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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 24.06.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 81

 

es als eine Beleidigung, wenn diese drei Pfeile so verunglimpft werden, wie Sie es gemacht haben! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. – Lebhafte Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl (unterbrechend): Ich darf bitten, die Zwischenrufe, nachdem ich jetzt einige zugelassen habe, wieder ein bisschen zurückzunehmen! Es gibt noch genug Redezeit, dass sich alle Fraktionen zu Wort melden können. – Bitte.

 

GR Petr Baxant, BA (fortsetzend): Danke schön. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Gleich auf Italienisch fortsetzen!)

 

Vielleicht auch noch ganz kurz zu der Diskussion, die die letzten zwei, drei Wochen in diesem Land und in dieser Stadt dominiert hat, nämlich zur Debatte über den sogenannten Privatbesuch des türkischen Ministerpräsidenten: Jeder möge sein eigenes Urteil darüber fällen, ob das konstruktiv oder destruktiv für unsere Gesellschaft ist, wie auch immer.

 

Es gibt aber jedenfalls eine Bewegung in dieser Stadt, der ich überhaupt nicht abnehme, dass sie sich wirklich ernsthaft und wahrhaftig für Werte wie Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit einsetzt. Sie haben sich auch, meiner Meinung nach, noch nie wirklich und wahrhaftig zum Beispiel für Frauenförderung oder Frauenschutz eingesetzt. Wenn, dann nehmen Sie sich immer selektiv das heraus, was Ihnen passt. Und wenn, dann ist der Kampf für Rechtsstaatlichkeit ein Mittel zum Zweck, und der Zweck selbst ist der Nationalismus, der Sie zusammenhält, und der Sie auch auf internationaler Ebene zusammenhält.

 

Aber da haben Sie ein Problem: Der Nationalismus hält Sie einerseits zusammen, auf der anderen Seite ist das aber der Grund, warum Sie es nicht schaffen, auf europäischer Ebene zum Beispiel eine gemeinsame Fraktion zu gründen. Die rumänischen Nationalisten haben nämlich etwas gegen die deutschen Nationalisten, und die österreichischen Nationalisten haben anscheinend etwas gegen die bulgarischen Nationalisten, und somit haben sie es wieder nicht geschafft, eine eigene gemeinsame Fraktion im Europäischen Parlament zu finden.

 

Das ist meiner Meinung nach unglaublich bezeichnend! Sie sind einfach nicht in der Lage, weltoffen zu denken und meiner Meinung nach wirklich so zu denken, dass man Ihnen abnimmt, dass Sie dagegen sind, dass Erdogan kommt, weil sie so sehr an Rechtsstaatlichkeit und an Demokratie hängen. Ihnen ist einfach die Tatsache ein Graus, dass es sich um einen Türken und um einen Moslem handelt, und alles andere ist ihnen vollkommen wurscht. Es taugt Ihnen sogar, wenn sich die Leute untereinander die Schädel einhauen, denn das ist Ihr politisches Kapital. (GR Mag Wolfgang Jung: Jetzt reicht es aber! Jetzt ist ein Ordnungsruf fällig! Das ist wirklich ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Herr Jung! Warten Sie! Herr Jung! Soll man das wirklich diskutieren? (GR Mag Wolfgang Jung: Ja!) Soll man diskutieren, wozu Plakate führen wie zum Beispiel das mit der Aufschrift „Daham statt Islam“? (GR Mag Wolfgang Jung: Was hat das mit „Schädel einschlagen“ zu tun?) Glauben Sie, dass das dazu führt, dass die Menschen in Österreich harmonisch und positiv zusammenleben? Oder führt das eher dazu, dass die Menschen sich gegenseitig nicht mögen und vielleicht Vorurteile aufbauen? – Ich glaube, das ist eindeutig! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ihre gespielte Echauffierung über den Besuch des Herrn Ministerpräsidenten der Türkei, den ich überhaupt nicht schätze – ich habe mir auch nicht gewünscht, dass er kommt, aber er darf in einer freien Welt dorthin fahren, wo er will –, ist natürlich absolut unglaubwürdig! Ich erinnere nur daran, was hochrangige FPÖ-Vertreter, also Vertreter der Freiheitlichen Partei Österreichs, tun: So trifft sich etwa auch der Wiener Vorsitzende mit Typen wie Kadyrow, dem tschetschenischen Machthaber, einem absoluten Autokraten, der Menschen unterdrückt, und gibt ihnen vielleicht sogar noch Integrationsratschläge und so weiter.

 

Oder russische Nationalisten: Es gibt Putin-Unterstützer, Putin-Freunde, Putin-Anhimmler. Mit solchen Machthabern setzen Sie sich gerne auseinander! Sie statten einander mit serbischen Nationalisten – da gibt es richtige Freaks! – Besuche ab, besuchen sie im Ausland, laden sie hierher ein, unterstützen sie im Wahlkampf. – All das ist ja vollkommen fragwürdig!

 

Ich nehme Ihnen, wie gesagt, nicht ab, dass Sie sich wirklich echauffieren können über den Besuch irgendeines türkischen Ministerpräsidenten! Und es gibt auch aufrechte Beziehungen der Freiheitlichen Partei zu Belarus, also zu Weißrussland. Sie wissen wohl, was für ein Staat das ist beziehungsweise welches Regime es dort gibt. Trotzdem haben Sie mit denen anscheinend kein Problem!

 

Ich habe da meine These, warum nicht. Warum haben Sie mit denen kein Problem? – Weil der Nationalismus verbindet. Der Nationalismus verbindet Sie komischerweise – das klingt extrem paradox – über Grenzen hinweg, allerdings nicht so stark, dass man fähig wäre, eine gemeinsame Fraktion im EU-Parlament zu gründen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich behaupte einmal, dass Sie sich wahrscheinlich mit Erdogan auch treffen würden, wenn er nicht Türke und Moslem wäre. Dann wäre er wahrscheinlich auch ein unglaublich guter Freund der Freiheitlichen!

 

Ich erinnere nur daran, dass es natürlich auch kein Bruch mit der Geschichte der Freiheitlichen Partei ist, wenn Sie sich mit solchen Leute treffen, koordinieren und vielleicht sogar gegenseitig unterstützen, denn auch der Übervater der Freiheitlichen Jörg Haider hat sich unseres Wissens sehr gerne mit Muammar al-Gaddafi getroffen. Er war ein unglaublich guter Freund der LAR, vielleicht sogar verbandelt. (GR Mag Wolfgang Jung: Das war vor 30 Jahren!) Man weiß ja nicht, was da noch alles geschehen ist! Und natürlich war auch der von uns gegangene Saddam Hussein ein unglaublich guter Freund Ihrer Bewegung und auch Ihres Übervaters.

 

Das heißt: Hören Sie einfach auf damit, sich darüber zu echauffieren, dass Ministerpräsidenten demokratischer Länder nach Wien kommen! Wir mögen darüber

 

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