Gemeinderat, 48. Sitzung vom 30.01.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 63
Die alternde Bevölkerung und der medizinische Fortschritt bedingen natürlich entsprechende Anforderungen an das Gesundheitssystem. Im niedergelassenen Bereich hört man, dass die Krankenkassen an sich das nicht tun, was das Konzept vorsieht. Die Spitäler versuchen, das zu tun, wozu man eigentlich nur das Spital braucht, es soll mehr in den niedergelassenen Bereich umgeleitet werden; da müsste man aber auch entsprechend mehr Planstellen zur Verfügung stellen, vor allem im Facharztbereich und umgekehrt. Wenn man jetzt Spitäler zusammenfasst, besteht auch die Gefahr, dass da natürlich Know-how verloren geht, denn ein Schwerpunktspital lebt auch davon – so wie eine Universität –, dass man von Institut zu Institut nicht weit hat und auch den fachlichen Beistand einholen kann.
Ist diese Adaptierung des Spitalskonzeptes auch vor dem Hintergrund der stark wachsenden Wiener Bevölkerung vertretbar oder hantieren wir hier mit Zahlen von heute?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Stadträtin.
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Herr Dr Aigner, wenn ich nicht wüsste, dass Sie meinen grundsätzlichen Intellekt nicht anzweifeln, dann müsste ich das jetzt tun. Denn wieso können Sie von mir glauben, dass ich ein Spitalskonzept 2030 vorlege und dabei nicht mit einrechne, dass Wien alle zwei Jahre um die Bevölkerung von St Pölten wächst?
Daher die ganz konkrete Antwort: Selbstverständlich ist die wachsende Stadt hier einbezogen, mit allen Daten, die derzeit vorliegen. Wir gehen im Spitalskonzept 2030 und bei der Entwicklung der Leistungszahlen genau davon aus, dass Wien alle zwei Jahre um St Pölten wächst – man muss das natürlich rollierend planen, das ist gar keine Frage. Und der wesentliche Punkt im Spitalsbereich ist, dass der Weg von der längeren stationären Aufnahme zur Tagesklinik immer größer wird. Ein sehr gutes Beispiel dafür sind Augenoperationen – Kataraktoperationen. Deswegen ist man früher tagelang im Spital gelegen, und jetzt findet im Krankenhaus Hietzing – über das wir schon öfter sehr positiv gesprochen haben – ein sehr großer Teil der Kataraktoperationen tagesklinisch statt. Das heißt, die Patientinnen und Patienten kommen um 8 Uhr in der Früh und gehen am Nachmittag nach Hause. Das heißt, die Frage der Bettenzahl ist überhaupt kein Indikator mehr für die Frage, welche Leistung erbracht wird.
Einen zweiten Punkt, der nicht gefragt wurde, möchte ich auch gerne ansprechen – die ambulante Versorgung: Hier sind wir in sehr guten Gesprächen mit der Gebietskrankenkasse. Wir haben ja auch den Landeszielsteuerungsvertrag und das Arbeitsprogramm fürs heurige Jahr gemeinsam schon beschlossen. Und hier laufen jetzt die Vorarbeiten für das „Primary Health Care“, eine außerhalb des Spitals liegende versorgungswirksame Erstversorgung, wo mehrere Ärztinnen und Ärzte miteinander Anlaufstellen für die Patientinnen und Patienten sind. Unsere Herausforderung hier ist, dass wir jetzt vorausdenken müssen, wie die Situation nicht jetzt, 2014, ist, sondern 2025 sein wird. Und das ist sozusagen schon auch die Grundlage der medizinischen Entwicklung, aber – ganz wichtig – auch der demographischen Entwicklung, auch der Bevölkerungsentwicklung. Das ist somit alles die Grundlage des Konzepts.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke. – Die 2. Zusatzfrage stellt GRin Korosec. – Bitte schön.
GRin Ingrid Korosec (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Guten Morgen, Frau Stadträtin! Guten Morgen, Herr Vorsitzender!
Kollege Aigner hat es schon gesagt, es gibt eine große Unsicherheit. Frau Stadträtin, Sie kennen mich, ich stelle mich überhaupt nicht gegen Veränderungen. Und da Sie gerade die Tageskliniken erwähnt haben, Sie wissen, wie ich dafür gekämpft habe, gerade im Bereich Augen, und da war die Bereitschaft von der Stadtregierung nicht immer so groß. Aber, Gott sei Dank, hier hat man gelernt, und ich freue mich darüber.
Ich bin aber trotzdem enttäuscht von Ihnen, nicht über die Reform, die kann ich nicht beurteilen, die kenne ich praktisch noch nicht, aber ich bin enttäuscht, dass Sie als strategische Planerin hier die Oppositionsparteien nicht mit eingebunden haben. Ich halte es für einen strategischen Fehler, wenn man über irgendwelche Maßnahmen in Zeitungen lesen muss, wo man nicht weiß, ob es stimmt oder nicht, und in keiner Weise von Ihnen informiert wurde. Ich verstehe, dass Sie das nicht am Stephansplatz plakatieren, aber dass Sie die Opposition in keiner Weise informieren und man das über die Zeitung erfahren muss, das sind keine vertrauensbildenden Maßnahmen. Das einmal vorweg.
Zum Krankenhaus Nord habe ich eine Frage: Im Spitalskonzept ist ja die Dezentralisierung der Psychiatrie vorgesehen, und da ist auch geplant, dass der 20. und der 21. Bezirk komplett übernommen werden und zusätzlich – und das ist mir ein besonderes Anliegen – 30 Betten der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Wir wissen, dass das ein großes Problem ist, wir wissen, 2013 gab es 90 Fälle, bei denen Kinder und Jugendliche in Erwachsenenpsychiatrien waren. Daher meine konkrete Frage: Hat sich da durch den medizinischen Masterplan etwas geändert oder bleibt das im Krankenhaus Nord, so wie vorgesehen?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Stadträtin.
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Ich beantworte zuerst Ihre Frage: Es bleibt genau, wie vorgesehen, es hat sich gar nichts geändert.
Zur Frage der Einbindung der Opposition ein ganz offenes Wort. Auch wenn es nicht die Frage ist, Herr Vorsitzender, erlaube ich mir das zu sagen, um hier die Ebenen auseinanderzuhalten: Die Grundentscheidung der Umsetzung des Spitalskonzepts 2030 haben wir vielfach miteinander diskutiert, wie die Reduktion von vormals 14 Standorten auf 7 Standorte und dass die Schwerpunktsetzung kommt. Aber ich sage es Ihnen ganz offen, und das sage ich auch in Richtung meiner Fraktion, die in diese Entscheidungen auch nicht eingebunden war, weil ich das für keine politische
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