Gemeinderat, 52. Sitzung vom 29.04.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 79
Streuobstwiesen, Gemeinschaftsgärten und naturnahen Spielplätzen berechnet wurden. All das wurde diskutiert, und dann wurde ein Entwurf vorgesehen. Das war nicht ganz einfach, aber auch das ist Flächenwidmung zwischen den Interessen der Anrainer, die dabei waren, den Vorstellungen des Bezirkes, der MA 21 und der Geschäftsgruppe! Die Interessen gingen oft auseinander, schließlich ist es aber in einem sehr intensiven Prozess gelungen, einen sehr guten Kompromiss zu realisieren, der auch geförderten Wohnbau ermöglicht. Es geht dort also nicht wie so oft um freifinanzierte Wohnungen in einem Grünbereich, sondern um Genossenschaftswohnungen, in diesem Fall von der GEWOG.
Ich darf mich jetzt bei zwei Personen speziell bedanken, nämlich einerseits bei unserem grünen Gemeinderat Jordan, der jetzt in der Bezirksentwicklungskommission ist und sich sehr engagiert hat. Außerdem darf ich Kollegen Spitzer nennen, der sich dabei auch sehr bemüht und erreicht hat, dass das Ganze, nachdem nicht nur alles in dieselbe Richtung gegangen ist, am Schluss dazu geführt hat, dass wir heute gemeinsam einen, wie ich glaube, sehr guten Entwurf präsentieren können. Ich danke also den Beteiligten! – Geschildert habe ich das nur deswegen kurz, weil das sozusagen das Amalgam der Flächenwidmung ist, wie es nämlich gelingt, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen.
Jetzt möchte ich nach Vorberatungen in der Präsidiale einen sehr grundlegenden Beschlussantrag einbringen: Es geht um baukulturelle Leitsätze des Wiener Gemeinderates. Dem ist ein sehr langer Prozess vorangegangen, der in einem neunseitigen Papier zusammengefasst ist. Diese baukulturellen Leitlinien der Stadt Wien werden Mitte Mai veröffentlicht werden.
Manche werden sagen, auf so allgemeine Sätze kann man sich schnell verständigen! – Wir sagen Nein! „Baukultur“ – ich lese jetzt einmal vor – „ist die Summe aller von Menschen gestalteten Räume, Gebäude und Freiräume.“ 99,9 Prozent dessen, was unser Lebensraum in der Stadt und weltweit für 60 Prozent der Menschen Lebensraum in Städten ist, ist von Menschenhand Gebautes. Und ohne jetzt in die Tiefe zu gehen, möchte ich sagen: Wie das gebaut ist, mit welchen Vorgaben das gebaut ist, mit welcher BürgerInnenbeteiligung und mit welchen Qualitätsansprüchen das gebaut ist, macht die Qualität von Städten aus. Deswegen verpflichtet sich die Stadt zu gewissen Prinzipien, an denen man sich immer wieder versucht und hinterfragt: Haben wir diesen Lebensraum ausreichend berücksichtigt, der ja weit über unser aller Lebensalter hinausgeht?
Wenn wir heute durch die gewachsene Stadt gehen, stellt sich heraus: Diese wurde lange bevor wir geboren wurden, erdacht, geplant und gebaut. Und wir können sicher sein, dass in den Bereichen, die wir heute bauen, unsere Kinder, Enkel und Urenkel irgendwann am Ende des 21. Jahrhunderts leben werden.
Ich sage das jetzt deswegen einmal so prinzipiell, um die Wichtigkeit dessen, mit welcher Haltung man an diese Fragen herangeht, in den Vordergrund zu stellen. Das kann man nicht abtun und sagen, dass das ein paar allgemeine Sätze sind, die man halt irgendwann am Nachmittag um halb zwei beschließt. Vielmehr bemühen wir uns ernsthaft um die Abklärung der Fragen beziehungsweise nehmen uns das immer wieder vor, dabei allerdings auch wohl wissend, dass das Bemühen nicht immer zu 100Prozent im Detail umgesetzt werden kann.
Ja. Auch diese baukulturellen Leitsätze, die wir heute beschließen, stellen einen Kompromiss aus verständlichen Überlegungen dar. Auch stadtnahe Unternehmen haben gesagt, wir können uns aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr binden als andere. Es wurde um Formulierungen gerungen. Ich glaube aber, es ist das eine gute Grundlage, auf welcher jetzt die Frau Vizebürgermeisterin ersucht wird, entsprechende Prozesse einzuleiten.
Die MA 19 wird jetzt einen ersten themenbezogenen Workshop veranstalten, bei dem anhand eines ganz spezifischen Themas, nämlich am Bereich des Schulbaus, einmal die Fragen diskutiert werden: Wie kann Baukultur mit Lernen zusammengehen? Wie hat sich Lernen verändert? – Daran werden maßgeblich der Herr Bildungsstadtrat und die Frau Stadtschulratspräsidentin mitwirken.
Ich glaube, dass das etwas sehr Relevantes ist, das wir beherzigen sollten. Ich möchte das jetzt so formulieren: Das Wesen und die Seele einer Stadt ist ihre Baukultur, und man merkt, mit welchem Spirit an das herangegangen wurde.
Ich nenne jetzt ein Beispiel von gebautem Raum. Ich habe das nicht in meiner Vorbereitung, aber es liegt mir jetzt auf der Zunge: Wenn man in den weiten Teilen Österreichs in einen Ort hineinfährt, sieht man neben dem Ortsschild stets das Gleiche. Weil ich am Wochenende dort war, sage ich Ihnen sogar den Ort dazu, wo mir das besonders aufgefallen ist: Frauenkirchen. – Man fährt in diesen Ort, dann sieht man rechts einen ebenerdigen Billa und davor einen Parkplatz. Links sieht man einen Penny Markt und davor einen Parkplatz, und weiter hinten sieht man einen Fressnapf.
Auch das ist unser gebauter Raum. Und wenn man durch Österreich fährt, dann weiß man, dass wir das nicht ein Mal oder zwei Mal haben, sondern dass das oft der Regelfall ist, wie an Stadträndern gebaut wird. Auch das ist Baukultur, aus meiner Sicht allerdings im üblen Sinne. Der einzige Vorteil dieser Art von Stadtentwicklung ist, dass all das nach 30 Jahren hin ist und hoffentlich dann entsprechend anders gebaut wird.
Im Hinblick darauf wollen wir uns mit diesen baukulturellen Leitsätzen vornehmen, nicht so an die Stadt heranzugehen, sondern Räume zu schaffen, wo man sehr wohl Lust hat, zu verweilen, Leute zu treffen oder ein Lokal aufzumachen. Dort können – um jetzt die Diskussion von vorher aufzugreifen – Fußgängerinnen und Fußgänger stehen bleiben und sich miteinander unterhalten, weil es dann so etwas wie Lebendigkeit und Qualität gibt, die bewirken, dass man sich wohl fühlt. – Die Umgebung des Rathauses ist dafür ein gutes Beispiel.
Abschließend: Wir diskutieren viel über das Weltkulturerbe, und zwar sollte das insofern geschehen, als wir letztlich sagen dürfen: Wie interferieren Neubauten mit
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