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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 04.04.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 73 von 85

 

verschiedenen Generationen sollte das im Jahr 2013 allerdings schon klar sein, aber für jene, für die es noch nicht klar ist, müssen wir uns meines Erachtens eben die Arbeit machen, das immer wieder zu erklären.

 

Es geht schlicht und einfach darum, zu erklären, dass Fremdzuschreibungen, wie sie früher üblich waren, in einem Kontext standen, in dem Bevölkerungsgruppen etwa in der Kolonialisierung und in Zeiten der Sklaverei durch rassistische Regime ausgebeutet wurden oder wie im Nazi-Regime behandelt wurden. Damals wurden Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel schwarze Afrikaner oder eben Roma und Sinti diskriminiert, sie waren sogar Opfer der Nazi-Verfolgung und wurden massenhaft ermordet. Es geht darum, zu zeigen, dass diese Beschreibungen mit Diskriminierung zu tun haben, und man muss erklären, warum es auch wichtig ist, die Sprache sorgsam zu behandeln, um diese Form von Rassismus zu bekämpfen.

 

Es ist schlicht und einfach eine Frage des Respekts, dass man begreift, dass Fremdzuschreibungen grundsätzlich schlecht sind. Es handelt sich dabei um die Frage, welche Gesellschaft wir heute wollen, und wir als Wiener Gemeinderat sollten alle gemeinsam daran interessiert sein, allen hier in Wien lebenden Bevölkerungsgruppen – und dazu gehören auch Schwarze, Menschen aus Afrika oder Menschen mit afrikanischen Vorfahren, und dazu gehören auch Roma und Sinti – mit Respekt zu begegnen und sie in einer würdevollen Weise zu bezeichnen. Das ist schlicht und einfach eine Frage des Umgangs miteinander, eine Frage, ob wir menschlich und respektvoll miteinander umgehen wollen oder nicht.

 

Soweit mein Appell an die Vernunft. Wir wissen, dass dieser Appell an die Vernunft dort Grenzen hat, wo die Infantilität beginnt. Psychologen bezeichnen das als „regressives Verhalten“. Dieses Verhalten zeigen meist Menschen mit Aufmerksamkeitsdefiziten in ihrer Kindheit, die diese Aufmerksamkeitsdefizite als Erwachsene wettmachen wollen, indem sie wie Kollege Jung eben regressives Verhalten an den Tag legen und sich darüber freuen, wenn sie Ordnungsrufe erhalten, die sich darüber freuen, wenn sie andere Menschen beleidigen können, die sich sogar darüber freuen, wenn man sie dafür kritisiert und an ihre Vernunft appelliert, doch etwas respektvoller zu sein. (Zwischenruf von GR Johann Herzog.)

 

Ich meine, an diesem Punkt ist es unsere Aufgabe als Vertreter und Vertreterinnen der Wiener Bevölkerung und als gewählte Mandatare und Mandatarinnen, eine Grenze zu ziehen und auch zu sagen, was nicht geht. Man muss wirklich sagen, dass es der Würde des Hauses widerspricht, wenn man hier rassistische Begriffe verwendet. Selbst wenn man unter Umständen etwas psychologisch durch regressives Verhalten entschuldigen könnte, man kann es aber jedenfalls nicht bei Mandataren in diesem Raum entschuldigen!

 

Es gibt zum Beispiel ein Urteil vom 15. Juni 2000, das ist jetzt 13 Jahre her. Dieses besagt, dass jemand, der einen Schwarzen öffentlich als „Neger“ bezeichnet, ungestraft Rassist genannt werden darf. – Herr Jung! Sie sind ein Rassist, und es ist nicht akzeptabel, wenn Sie das in diesem Hause weiterhin so betreiben! – Danke schön.

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist GR Akkilic. Sie haben noch neun Minuten

 

16.33.51

GR Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus)|: Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Ich wurde schon ein paar Mal von Leuten angesprochen, die via Internet die Gemeinderatssitzungen verfolgen und die mir gesagt haben: Wieso redest du immer die FPÖ an? Die werden eh nicht besser! Sprich sie nicht an, ignoriere sie! Das ist eine Kraft, die nur auf ihre Interessen schaut und für ihr Interesse alles tun würde!

 

Der Meinung bin ich nicht! Welche Möglichkeit haben wir sonst, als miteinander zu sprechen? Und in welcher Form wir miteinander sprechen, macht die gesellschaftliche und politische Kultur in der Stadt aus. Sie haben in meiner bisherigen Tätigkeit keine einzige verbale Entgleisung gehört, Herr Jung! (GR Mag Wolfgang Jung: Ach, und wenn Sie mich als Rassisten bezeichnen, dann ist das keine Entgleisung?!)

 

Sie wagen es, heute zu Begriffen wie „Owezara“ – oder was weiß ich noch – zu greifen. – Das ist nicht mein Niveau! Wenn wir einander begegnen, dann wünsche ich mir, dass wir eine Begegnung auf Augenhöhe haben und dass wir in unserer Argumentation die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit in Betracht ziehen.

 

Sie verkennen die gesellschaftliche Entwicklung in Wien! Ich bin genau so ein Österreicher wie Sie, ja? Und es gibt mehrere solche Österreicher und Österreicherinnen wie mich, die die gesamte Gesellschaft mitgestalten. Wir sind weg von der Zuwanderungsdebatte und zu einer Debatte der gemeinsamen Gestaltung gekommen. Sie erkennen das noch immer nicht, weil Sie sich beim Erzielen von Fortschritten eben schwer tun! Wenn Sie Fortschritte erzielen und die gemeinsame Gestaltung der Gesellschaft in den Mittelpunkt stellen würden, dann würden Sie auch nicht pauschalisieren. Und dann müssten Sie auch anerkennen, dass es ein Verdienst von allen Menschen, von uns allen, also von Immigrierten und von Nichtimmigrierten, ist, dass Wien so steht, wie es derzeit steht.

 

Ich vermute, Herr Jung, dass Ihre Partei auch erfolgreiche Politik betreiben würde, wenn sie sich von diesen Altlasten befreit! Ich meine die Altlasten im Sinne von Polarisierung der Gesellschaft nach Herkunft und nach religiöser Zugehörigkeit. Ihre Rhetorik ist immer: Wir sind abendländisch christlich. Wir sind die Vertreter der Österreicher und Österreicherinnen. (GR Mag Wolfgang Jung: Ja! – StRin Veronika Matiasek: Ja, dafür werden wir auch gewählt!)

 

Entschuldigen Sie! Wir machen Politik für die Entwicklung unserer Stadt. Wir unterscheiden nicht, woher wer kommt, sondern es geht uns um das Wohlergehen aller Bürger und Bürgerinnen in dieser Stadt! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Es geht uns auch um Ihr Wohlergehen! Ich glaube, es geht Ihnen nicht gut, wenn Sie nach Hause gehen und denken: Da gibt es einen Akkilic im Gemeinderat, der versucht immer, einen Zugang zu uns zu erreichen.

 

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