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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 04.04.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 37 von 85

 

nicht reden. Wien ist Schlusslicht im Bundesländervergleich, im internationalen Vergleich. Das heißt, es wird Zeit, jetzt hier Taten zu setzen. Das kann man mit und ohne Volksbefragung tun.

 

Jetzt ist die Volksbefragung gemacht, jetzt wäre das noch einmal ein Ansatz, diese Taten zu setzen. Es ist ja von Frau StRin Vassilakou auch eine eigene Magistratsabteilung dafür gegründet worden. Vielleicht gibt es ja bei den GRÜNEN irgendwann einmal eine Motivation, in diesem Bereich auch tätig zu werden und nicht nur Autofahrer zu schikanieren. Es wäre schön, wenn man in dieser Stadtregierung vielleicht zukünftig einmal eine gewisse Breite der Politik wahrnehmen würde. - Wenngleich ich natürlich weiß, dass diese Frage zu den Solarkraftwerken in Wirklichkeit eine Ersatzfrage war. Da wollte man ja, glaube ich, eine Frage betreffend die Mieten stellen. Und so war es dann eben mehr oder weniger eine Gesprächs- oder Fragetherapie im Koalitionszwist und nicht wirklich ernst gemeint, meine Damen und Herren.

 

Aber einen ganz wichtigen Punkt möchte ich hier noch einbringen, nämlich zur Frage der Arithmetik und der Berechnung von Stimmen, weil es nämlich schon Bedeutsamkeit erlangt, wenn man versucht, ein Debakel - und diese Bürgerbefragung ist ein Debakel für diese Regierung gewesen - dann gesundzurechnen. Und diese Rechen- und Argumentationsproblematik und -akrobatik möchte ich Ihnen anhand der Zahlen - und das sind die einzigen, die ich heute hier nennen möchte - noch einmal deutlich machen, weil es mir ein Anliegen ist, auch im direkt-demokratischen Zusammenhang transparent zu machen, wie die Stadt mit Wählerstimmen umgeht.

 

Es wurden 443 740 abgegebene Stimmen gezählt, und ich beschränke mich im Folgenden nur auf die Frage 1, das heißt, die Parkpickerlfrage. Für die Antwort a) - also die Stadt bestimmt - haben sich 125 775 Personen entschieden, und für die Antwort b) - die Bezirke entscheiden – 218 658. Nach Adam Riese macht das jetzt 99 348 ungültige Stimmen - also Menschen, die sich nicht für a) oder b) entschieden haben - oder 2 Prozent. Der Magistrat weist aber 13,9 Prozent ungültige Stimmen aus. Und wenn man sich dann selbst, so wie ich, an dem Auszählungsprozess beteiligt und merkt, wie hier gezählt wird, dann stellt man fest, dass es zwei Arten von ungültigen Stimmen gegeben hat. Das ist noch zu wenig transparent gemacht worden, und deswegen möchte ich das heute hier noch einmal deutlich machen.

 

Es gibt nämlich so etwas wie eine neue Kategorie der SPÖ und des Magistrats, nämlich die sogenannten gültig ungültigen Stimmen und die ungültig ungültigen Stimmen. Die ungültig ungültigen Stimmen wurden nämlich gar nicht berechnet und gar nicht sozusagen mit einbezogen - sie waren, wie es so schön heißt, nicht zu berücksichtigen -, weil man sich offenbar anmaßt, den Unmut der Bevölkerung zu qualifizieren. Denn es gab Fälle, wo ein Bürger gesagt hat, ich demonstriere meinen Unmut dadurch, dass ich das Kuvert nicht ordentlich ausfülle, sondern einfach abgebe und damit eine ungültige Stimme definiere, und solche, wo ein Bürger auf dem Stimmzettel eine Veränderung vorgenommen hat. Das hat die SPÖ und den Magistrat in erster Linie dazu veranlasst zu sagen, die erste Kategorie ist eine ungültige Stimme in dem Sinne, dass sie nicht zu berücksichtigen ist. Und damit fällt auch der gesamte Anteil, der unschön wirkt, heraus. Denn es ist ein Unterschied, ob beim Parkpickerl fast ein Drittel ungültige Stimmen demonstrativ abgegeben werden oder eben nur schöngerechnete 13,9 Prozent.

 

Aber fairer wird es dadurch nicht werden. Und auch jene Stimme, die als ungültig ungültig qualifiziert worden ist, hat 20 EUR gekostet, so wie alle anderen Stimmen. Sehr geehrte Damen und Herren, auch diese Stimme wäre es wert gewesen, hier zumindest auch mit einbezogen, mit einberechnet zu werden. Das waren Sie und sind Sie den Bürgerinnen und Bürgern auch schuldig, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Aber noch mehr Sorgen würde ich mir machen, wenn ich an der Position der Verkehrsstadträtin sitzen würde, denn ich glaube, es gibt in der Zweiten Republik kein Beispiel, wo ein Stadtrat oder ein Regierungsmitglied eine derart große Ablehnung erhalten hat und noch immer im Amt gesessen ist und so getan hat, als wäre das nicht ein Rücktrittsgrund. Wenn man, wie ich hier zusammenrechne, 318 006 Stimmen gegen sich hat in einer Volksbefragung, die man selbst initiiert hat, also 72 Prozent - weit mehr, als für eine Wahl zum Stadtrat notwendig ist -, dann zeigt das eigentlich, dass man hier doch einmal nachdenklich werden und vielleicht den Rücktritt durchaus in Erwägung ziehen sollte, wenn man sieht, dass man selbst gescheitert ist. Aber auf jeden Fall ist die Verkehrspolitik von Rot-Grün hier für alle Zeiten gescheitert, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Ich habe langsam den Eindruck, dass Sie die direkte Demokratie durch eine Vielzahl von anderen Fragen - ich denke nur an die Mariahilfer Straße und an andere Themen – ad absurdum führen wollen. Sie wollen offenbar das Instrument so lange verwenden, bis irgendwann die Leute sagen: Bitte lasst uns mit diesem Thema direkte Demokratie in Ruhe!, und dann haben Sie sozusagen das, was Sie haben wollen, nämlich eine Ruhe von den lästigen Bürgern. Und das darf es nicht geben, das sollte es nicht geben, denn direkte Demokratie ist ein wichtiges Instrument.

 

Ich möchte Ihnen abschließend sozusagen ein Rezept mitgeben, vielleicht so etwas wie einen Coaching-Hinweis. Wobei ich gleich anmerke, das Copyright dafür liegt nicht bei mir, sondern ich habe das einer Broschüre der Stadt Wien entnommen, dem „Praxishandbuch Partizipation“. Auf Seite 4 lächelt uns die Frau Vizebürgermeisterin und Stadträtin entgegen - gelungenes Foto -, und auf Seite 17 findet sich auch ein Hinweis, wie man gute Bürgerbefragungen durchführt. Da wird unter der Überschrift „Die großen Fünf“ – „the big five“ - angeführt, man soll die Bürgerbefragung „ehrlich“, „verlässlich“, „transparent“ und „nachvollziehbar“ gestalten, und dann heißt es hier noch weiter: „und mit einer Prise Leichtigkeit“.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Umgelegt auf Ihre eigene Bürgerbefragung haben Sie all diese Kriterien, die Sie sich selbst auferlegt haben, nicht erfüllt. (Beifall

 

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