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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 25.06.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 81

 

Fragen gewidmet. Es ist ein sehr lesenswertes Heft.

 

Wien ist sich, glaube ich, nicht bewusst oder nicht hinreichend bewusst, wie zentral es im Kultur- und Wissenschaftsbereich in Österreich und weit über Österreich hinaus ist. Ich werde dafür ein kleines Beispiel geben: Wien hat mit ungefähr 180 000 Studierenden 50 bis 60 Prozent aller Studierenden in Österreich, 50 bis 60 Prozent der Forschungsleistung werden in Wien erbracht, und da gibt es viele ähnliche Beispiele. Ich glaube, fünf der letzten START-Preise des FWF wurden an Personen, die in Wien tätig sind, vergeben, die neue Wittgenstein-Preisträgerin ist Professorin an der TU Wien und so weiter und so fort.

 

Der Kollege Troch hat vorhin die Umbenennung des Lueger-Rings erwähnt. Ich bin mir sicher, StR Mailath-Pokorny hat die Rezeption dieser Umbenennung studiert, was die Journalisten, die Journalistinnen geschrieben haben, die Leserbriefschreiber, die Kommentare via Mail und so weiter. Ich habe mir das auch ziemlich genau angeschaut, und ich schwöre Ihnen, es ging so gut wie ausnahmslos um die Frage: Wer war Karl Lueger wirklich? Niemand stellte sich die Frage, jedenfalls nicht in diesen veröffentlichten Kommentaren: Na gut, der gute Karl Lueger mag Verdienste haben, wie er will, er hat eh ein Dutzend Denkmäler, Straßen, Plätze und was weiß ich in Wien, es ist doch gescheit, den Forschungsplatz Wien oder die Universität Wien einfach ins Schaufenster der Öffentlichkeit zu stellen und diesen Teil des Rings – es ist ohnehin nur ein relativ kleiner Teil – umzubenennen in Universitätsring, um sozusagen diese positiv herauszustreichen. (GR Mag Wolfgang Jung: Diesen Vorwurf hätten Sie an Ihre Fraktion richten müssen!) Warum? (GR Mag Wolfgang Jung: Sie haben den Lueger in den Vordergrund gestellt!) Das mag schon sein, dass in der öffentlichen Kommunikation etwas schiefgegangen ist. Trotzdem hat es mich gewundert, dass das in der Rezeption des Ganzen offenbar überhaupt keine Rolle gespielt hat. Aber hier vertraue ich auf das konservative Herz des typischen Wieners, wenn ich so sagen darf: Nach einiger Zeit werden die Wiener es total super finden, dass dieser Teil des Rings Universitätsring heißt.

 

Trotzdem: Das öffentliche Bewusstsein über die Bedeutung Wiens in diesen Fragen gehört noch gestärkt. Und Wien hat seine Stärken, viele Stärken – jetzt im Rahmen meiner Tätigkeit habe ich mich viel mehr damit befasst als früher –: Kunst- und Musikuniversitäten sowieso, die drei öffentlichen oder staatlichen, wenn Sie so wollen, und das Konservatorium Wien als Privatuniversität der Stadt selbst, aber vor allem in den sogenannten MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, also Mathematik mit dem Schwerpunkt Uni Wien, Informatik mit dem Schwerpunkt TU, die Chemie, Physik und so weiter. In der Biologie, in den Life Sciences hat Wien sich in den letzten 10, 20 Jahren wirklich hervorragend entwickelt; teilweise durch Initiativen des Bundes beziehungsweise der Universitäten selbst, teilweise mit Unterstützung der Stadt, insbesondere im 3. Bezirk in der Bohrgasse.

 

Apropos St Marx: Ein ausländischer Journalist hat mir einmal erzählt, dass er zu Beginn seiner Tätigkeit in Wien ganz verblüfft war, dass in Wien Karl Marx sogar heiliggesprochen wurde und ein ganzes Viertel nach ihm benannt ist, nämlich St Marx, wo ja jetzt das Bio-Center beheimatet ist, eine enorme Konzentration der Biologie und der Life Sciences in Wien. Er hat das Missverständnis dann schon selber herausgefunden, ich musste ihn nicht aufklären.

 

Für all das gibt es Indikatoren, das muss man nicht einfach behaupten, sondern man kann ja nachschauen, welche Institution, welche Person hat in welchem Zeitraum wie viele ERC-Grants bekommen, also vom European Research Council, wohin gingen die FWF-Projekte und auf welche Bereiche hat sich der WWTF, der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, konzentriert. Da kriegt man schon ein Bild davon, wo die besonderen Stärken liegen. Damit will ich nicht sagen, dass alle anderen schwach sind. Das Boltzmann-Institut für Menschenrechte beispielsweise oder das Institut für die Wissenschaften vom Menschen im Bereich der Geistes- und Kulturwissenschaften sind in ihren Gebieten durchaus vergleichbare Forschungsinstitute.

 

Ich würde mich freuen, wenn das Allgemeingut würde, wenn die Vision von Wien 2020, 2030, Herr Dr Schock, hier im Hause als selbstverständlich gelten würde. So etwas, was Arnold Schmidt, langjähriger FWF-Präsident, als das Vorbild der Greater Boston Area bezeichnet hat, also eine enorme Konzentration von Wissen, Forschung, Technologie als entsprechender Magnet für die Neugründung von Dienstleistungsfirmen, von zu Beginn kleinen Industrieunternehmen und so weiter, wie sich das rund um den Universitätscluster Greater Boston Area entwickelt hat.

 

Ich finde, Wien als eines der intellektuellen Zentren Europas als Vision, das hat schon was. Nicht nur, weil es schlechthin immer interessant ist, etwas Neues zu erfahren, sondern auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen. Wir müssen uns ja überlegen, wie der Arbeitsmarkt in 10, 20, 30 Jahren für die künftigen Generationen ausschauen wird. Und mit Sicherheit wird er in gewisser Weise schwieriger sein als für Leute wie mich, der ich halt in eine Zeit des Wiederaufbaus hineingekommen bin und mir im Grunde genommen den Job aussuchen hätte können. Ich habe mich halt auf die Uni kapriziert. Das steht hinter meinen Überlegungen.

 

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Wien diese Aufgabe, wie soll ich sagen, ernster nimmt, dass man auch mehr Geld in die Hand nimmt. Ich weiß, dass es schwer ist in Zeiten wie diesen – Budgetrestriktionen gibt es hier genauso wie im Bund –, aber in Wien gibt es ja eine hervorragende Institution der Forschungspolitik, nämlich den WWTF. Der WWTF hat sich in 10 Jahren hervorragend etabliert, und er würde eine Verdoppelung seines Forschungsetats, gegenwärtig rund 10 Millionen EUR, ohne Weiteres aushalten. Wir müssen ja Wege finden – Frau Leeb, ich glaube, da sind Sie mit mir einer Meinung –, wir müssen Wege finden, wie wir in Wien mehr tun können, ohne dass der Bund sozusagen einer Versuchung nachgeben kann, selber weniger zu tun. Es darf hier auf keinen Fall eine asymmetrische negative Beziehung geben. Da bieten sich Institutionen wie der

 

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