Gemeinderat, 47. Sitzung vom 13.12.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 104
allen sehr empfehlen kann, das Buch „1913“, das dieses historische Jahr sozusagen aus einer Alltagssicht Woche für Woche, Tag für Tag bringt, wo es einen unglaublichen Skandal in der Stadt gegeben hat über ein Schönberg-Konzert, wo die sich da unfassbar über dieses Konzert aufgeregt haben. Ich habe das Gefühl, jede Epoche braucht sozusagen ihre Anlässe, die alle kennen, über die alle reden. Heute ist es in der Tat schwer, über Kunst jeden zu erreichen, auf dass man dahintersteht oder sich dagegen wendet. Irgendwie ist es uns mit der Mariahilfer Straße gelungen.
Ich möchte es noch einmal sagen: Wenn man Zeitungen liest und wenn man das Fernsehen einschaltet - was für eine glückliche Stadt ist Wien (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Dass wir lauter Probleme haben!), dass sie das Thema „Wie organisiert man eine Fußgängerzone?“ zu der zentralen Auseinandersetzung nimmt und nicht all die Dinge, die auf der ganzen Welt vorkommen!
Wie hat es letzte Woche einer in der Zeitung gesagt? Ich glaube, es war ein Korrespondent. Auf die Frage, was sein größter Vorwurf an die Wiener ist, hat er gesagt: Sein größter Vorwurf ist, dass sie nicht wissen, in welcher Stadt sie leben. (GR Mag Wolfgang Jung: Vielleicht ist das nur ein Auslöser für das allgemeine Unbehagen über die Koalition!)
Also vor dem Hintergrund - aber es beschäftigt mich, wie gesagt, und den Kollegen Juraczka auch -: Was ist das, was ist dieses Kulturelle? Ist es eine Begegnungszone, die man in einer Gesellschaft, wo jeder - da hast du einen Radweg, da hast du einen Gehweg, da hast du eine Straße, alles hat seine Ordnung, und auf einmal kommt die erste große Begegnungszone, da hat niemand seinen Platz, da muss jeder auf den anderen schauen. Das kennen wir so nicht - in einer historisch sehr strukturierten Weise hat es auch damit zu tun. Ich denke darüber nach. Sagen Sie ihm, ich habe keine endgültige Antwort, aber die Frage beschäftigt mich sehr.
Die Zweite ist mindestens auch relevant, und das ist die Frage: Wer soll abstimmen? Auf den ersten Blick kann man sagen, na klar, warum lässt man die Geschäftsleute nicht auch abstimmen?
Jetzt sind wir aber einmal in einem Rechtsstaat und können nicht - das habe ich auch in einigen Briefen beantwortet - nach Willkür sagen, wenn jemand schreibt, ich bin ein eingesessenes Familienunternehmen, ich will abstimmen. Der Terminus „eingesessenes Familienunternehmen“ ist im Rechtsstaat ein bisschen schwer zu fassen. Ich meine das im Ernst, denn dahinter steht ein richtiger Gedanke: Es sollen alle, die davon betroffen sind, mitstimmen.
Wenn wir uns jetzt Unternehmen auf der Mariahilfer Straße anschauen, gibt es einerseits die genannten Familienunternehmen. Aber dann gibt es auch andere Unternehmen, und wer ist da der Eigentümer? - Weil gesagt worden ist, eine Stimme den Eigentümern. Gut, denkbar.
Wer ist - ich sage jetzt nur ein paar Geschäfte, die mir auf die Schnelle einfallen -, wer ist der Eigentümer von H&M, dem wir den Stimmzettel schicken? Wer ist der Eigentümer von Peek & Cloppenburg, dem wir den Stimmzettel schicken? Wer ist der Eigentümer von Starbucks, dem wir den Stimmzettel schicken? (GR Mag Alexander Neuhuber: Es ist aber nicht so schwer festzustellen, wer die Steuern ... - Weitere Zwischenrufe.) Wer ist der Eigentümer von McDonalds, dem wir den Stimmzettel schicken? (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Da gibt es einen Geschäftsführer!) Warte, ich gehe gleich darauf ein. Wer ist der Eigentümer von Thalia, dem wir den Zettel schicken? Wer ist der Eigentümer von A1, dem wir den Stimmzettel schicken? (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Es gibt die Geschäftsführer! Lieber Herr Kollege, es gibt eingetragene ...)
Okay, jetzt kommt: „der oder die Geschäftsführer“, dann wird also gesagt: „die Geschäftsführer“. Dann ist aber in der Tat die emotionale Frage wichtig: Warum eigentlich die Geschäftsführer, und warum nicht ein Vertreter der Menschen, die dort arbeiten? Die sind auch den ganzen Tag dort, die dort arbeiten. (GRin Ing Isabella Leeb: Weil er haftet!) Warum soll der Geschäftsführer von Thalia abstimmen (GRin Ing Isabella Leeb: Weil er dort haftet!), aber zum Beispiel der Betriebsrat nicht? (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Weil es ... - GR Dipl-Ing Martin Margulies: Typisch ÖVP! - Weitere Zwischenrufe.)
Was ich damit nur sagen will (GR Johann Herzog: Lassen Sie abstimmen!): Es zeigt, dass wir die Diskussion um direkte Demokratie nach Anfang März fortführen müssen. (GR Johann Herzog: Dann tun Sie es doch! Lassen Sie abstimmen!) Wir werden sie sowieso weiterführen. Wir könnten jetzt auch sagen, alle, die dort beschäftigt sind, sind stimmberechtigt. (GR Johann Herzog: Die sind mehr betroffen als wir hier! - Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)
Aber jetzt gehen wir weiter. Wir haben ein Schreiben bekommen von einigen Architekturbüros und Rechtsanwaltskanzleien, die nicht im Erdgeschoß, sondern im 3. Stock sind und gesagt haben: Hallo, wir leben dort, wir wollen auch abstimmen! - Darf jetzt der Geschäftsführer des Architekturbüros abstimmen? Das sind jetzt lauter Selbstständige. Aha, welcher ist das jetzt? Da muss man sich einigen. Wie ist das dann aber mit geheimer Wahl?
Ich will mich nicht darüber lustig machen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, ich will das nicht, ich will Ihnen sagen (GR Mag Wolfgang Jung: Das ist auch nicht lustig!): Wenn man nicht Willkür walten lassen möchte, dann zieht man sich auf das zurück, was die Verfassung vorsieht. Die Verfassung sieht vor - das, was ist, und zwar weiter als die FPÖ - all jene, die bei dieser Bezirksbefragung in den beiden Bezirken wahlberechtigt sind. Das sind nach Stadtverfassung die Bewohnerinnen und Bewohner, und zwar alle, also auch EU-BürgerInnen, die sind gleichgestellt nach dem Gesetz. Übrigens zwingt uns auch die EU dazu - ich finde es gut, dass das so ist -, dass man sie abstimmen lässt.
Darum meine ich auch, dass direkte Demokratie viel mehr ist, als nur am Schluss abzustimmen. Wenn wir im Planungsbereich, im Verkehrsbereich sehr viele BürgerInnenbeteiligungsmodelle haben, sagen wir nicht, geh, bring deinen Meldezettel mit, wenn du reinkommst; ah, du bist nur angestellt, nein, nein, da darfst du nicht mitreden. - Das ist in der Tat die Möglichkeit, wo diese Dia
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