Gemeinderat, 38. Sitzung vom 22.05.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 94
hier einen Analogieschluss ziehe; keinen Vergleich, nur einen Analogieschluss –, was den Klöstern und der katholischen Kirche heilig ist, muss uns nicht heilig sein, aber mag uns als Orientierung manchmal dienen. (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich will noch ein weiteres kulturelles Argument anführen. Das mache ich bewusst, damit ich so richtig ordentlich in alle Fettnäpfchen tappe, am Beispiel des Otto-Wagner-Spitals. Ich füge hinzu, das gilt auch für andere sehr sensible Spitalsareale, die vor allem über große Freiflächen verfügen. Wir haben uns mit vielen Juristen zusammengesetzt und uns unter der Annahme, dass man das verkauft, gefragt, welche Möglichkeiten hat die Stadt, über die 30, 40, 50, 60 Jahre die Qualitäten des Freiraumes im Interesse der Öffentlichkeit sicherzustellen?
Also wir haben jetzt mit der MA 21 1 000 Bebauungsbestimmungen und, und, und, aber letztendlich – und das versteht auch die ÖVP – zählt das Eigentum. Und deswegen, weil uns diese Areale so wertvoll sind für die Wiener Bevölkerung, wollen wir das letzte Entscheidungsrecht, nämlich das Eigentum daran, bei den Wienerinnen und Wienern bewahren und es nicht, auch wenn damit kurzfristig Geld gemacht werden kann, sehr viel Geld gemacht werden kann, veräußern.
Trotzdem kann und muss man Geld machen. Die Frau Kollegin Wehsely hat vollkommen recht, dass es zur Finanzierung der Spitäler notwendig ist, Einnahmen zu erzielen. Wenn ich nur das wiederholen darf, was ich schon in diversen Gesprächen gesagt habe: Man kann sich Baurecht auch auf 80 Jahre auf einmal vorweg auszahlen lassen. Das hat aber dann den Vorteil, dass bei jeglicher Änderung der Baurechtsnehmer zum Eigentümer gegangen werden kann, das heißt, die Hoheit über Grund und Boden, über Kultur bleibt entsprechend erhalten. Das war im Übrigen auch eine Empfehlung der Expertenkommission, zum Beispiel das Areal beim Otto-Wagner-Spital und viele andere Areale nicht zu verkaufen.
Nächstes Argument von Kollegen Walter: Wie ist das mit dem Gemeindebau? Soll man da überprüfen? Und so weiter. Ich will da nur einen Gedanken wiedergeben – ich glaube, Generaldirektor Ludl hat das gesagt, und da hat er einfach recht –: Das Problem im Gemeindebau ist nicht, dass dort zu viele reiche Leute leben, das Problem ist eher, dass dort zu wenige leben. Denn wenn wir eines wirklich mit Stolz und Vorsicht behandeln sollen, dann dies: dass wir nicht in eine Situation kommen, wo wir große Areale haben, wo überwiegend Menschen mit geringem Einkommen, mit hoher Arbeitslosigkeit und geringen Lebenschancen geballt sind. Das sind – ich sage das jetzt zurückhaltend – sehr gefährliche Areale für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und ich muss jetzt nicht Paris oder andere Bereiche zitieren, damit wir wissen, was passiert. Das heißt, die Durchmischung, die soziale Durchmischung auch im Gemeindebau ist sehr wichtig. Ob man jetzt in einer Fairnessdebatte Beiträge und in welcher Höhe verlangen mag oder nicht verlangen mag, ist diskussionswürdig, ich glaube aber nicht, dass das in Form einer ideologischen Debatte – hier verteile ich meinen Gemeindebau, dort hast du deine Einfamilienhäuser und Villen – möglich ist.
Ist es nicht – und bin ich viel unterwegs in der Welt, ich nenne nur Afrika, und ich komme immer nach Wien zurück –, ist es nicht ein wahnsinniger Reichtum, dass man in jedem Bezirk in Wien zu Fuß gehen kann, zu jeder Tages- und Nachtzeit?! Das ist eine Minderheitenposition auf der Welt. Ich schaue mir die Zäune in Johannesburg an, ich schaue mir diese Securities in Sao Paulo an. Das wird, fürchte ich, mit der Entwicklung in Südeuropa möglicherweise auch in Städten in Europa – ich denke an diese Gated Communities – der Fall sein.
Wir sollen darum kämpfen, dass so eine Entwicklung in Wien nicht passiert. Eine soziale Durchmischung, eine Gerechtigkeit in der Stadtentwicklung und im Wohnbau ist wirklich ein Gut, das wir erst dann schätzen, wenn wir es verloren haben oder wenn wir nach einer Reise merken, wie toll wir es, was diesen Punkt betrifft, hier in Wien haben. Und das wollen wir bewahren. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Ich möchte einen letzten Punkt anschneiden. Man sieht, wie komplex das Thema Wohnen letztlich ist, es ist nicht mit drei, vier Schlagworten getan. Darum fürchte ich mich fast, nein, ich fürchte mich gar nicht, aber es wird im Wahlkampf eine große Rolle spielen und auch sozusagen der Schärfung der Unterschiede der Parteien dienen. Ob es einer Problemlösung dient, sei jetzt dahingestellt.
Ich will also einen letzten Punkt bringen – das sehen wir jetzt auch bei einer der wenigen billigen Immobilien, die es im Großraum Wien gibt, und ich sage es in aller Härte –, das sind die Scheidungshäuser in Suburbia. Auf was will ich hin?
Man projiziert seine Wohnsituation immer auf jenen Moment, in dem man jetzt gerade ist. Und die meisten oder viele suchen sich eine Wohnung so irgendwo Anfang 20, Mitte 30, wo man Kinder hat, und baut oder entwickelt dann gerade im ländlichen Raum Häuser mit 110, 120, 130 m². Das Leben schreitet fort, was ja schön ist, die Kinder werden erwachsen und finden einen Beruf und wollen dann halt nicht mehr bei den Eltern leben – wir wollen ja keine spanischen Verhältnisse, wo man mit 30 noch zu Hause wohnt oder, wenn man den Job verliert, wieder nach Hause ziehen muss, bitte, die Reportage zu lesen, wie es einem 32-Jährigen geht, der in sein Kinderbett mit dem Teddybären zurückkommt, weil er keinen Job oder keine Einkommensmöglichkeiten hat –, und auf einmal wird das Haus zu groß. Außerdem – ich will das weder moralisch noch ethisch behandeln – ist es einfach ein Faktum, dass im urbanen Raum jede zweite Ehe geschieden wird, dass die Zahl der Singlehaushalte so stark steigt wie keine andere. Jetzt haben wir einfach die Situation, dass es, vor allem in Suburbia, stark belastete Häuser mit 130 und mehr Quadratmetern gibt, die für 5 Leute konzipiert waren, und dort leben jetzt sehr viele – ich bin selber einer – 50-plus-Menschen, alleinstehend, kein Beisel in der Umgebung, die Freunde irgendwo, die auch noch Zusatzkosten mit dem Auto haben, und die kommen jetzt drauf: Eigentlich war es in der Stadt cooler. Oder sagen wir es so: An einem Ort
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