«  1  »

 

Gemeinderat, 54. Sitzung vom 24.06.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 49 von 81

 

diskutieren, ob solche Besuche gut oder falsch sind, ob sie konstruktiv oder destruktiv für unsere eigene Gesellschaft sind. Ich glaube, sie sind nicht gut. Aber es ist auf jeden Fall absolut nicht glaubwürdig, wenn Sie sich darüber echauffieren! (GR Mag Wolfgang Jung: Jetzt reicht es wirklich, alles was recht ist!) Ja, alles was „rechts“ ist, genau!

 

Kommen wir nun zum Grundthema, nämlich zum Thema Integration und Zusammenleben. Dieses Thema ist jedenfalls mir wichtig. Und ich postuliere und stelle die These auf, dass zu einer richtigen, guten und lebensnahen Integration drei Dinge gehören: Erstens müssen jene Menschen, die hierher kommen, Orientierung bekommen. Der zweite wichtige Punkt ist der Spracherwerb. Ich habe es am eigenen Leib erfahren, wie wichtig das ist. Und drittens nenne ich die Wertschätzung: Wertschätzung und Respekt muss es selbstverständlich auf beiden Seiten geben.

 

Reden wir einmal über die Orientierung in der ersten Phase: Das ist mir auch deswegen wichtig, und ich kann Ihnen das wirklich glaubwürdig erzählen, weil ich selbst mit sieben Jahren mit meinen Eltern und vier Geschwistern in dieses Land gekommen bin. Am Anfang war es wirklich nicht leicht, sich zurechtzufinden.

 

Wenn es damals schon solche Programme gegeben hätte wie heute, dann hätten es meine Mutter und mein Vater wahrscheinlich wesentlich leichter gehabt! Ich erinnere zum Beispiel an das Projekt „Start Wien“. Etwa 85 Prozent der Drittstaatsangehörigen haben diese Initiative bis jetzt durchlaufen. Das sind 17 300 Wienerinnen und Wiener seit Beginn, also seit 2008, und die Kundenzufriedenheit ist unglaublich hoch. Auf einer sechsteiligen Skala von eins bis sechs liegt die Note, die der Initiative „Start Wien“ gegeben wird, zwischen 1 und 1,5. Und ich glaube, dass dafür den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einmal ein ordentlicher Applaus gebührt! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Was geschieht im Rahmen dieses Projekts? – Einerseits gibt es ein Startcoaching, also die grundsätzliche Orientierung: Was ist Österreich? Wo befinde ich mich hier? Welche Grundregeln herrschen hier? Wie ist die Verfasstheit dieser Stadt? Und so weiter, und so fort. Info-Module sind dabei ganz wichtig.

 

Second Level: Auch das ist wichtig. Ich erkläre Ihnen nur ganz kurz, was das ist: Wenn jemand die Initiative „Start Wien“ durchschritten hat und sich unter Umständen nach einem halben Jahr, nach eineinhalb Jahren oder nach zwei Jahren irgendwo noch immer nicht gut auskennt und wichtige Fragen hat, dann kann er immer noch kommen und seine Fragen stellen, und er bekommt natürlich sämtliche Antworten der zuständigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

 

Ein ganz wichtiger Punkt ist der Spracherwerb. – Ich bin, wie gesagt, mit sieben Jahren nach Wien aus der damaligen Tschechoslowakei gekommen. Wir waren politische Flüchtlinge, und ich bin die ersten zwei Jahre in eine tschechische Schule gegangen. Ich glaube, einigen von Ihnen ist diese bekannt, sie ist im 3. Bezirk. Und ich habe es eigentlich nicht geschafft beziehungsweise habe es einfach nicht getan: Ich habe nicht wirklich Deutsch gesprochen. Es war nicht notwendig. Ich hatte tschechische Freunde und eine tschechische Familie, und auf dem Spielplatz habe ich auch eher mit tschechischen Kindern gespielt.

 

Als sich aber mein Bruder dann einmal am Knie verletzt hat und wir ins Krankenhaus mussten, hat meine Mutter nicht einmal gewusst, wie sie die Rettung ruft. Und das war der Grund, warum wir in eine deutschsprachige Schule gekommen sind. Ich habe dann zum Glück in zwei Monaten Deutsch gelernt. Kinder können das unglaublich gut. Aber erst dann hat meine Integrationsgeschichte in diesem Land begonnen.

 

Im Hinblick darauf glaube ich, dass es unglaublich wichtig ist, dass wir Menschen, die hierher kommen und Wiener und Wienerinnen sind oder werden, die Möglichkeit geben, Deutsch zu lernen. Das ist im Grunde der wichtigste Anknüpfungspunkt überhaupt!

 

Deswegen ist es mir absolut unverständlich, dass die Freiheitliche Partei, der die Integration und der Deutscherwerb angeblich so wichtig sind, in diesem Hause, jedenfalls seitdem ich hier sitze, nämlich seit November 2005, noch kein einziges Mal einem Sprachprogramm zugestimmt hat. – Das heißt, wenn sie bestimmt hätten, dann hätten wir heute keinen einzigen Deutschkurs und somit mindestens 17 300 Wienerinnen und Wiener weniger, die Deutsch können. Daher ist es gut, dass nicht Sie Integrationspolitik machen, sondern dass Sandra Frauenberger das tut! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Und das fällt natürlich auch nicht vom Himmel, das muss erkämpft werden. Das Wiener Budget ist natürlich nicht etwas, was man sich herbeiwünscht, sondern das muss man erkämpfen, und ich kann mir vorstellen, wie mühsam das ist. Es sind dafür mittlerweile sage und schreibe pro Jahr 6,5 Millionen EUR investiert worden, und das ist nicht nichts, und das trägt unheimlich viel dazu bei, dass unsere Gesellschaft langfristig besser und harmonischer zusammenlebt als noch gestern.

 

Noch etwas ist mir aber genauso wichtig – und da kann ich wiederum bei mir andocken –: Ich habe damals mit neun Jahren sehr schnell Deutsch gelernt, aber auch sehr schnell Tschechisch verlernt. Und es ist bis heute traurig für mich, dass es mir eigentlich peinlich ist, wenn ich mit meinen Verwandten in der Tschechischen Republik zu tun habe: Ich kann nämlich weder einen politischen und schon gar keinen wirtschaftspolitischen Diskurs führen, der aber sehr oft notwendig ist, weil meine Verwandten ein bisserl konservativ sind und so weiter. Das ist echt mühsam. (Zwischenruf von GRin Dr Jennifer Kickert.)

 

Ja, ich könnte es natürlich lernen, aber ich bin zu faul! Tschechisch lesen ist halt mühsamer als Deutsch lesen. Ich sollte es tun, aber ich tue es nicht. Man muss das schon im Kindesalter tun. Und man muss vor allem jene unterstützen und fördern, die es quasi von Natur aus mitnehmen: Türkische Kinder sollen Türkisch und natürlich Deutsch lernen, und ex-jugoslawische Kinder sollen Serbisch oder Kroatisch und natürlich Deutsch lernen. – All das ist ein großer Schatz, und diesen müssen wir pflegen. Das hat natürlich unglaublich positive Implikationen. Erstens ist das für die Sprachkompetenz

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular