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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.05.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 75

 

270 Millionen EUR niemals erfahren, wenn es diese Bardotation nicht gäbe. Der Gemeinderat wird nicht informiert. Und da geht es nicht um kleine Beträge, sondern da geht es um ein Investitionsvolumen von 270 Millionen EUR.

 

Wie dieses Projekt nun aussehen soll, wissen wir nicht. Es gibt genau einmal einen kleinen Absatz, ganz am Anfang von diesem Drei-Seiten-Akt, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Wirtschaftsagentur gemeinsam mit der Swiss Town Consult im Wege eines PPP-Modells diese Liegenschaft entwickeln wird.

 

Jetzt möchte ich gar nicht so sehr auf die Kritikpunkte des Bezirks eingehen, auf die Kritikpunkte, die auch schon durch die Medien gegangen sind – dass dort eine Menge unentgeltliche Parkplätze vor dem Donauzentrum verloren werden und man nicht weiß, ob die Autofahrer dann in der Tiefgarage ausreichend versorgt werden –, sondern mir geht es in erster Linie darum, dass dieser Gemeinderat hier wieder dieses Selbstverständnis aufbringt, das selbstverständlich sein sollte, nämlich, dass man über große Immobilientransaktionen informiert wird und über die auch mitreden möchte. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Es kann ja nicht sein, dass man uns über ein 270-Millionen-Projekt am Rande informiert, wir wesentliche Liegenschaftsverkäufe nicht vorgelegt bekommen und die einzigen Liegenschaftsverkäufe, um die wir uns kümmern dürfen, im Wesentlichen darin liegen, dass wir den Verkäufen von Kleingärten zustimmen dürfen. Zufälligerweise gibt es am Montag wieder einen Wohnbauausschuss, und dort steht dann drinnen, worüber die Gemeinderäte befinden dürfen, nämlich ob Kleingärten verkauft werden dürfen, in der Größenordnung von 103 000 EUR, 90 000 EUR, 74 000 EUR, 119 000 EUR, 46 000 EUR, 51 000 EUR. Das ist das, was die Mächtigen in dieser Stadt wollen, dass wir uns ausschließlich mit solchen Verkäufen auseinandersetzen, aber nicht mit den wirklich wichtigen, die diese Stadt und diese Bürger so betreffen. (Beifall bei der ÖVP. – GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Jawohl!)

 

In der Stadtverfassung steht: Grundstücke der Stadt Wien, die verkauft werden, müssen durch den Gemeinderat gehen, brauchen die Bewilligung des Gemeinderates. – Diese Bedeutung will man dem Gemeinderat nicht geben. Daher hat man sich einen Trick einfallen lassen. Man verkauft einmal an eine gemeindeeigene Firma, an eine gemeindeeigene Wirtschaftsagentur, an eine GmbH, die zu 100 Prozent im Eigentum der Gemeinde steht und sagt: Es ist ja nichts passiert. Der Gemeinderat soll dem Verkauf zustimmen, es bleibt ja in der Familie, es bleibt ja bei der Gemeinde. – Und wenn diese Firma dann weiterentwickelt oder weiterverkauft, dann wird der Gemeinderat nicht mehr gefragt.

 

Jetzt könnte man sagen: Na, wenn das sonst bestens vorbereitet würde und ein bestmögliches Ergebnis erzielt werden kann, dann ist das halt irgendwie eine besondere Art und Weise des Verwaltungshandelns. – Sehr geehrte Damen und Herren, so wie die Mächtigen in dieser Stadt es machen, ist es für uns absolut unakzeptabel. Sie verkaufen nämlich ohne Bieterverfahren. Sie verkaufen an jemanden, der Ihnen gerade über den Weg läuft. Wir kennen ja die Beispiele von PPP-Modellen aus der Vergangenheit. Sie lehnen es ab, eine Ausschreibung zu machen. Sie lehnen es ab, Ihr Grundstück zum besten Preis zu verkaufen. Das ist für mich nicht nur politisch nicht nachvollziehbar, ich werde Ihnen jetzt auch gleich belegen, dass es rechtswidrig ist.

 

Die gesamte Verwaltung hat gemäß § 73b der Wiener Stadtverfassung ihr gesamtes Verhalten auf Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen. Das gilt nicht nur für die Verwaltung im engeren Sinn, sondern das gilt auch für mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Fonds, Stiftungen und Anstalten, somit jedenfalls für die Wirtschaftsagentur Wien. Und jetzt habe ich einige Rechtsvorschriften gefunden, aus denen sich für mich eindeutig ableiten lässt, dass bei Eingehen von PPP-Modellen wie auch beim Verkauf von Liegenschaften Bieterverfahren notwendig sind. Diese Bestimmungen finden sich zwar nicht in einem Landesgesetz. Das hat der Kollege Neuhuber das letzte Mal leider vergeblich eingefordert, das wollen Sie nicht haben. Aber diese Bestimmung findet sich zumindestens in einem Bundesgesetz. Solche Leitsätze finden sich in den Berichten des Rechnungshofes und finden sich auch in Mitteilungen der Europäischen Kommission im Amtsblatt. Ich darf Sie auf § 4 Abs 4 des Bundesimmobiliengesetzes aufmerksam machen. Dort heißt es wörtlich: Veräußerungen oberhalb einer Bagatellgrenze, bei Nichtvorliegen konkret im Gesetz ausgezählter Ausnahmen, dürfen nur im Rahmen eines Ausbietungsverfahrens erfolgen.

 

Der Bundesgesetzgeber hat schon gewusst, warum er diese Vorschrift vorsieht. Das Kontrollamt weist uns immer wieder auf diesen Missstand hin, dass Sie auf Ausschreibungen verzichten und dass sie keine Bieterverfahren machen. Es gibt vom Rechnungshof immer wieder diese Kritik, und Sie wollen sie nicht hören. Aber ich werde es Ihnen auch nicht ersparen und weise Sie auf die Leitsätze des Rechnungshofes zu diesem Thema hin. Ich verweise auf die Reihe Bund 2006/9/4, wo es heißt: Beim Verkauf von Liegenschaften sind die Grundsätze eines Bieterverfahrens anzuwenden, um alle am Markt befindlichen Interessenten anzusprechen und das Erlöspotenzial bestmöglich ausschöpfen zu können.

 

Ein ähnlicher Rechtssatz findet sich auch in der Reihe Bund 2008/6/1. Dort heißt es: Durchführung einer umfassenden Interessentensuche zur Erzielung einer größtmöglichen Anzahl von Angeboten und damit Nutzung für ein optimales wirtschaftliches Ergebnis im Sinne des Wettbewerbs. – Eindeutige Aussagen des Rechnungshofes.

 

Und auch auf europäischer Ebene finden wir eine solche Empfehlung, und zwar von der Kommission im Amtsblatt Nr C 209 vom 10. Juli 1997, in dem es heißt: Empfohlen wird der Verkauf nach einem hinreichend publizierten, allgemeinen Bieterverfahren ähnlich einer Versteigerung und die darauffolgende Veräußerung an den Meistbietenden. – Ja, nicht weiter überraschend. Selbstverständlich, jeder verantwortungsvolle Politiker sollte sich daran halten und nach dieser Handlungsanleitung handeln.

 

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