

Die Zweisprachigkeit beziehungsweise die Mehrsprachigkeit ist zu einem Standard geworden, und diesen Standard, meine Damen und Herren, sollten wir nicht unterschätzen und auch nicht verwerfen, denn das ist eine Chance für diese Kinder, nicht unbedingt in die Schule gehen zu müssen, um zwei Sprachen zu lernen, sondern diese einfach in der Familie mitzubekommen. Ich glaube, dass wir durch diese Schwerpunktsetzung hinsichtlich Mehrsprachigkeit diesen Familien und vor allem diesen Kindern sehr helfen können, damit sie auch in Zukunft ihre Informationskanäle erweitern und ihre Diskussionsgrundlagen vervielfältigen können. Stellen Sie sich vor, ein Kind empfängt in zwei oder drei Sprachen Informationen und kann diese Informationen auch in zwei oder drei Sprachen wiedergeben. Ich meine, das wertet dieses Kind auf!

 

Natürlich – das haben wir immer wieder gesagt und sagen es auch jetzt –: Deutsch ist der Schlüssel zur Integration, Deutsch ist sehr wichtig, und Möglichkeiten zur Erlernung der deutschen Sprache müssen auch angeboten werden. Das Angebot muss aber auch finanziert werden, und ich verstehe nicht, dass vor allem die Freiheitliche Partei, wenn irgendwelche Vereine Deutschkurse anbieten, diese mit der Begründung ablehnt, dass nicht diese Vereine, sondern die Volkshochschulen das tun sollten.

 

Schauen Sie: Nicht jede Institution erreicht alle Menschen. Das ist so! Ich glaube, dass auch die Freiheitliche Partei mit ihren Netzwerken nicht jeden Menschen in der Stadt erreicht, sondern nur bestimmte Personenkreise. Auch die großen Trägervereine und große Bildungseinrichtungen sind nicht immer imstande, eine gewisse Zielgruppe zu erreichen. Dafür brauchen wir unsere Netzwerke von Vereinen, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, damit wir diese Zielgruppe erreichen und unsere Angebote so platzieren können, dass die Menschen diese Angebote auch in Anspruch nehmen können. Daher ist es ganz wichtig, dass diese Vereine in ihren Tätigkeiten unterstützt werden. Diese bieten ja nicht nur Deutschkurse an, sondern sie bieten auch Informationen und Dienstleistungen an, damit die Neuankömmlinge beziehungsweise auch Leute, die schon seit geraumer Zeit in Wien leben, sich aber in der Stadt noch nicht so gut auskennen, entsprechende Unterstützung bekommen.

 

Ich empfehle Ihnen: Gehen Sie einmal in ein anderes Land, dessen Sprache Sie nicht kennen! Dann werden Sie feststellen, wie schwierig es ist, dort ein neues Leben aufzubauen. Ich glaube, jeder Mensch ist froh darüber, wenn er auf diesem Weg entsprechend begleitet wird. Warum? – Es geht nämlich auch um unser Gemeinwohl, es geht um ein friedliches gutes Zusammenleben in dieser Stadt. Und wenn wir diese Personen mit unseren Angeboten unterstützen, damit sie sich in der Gesellschaft besser auszukennen und Fuß fassen, dann werden sie auch viel schneller ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesellschaft werden. Daher meine ich, dass Sie es sich zwei Mal oder drei Mal überlegen sollten, bevor Sie solche Angebote der Stadt ablehnen!

 

In diesem Sinn arbeiten die angeführten Vereine, etwa der Verein Orient Express. Dieser Verein erfüllt eine sehr wichtige Aufgabe. Wir wissen, dass es selbstverständlich Probleme mit Zwangsverheiratungen gibt. Das verschweigen wir nicht, Probleme muss man offen ansprechen. Es reicht aber oft nicht, Probleme offen anzusprechen, sondern man muss diese Probleme auch wirklich behandeln. Diesfalls muss man vor allem jenen Leuten, die davon betroffen sind, Hilfeleistung anbieten, damit die Betroffenen, die in Zugzwang stehen und sich nicht mehr auskennen, einen Halt in der Gesellschaft

 

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