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Gemeinderat, 47. Sitzung vom 13.12.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 88 von 104

 

2 Jahre dieser erhöhte Subventionsbedarf von jeweils knapp 5 Millionen EUR beschlossen wird. Und ich habe bereits öffentlich kommuniziert, dass ich das auch als persönliches Scheitern betrachte. Ich bin gescheitert mit dem Versuch, zu erreichen, dass man diese vorübergehende Erhöhung wenigstens an die Bedingung bindet, dass man erstens einmal auch jenen vielen kleineren Initiativen entsprechende Mittel zur Verfügung stellt, die dieses Geld sehr, sehr dringend brauchen - wie du ganz richtig ausgeführt hast, liebe Isabella -, und dass man sich zweitens auf diejenigen Dinge, die Ernst Woller jetzt in der Debatte dargelegt hat, vorher öffentlich festlegt.

 

Ich habe in den letzten Tagen und Wochen sehr viel darüber kommuniziert, und wir sind, glaube ich, auch zu Recht von vielen Initiativen dafür kritisiert worden, dass es uns eben nicht gelungen ist, schon viel früher - wo es passieren hätte sollen - die Vereinigten Bühnen dazu zu bewegen, dass sie sich erstens einmal an diese politische Vorgabe des Einsparens halten und zweitens auch inhaltlich etwas machen, was kulturpolitisch legitimierbar ist. Beides ist nicht der Fall gewesen. Das zeigt dieser erhöhte Subventionsbedarf, das zeigen aber auch Produktionen wie „Natürlich Blond“, oder was da sonst noch alles daherkommt, bei denen es unserer Meinung nach tatsächlich nicht legitimierbar ist, dass es dafür Steuergeld braucht. Das sind platte, kommerzielle Aufführungen - die durchaus ihre Legitimität haben, die aber der Markt finanzieren soll. Und wir müssen darauf hinarbeiten, dass der Markt so etwas trägt. Aber es gibt keine Legitimation, hiefür öffentliche Mittel zu verwenden.

 

Ich werde heute dieser Subventionserhöhung zustimmen, obwohl ich, glaube ich, sehr deutlich ausgeführt habe - und auch mein Kollege Martin Margulies hat das dankenswerterweise ausgeführt -, dass das auch zu massiven internen Diskussionen geführt hat. Ich versuche darzulegen, warum ich dieser vorübergehenden Subventionserhöhung dennoch zustimmen werde.

 

Ich möchte mich dabei gerne auf zwei Begriffe berufen, die Max Weber vor gut 100 Jahren geprägt hat, nämlich den Begriff der Gesinnungsethik und den Begriff der Verantwortungsethik. Gesinnungsethik bezeichnet im Wesentlichen, das zu vertreten, was man nach dem eigenen Gewissen machen würde, was man nach der eigenen Einstellung, nach der eigenen Überzeugung vertreten würde. Das ist etwas, was man als jemand, der eigene Interessen vertritt, oder auch als Oppositionspolitiker relativ leicht tun kann. Es kann aber in Konflikt treten mit der sogenannten Verantwortungsethik, wenn es nämlich darum geht, dass man anerkennt, dass es Realitäten gibt, dass es Mehrheiten gibt, die man gewinnen muss, und dass man, wenn man sie nicht gewonnen hat, dann versuchen muss, Kompromisse zu suchen.

 

Diese Verantwortungsethik bedeutet, glaube ich, im konkreten Fall mehrerlei; ein paar Dinge haben meine Vorredner bereits ausgeführt. Wenn wir so weit gekommen sind - was ich bedauere -, dass wir jetzt in einer Situation sind, wo eine sofortige Subventionskürzung oder Nichterhöhung der Subvention dazu führen würde, dass man sofort möglicherweise Häuser schließen müsste und 150 Leute, oder wie viele auch immer, entlassen würde, dann ist das etwas, was wir nicht verantworten können. Wenn es nicht, noch nicht, die Mehrheiten dafür gibt, dann, glaube ich, ist es notwendig, auch als einzelner Abgeordneter - der hier, glaube ich, sehr deutlich gesagt hat, was er will - trotzdem mit diesen Mehrheiten, mit der eigenen Partei, mit einer Koalition gemeinsam weiterzuarbeiten und auch nach dem Eingeständnis des eigenen Scheiterns im Spiel zu bleiben, in Verhandlungen zu bleiben, damit etwas gelingt.

 

Das ist der Grund, warum ich zustimme. Und was mich wirklich dazu motiviert hat: Ich habe in den letzten Tagen oder in den letzten Wochen, seit wir diese Entscheidung diskutiert haben, mit sehr vielen Kulturschaffenden diskutiert, für die ich eigentlich Politik machen möchte, nämlich mit all jenen Vertretern und Vertreterinnen aus kleineren Initiativen, aus Klein- und Mittelbühnen, aus der freien Szene und so weiter, die meine Hauptmotivation sind, für sie Kulturpolitik zu machen, mit ihnen Kulturpolitik zu machen und für ihr Publikum und für das kulturelle Leben dieser Stadt Politik zu machen. Und diese Menschen haben mich sehr, sehr eindringlich gebeten, dass ich in dieser Situation dieser vorübergehenden Subventionserhöhung zustimme, damit ich für sie weiter darum kämpfen kann, dass es sich langfristig ändert, dass wir langfristig eine Verteilungsgerechtigkeit schaffen.

 

Ich finde es sehr schön, dass wir die Debatte so weit gebracht haben, dass eine Kulturpolitikerin der ÖVP hier eine linke Rede hält und uns zu linker Politik auffordert. Das finde ich sehr, sehr schön. Damit haben wir schon sehr, sehr viel erreicht, und ich glaube, es sollte uns als progressive Stadtregierung, als rot-grüne Stadtregierung auch motivieren, das auch wirklich zu machen. Ich halte „too big to fail“ für ein falsches Konzept. Ich halte das für falsch. Ich habe mein gesamtes politisches Leben dagegen angekämpft, dass man, wenn Große, die es ohnehin haben, schreien und drohen, denen noch mehr gibt. Ich bin mein gesamtes politisches Leben vielmehr dafür eingetreten, die politische Kernfrage anzugehen, nämlich die Verteilungsfrage.

 

Ich halte die Verteilungsfrage für die politische Kernfrage. Und gerade in der Kulturpolitik, wo wir damit konfrontiert sind, dass zu einem sehr, sehr großen Teil die kreativen Kulturschaffenden kleinerer und mittlerer Bühnen, bis hin zu solchen an größeren Bühnen wie dem Volkstheater und so weiter, am Prekariat leben, von Selbstausbeutung leben müssen, nicht mehr kreativ sein können, weil sie eigentlich um ihre Existenz kämpfen müssen, ist es notwendig, dass wir das ändern.

 

Was wir aber jetzt hier haben, ist Folgendes - und ich habe das gerade, glaube ich, an der Rede von Ernst Woller gehört, die in der Geschichte des Themas Vereinigte Bühnen Wien in diesem Haus beispiellos war; das, was wir jetzt gerade gehört haben, haben wir hier in dieser Deutlichkeit noch nie gehört -: Möglicherweise - und ich glaube daran und ich hoffe es und ich werde sehr, sehr aktiv daran mitarbeiten - führt gerade diese Situation, die hier, glaube ich, zu Recht kritisiert wird - ich sage es noch einmal -, dazu, dass wir tatsächlich das, was auch ich selbst im Kulturausschuss vor drei Jahren

 

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