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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.05.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 75

 

gungen man den privaten Partner ausgewählt hat und welchen Wissensstand sie ganz konkret hatte. Ich wollte auch wissen, warum die Stadtwerke die Investition ihres Investors finanzieren, ob es die Aufgabe der Stadtwerke ist, hier als Darlehensgeber aufzutreten und Bankgeschäfte zu machen, wie es zum Verlust gekommen ist und wie sie jetzt als politisch verantwortliche Stadträtin gedenkt vorzugehen.

 

Die Antwort, die gekommen ist, zeugt also auch von der Wertschätzung des Gemeinderates. Sie war lapidar. Die Kernsätze sind: Die vorliegenden Fragen beziehen sich auf Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die gegenständliche Anfrage kann daher nicht beantwortet werden.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, Kollegen Gemeinderätinnen, Kollegen Gemeinderäte von allen vier Fraktionen, wir gehören in gewisser Weise zusammen, wir bilden dieses Stadtparlament. Wir können uns doch nicht alles vom Stadtsenat und von den Stadträten gefallen lassen. Wir haben doch eine Verantwortung (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Der Grund, warum wir gewählt werden, ist, dass wir die Regierenden kontrollieren, dass wir hier unsere Aufgabe im demokratischen Puzzle wahrnehmen. Wir sind ja wohl nicht nur zum Abnicken da.

 

Und eine ganz ähnliche Situation hatten wir ja auch beim Media Quarter Marx. Manche haben dieses PPP-Modell verfolgt, andere vielleicht weniger – ein Debakel der Sonderklasse. Es ist so, dass uns hier die Stadt Wien bis heute nicht erklären konnte, warum mit bestimmten Partnern ein Projekt entwickelt wurde, und nachweislich nicht wusste, wer dann tatsächlich ihr wirtschaftlicher Partner ist – nämlich der Herr Aliyev beziehungsweise ein Familienmitglied aus der Familie Aliyev. Dass man die Consultatio bemühen musste, um zu erfahren, wer der eigene Partner bei diesem Projekt ist, das schlägt ja wirklich fast dem Fass den Boden aus und zeigt, wie notwendig es ist, dass wir uns als Gemeinderäte nicht alles gefallen lassen, was von oben kommt, sondern dass wir unseren Finger in die Wunde legen und sagen: So geht es nicht!

 

Ich habe ja auch zu dem Thema Media Quarter Marx eine Anfrage gerichtet. Ich habe den Bürgermeister gefragt, was sich ja auch das Kontrollamt immer wieder fragt, wie zum Beispiel beim Ernst-Happel-Stadion, als dort im Jahr 2006 verkauft wurde: Es ist nicht nachvollziehbar, wie man zum Partner kommt und wie man zum Käufer kommt.

 

Ich habe daher auch den Bürgermeister gefragt: Warum hat sich die Stadt Wien über die Wirtschaftsagentur beim Media Quarter Marx für ihren privaten Partner entschieden? – Sie wissen, die privaten Partner waren – da kann man auch den Namen nennen, er ist ja durch alle Medien gegangen – der Herr Wala, ehemaliger höchster Repräsentant der Nationalbank, und Personen aus der Glücksspielbranche und aus dem Betrieb von Tennishallen. Warum die jetzt entweder besonderes Know-how oder besondere Investitionskraft für ein Medienquartier haben sollen, ist mir nicht nachvollziehbar. Ich brauche daher eine Erklärung von der Stadt Wien, aber es ist natürlich auch für die Stadt Wien nicht erklärbar gewesen, und deswegen hat man es auch nicht erklärt. Man konnte mir nicht einmal beantworten, ob dort jetzt privates Know-how oder ob privates Kapital gesucht wurde. Ich habe auch gefragt, ob man von Seiten der Stadt Wien – Stadträtin, Bürgermeister, wer auch immer, ein Organ der Stadt Wien – wusste, wer der wahre wirtschaftliche Partner ist, die Familie Aliyev. Und ich habe gefragt, ob sich die Wirtschaftsagentur an diesem Projekt nur deshalb mit 40 Prozent beteiligt hat, und nicht mit einer Mehrheitsbeteiligung, damit das Kontrollamt keine Prüfmöglichkeit hat.

 

Das ist auch noch nicht so lange her, diese Frage wurde mir Ende vergangenen Jahres beantwortet: „Sehr geehrter Herr Gemeinderat! Da die gegenständliche Anfrage in weiten Teilen über die Wahrnehmung der Eigentümer beziehungsweise Ingerenzrechte der Stadt Wien hinausgeht und sich auf die privatrechtliche Tätigkeit von eigenständigen juristischen Personen bezieht, ist sie insofern unzulässig. Mit freundlichen Grüßen der Bürgermeister.“

 

Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden so lange Liegenschaftsverkäufen, PPP-Modellen, der Entwicklung von Liegenschaften nicht zustimmen, so lange sich hier nichts ändert. Wir können uns das nicht gefallen lassen, wir können es auch nicht verantworten. Mittlerweile sind 50 Prozent der kommunalen Daseinsvorsorge – unser ureigenes Tätigkeitsgebiet – an ausgegliederte Rechtsträger überantwortet: Strom, Gas, Beförderung im öffentlichen Verkehr, soziale Betreuung alter Menschen, Wirtschaftsförderung. Wir haben kein Fragerecht zu den Stadtwerken, zu Wienstrom, zu Wiengas, zu den Wiener Linien, zum Fonds Soziales Wien, zu den Pensionistenheimen, zu Public-Private-Partnership-Modellen.

 

Das muss uns zutiefst widerstreben, aber das widerspricht auch der Stadtverfassung. Denn die Stadtverfassung sieht vor, dass der Gemeinderat das oberste Organ der Gemeinde ist, und nicht das unterste Organ der Gemeinde (Beifall bei der ÖVP und von GRin Mag Dr Barbara Kappel.), und das höchste Kontrollorgan über die gesamte Finanzgebarung. Ja, wie sollen wir die gesamte Finanzgebarung kontrollieren, wenn wir nicht einmal Anfragen zu 270-Millionen-Projekten stellen dürfen?

 

Wie Sie wissen, wurde auch der Bürgermeister mit diesem Umstand konfrontiert, und er hat in einer der letzten Landtagssitzungen gesagt: Ja, Herr Landtagsabgeordneter, das sehe ich schon ein, da liegt wirklich ein systemischer Webfehler vor, da passt etwas nicht mehr in unserer parlamentarischen Demokratie und man wird sich irgendetwas einfallen lassen. – Ich habe einen konkreten Vorschlag gemacht. Ich habe gesagt, man braucht überhaupt nichts anderes machen, als dass wir die gleichen Rechte bekommen, die auch Nationalratsmitglieder gegenüber der Bundesregierung haben. Wir brauchen nichts anderes als den gleichen Paragraphen in der Wiener Stadtverfassung, wie er in der Bundesverfassung steht. In Art 52 der Bundesverfassung ist das Fragerecht der Abgeordneten eindeutig geregelt, und da steht drinnen, dass sich dieses Fragerecht nicht nur auf die Verwaltungsagenden der Bundesregierung bezieht,

 

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