Gemeinderat, 36. Sitzung vom 24.04.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 13 von 29
endlich ad absurdum geführt, wenn von vornherein die Gesprächsbereitschaft nicht gegeben ist. Also ich glaube, wir brauchen wirklich mehr direkte Demokratie, aber wir brauchen auch einen besseren und gelebteren Parlamentarismus. Dazu gehört es auch, auch wenn es Ihnen lästig erscheint, seitdem Sie in der Regierung sitzen, dass politische Debatten hier im Wiener Gemeinderat und im Wiener Landtag stattfinden und nicht in irgendwelchen ausgegliederten Kontrollgremien. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich bin auch ganz der Meinung vom Kollegen Neuhuber, Privatisierungen sind per se weder gut noch schlecht. Die Frage ist, ob sie praktikabel sind und ob die Ergebnisse vor oder nach einer Privatisierung andere und bessere sind. Und genau diese Debatte wird ja in Wien konsequent nicht geführt. Es gibt keine wirtschaftliche Strategie, es gibt offenkundig nur einen politischen Masterplan. Die Stadt Wien soll zwar überall die Hand drauf haben und die Stadt Wien wird auf eine Partei reduziert, jetzt mittlerweile darf halt eine zweite Partei ein bisschen mitmachen, aber das hat eigentlich mit Privatisierung, mit Strategie, mit wirtschaftspolitischer Vernunft überhaupt nichts zu tun.
Wenn Sie dabei ertappt werden, wo Sie gleichzeitig auf der einen Seite die Wienerinnen und Wiener vor Privatisierungen schützen wollen, dass Sie eine Privatisierung nach der anderen durchführen, na, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn man auf diesen Widerspruch ganz massiv hinweist. (Beifall bei FPÖ.)
Der Begriff der Privatisierung ist nämlich tatsächlich ein vielschichtiger. Das sagen auch alle wirtschaftswissenschaftlichen Publikationen. Das ist der Oberbegriff für eine Reihe von unterschiedlichen Maßnahmen.
Man kann darunter die Verlagerung bisher staatlicher Aktivitäten in den privaten Sektor der Volkswirtschaft, um die Allokation der Ressourcen durch den als effizienter eingestuften Markt erfolgen lassen. Da spricht man von Deregulierung.
Man kann aber auch b) die Anwendung privater Rechtsformen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, um bestimmte Aufgabenfelder dem unmittelbaren Einfluss des Haushalts, des öffentlichen Dienstrechts und der Politik zu entziehen, oder die Anwendung privatwirtschaftlicher Finanzierungsmodelle zur Erschließung privaten Kapitals für öffentliche Aufgabenwahrnehmung wählen. Also wenn ein privates Unternehmen im Auftrag der Wiener Linien Busdienste erbringt, dann würde das darunter fallen. Oder die echte Vermögensprivatisierung, indem öffentliches Vermögen veräußert wird. Das, was oftmals gemacht wird und bei dem Vorgang, bei dem man Sie letztendlich immer wieder ertappen kann, ist nämlich die Anwendung privater Rechtsformen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, um eben diese Aufgabenfelder zwar im politischen Einfluss zu behalten, aber eben der Kontrolle und dem Haushaltsrecht und auch dem öffentlichen Dienstrecht zu entziehen. Das ist auch für sich genommen weder gut noch schlecht, aber es steckt eben eine gewisse Strategie dahinter.
Mein Ansatzpunkt ist der: Wenn der Staat, in diesem Fall die Kommune oder das Land, sagt, wir möchten eine Aufgabe öffentlich erbringen, wir möchten etwas im öffentlichen Einflussbereich belassen, dann soll das wirklich der Staat machen. Dort, wo der Staat zu 100 Prozent drinsteckt, dort soll man auch den Staat offen nach außen auftreten lassen. Da frag’ ich mich wirklich, warum es da eine Vielzahl von Vereinen geben muss. Bei diesen ganzen ausgelagerten Vereinen, die sich zu 100 Prozent mit Steuergeld finanzieren, die keinerlei Eigenmittel aufbringen, wo es keinerlei ehrenamtliche Tätigkeit gibt, wo nur Angestellte arbeiten, frag’ ich mich wirklich: Wozu brauche ich da einen Verein? (Beifall bei der FPÖ.) Wenn es gelingt, hier privatwirtschaftliches Engagement hereinzuholen, ja dann tausend Rosen.
Aber das ist eine Form von Privatisierung und das ist auch im wirtschaftswissenschaftlichen Sinn eine Privatisierung, die nur dazu dient, sich aus der Kontrolle des Gemeinderates davonzustehlen, dort in den Vereinsorganen die eigenen Parteigänger letztendlich einzusetzen und das öffentliche Dienstrecht und die Gehaltsobergrenzen zu umgehen, weil das, was früher ein Senatsrat gemacht hat, auch im Bereich der außerschulischen Jugendarbeit, das macht jetzt ein Geschäftsführer, für den ganz andere oder überhaupt keine Gehaltsgrenzen gelten. Hier tritt der Staat in pseudoprivaten Formen auf und das ist eigentlich abzulehnen. Da sag’ ich auch, wenn es nicht gelingt, privates Geld oder privates Engagement zu requirieren, dann ist es besser, das macht die Stadt wieder selber, wenn sie es zu 100 Prozent zahlen muss. (Beifall bei der FPÖ.)
Es fehlt auch jede Strategie im Bereich der Wien Holding, also zum Beispiel dieses Debakel um das Stadthallenbad. Jetzt kann man sich also wirklich die Frage stellen: Warum wird der Großteil der Bäder vom Magistrat durchaus gut geführt und warum wird ein einziges Bad eben nicht von der Bäder-Magistratsabteilung geführt, sondern von der Stadthalle, die eigentlich dazu da ist, eine Event-Location zu führen, und so weiter, und offenkundig auch mit der Sanierung eines Schwimmbades überfordert ist. Nicht einmal anlässlich des Debakels im Stadthallenbad gibt es eine Debatte, warum man nicht das Stadthallenbad denjenigen in die Verantwortung übergibt, die offenkundig Bäder und Bädersanierungen, wir haben ja viele Energie-Contracting-Beispiele, führen können.
Also nicht einmal so ein Debakel wird zum Anlass genommen, hier sozusagen eine Umstrukturierung im Bereich der Stadt Wien vorzunehmen. Dafür wird der Flughafenanteil ohne eine Debatte sozusagen backoffice von der einen Hand in die andere übertragen. Also da sieht man schon, sofern die SPÖ oder sofern die Mehrheit hier profitiert, bedient man sich privater Rechtsformen. Wenn das andere machen, dann ist Privatisierung etwas ganz Furchtbares und das ist eigentlich ein Widerspruch, wo man gar nicht müde werden soll und kann, darauf hinzuweisen. Daher sollten wir gerade in Zeiten, wo der Wettbewerb härter wird, wo auch das öffentliche Geld knapper wird, uns wirklich an einen Tisch setzen und man kann sich wirklich überlegen, in welchen rechtlichen Formen ist es gut, in welchen Eigentumsverhältnissen soll etwas gemacht werden.
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