Gemeinderat, 55. Sitzung vom 25.06.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 58 von 94
haben sich sehr wenige Gedanken gemacht, bei der Entstehung dieses STEP mit zu tun. Wenn man dabei war von der Stunde Null und mitbekommen hat, wer aller mitgemacht hat, welches Gehirnschmalz da hineingeflossen ist, wie breit die Partizipation war – da waren die Beamtinnen und Beamten, Expertinnen und Experten, Politikerinnen und Politiker, Bauträger, Stadt Wien, viele Betriebe, Wiener Linien, es gab sogar Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern –, wie detailliert das diskutiert worden ist und wie schwer es war, dann all diese Gedanken hineinzubringen, dann ist es, ehrlich gesagt, schon sehr verletzend, wenn Sie jetzt daherkommen und sagen, da haben wir jetzt so eine Broschüre, das hat Geld gekostet, irgendwelche Agenturen haben davon profitiert, und das ist sowieso alles ein Chaos.
Wir haben uns Gedanken gemacht über diese Stadt und über deren Zukunft. (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Was ist, Herr Jung? (GR Mag Wolfgang Jung: Ich werde nachschauen, welche Agenturen das waren!) Ach so. Na, schauen Sie nach. Vielleicht können Sie es mir nachher sagen. – Wir haben uns Gedanken gemacht über die Zukunft unserer Stadt und wie es tatsächlich im Jahr 2025 aussehen wird. Das ist gelungen, indem man sich auch die Fragen gestellt hat, welche Herausforderungen da sind. Es gibt ein arabisches Sprichwort, ich sage es jetzt bewusst auf Arabisch, ich hoffe, Sie verzeihen mir das (Der Redner zitiert das Sprichwort auf Arabisch und übersetzt es dann wie folgt): „Die Kunst, eine Frage richtig zu stellen, ist schon die halbe Antwort.“ Das heißt, wir haben uns wirklich in einer Art Brainstorming, an dem alle Beteiligten teilnahmen, Fragen stellen lassen, und ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, die Fragen waren sehr kompliziert, und auf komplizierte Fragen gibt es auch nur differenzierte Antworten.
Es ist nicht immer so dieses Schwarz-Weiß, da schreiben wir jetzt etwas hinein, und das wird dann ganz genau bis zum letzten Detail eingehalten – der Herr Dworak sieht da einen Spielraum –, sondern wir müssen uns einfach den Herausforderungen einer wachsenden Stadt stellen und auch auf unerwartete Entwicklungen Antworten haben. Deshalb ist es jetzt auch wirklich müßig, in der Debatte heute im Gemeinderat ins Detail zu gehen und sich von Seestadt Aspern bis ich weiß nicht, was alles im Detail anzuschauen. Hier können wir nur das Allgemeine festhalten. (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.)
Mich wundert es ja nur, Herr Jung, Ihre Fraktion hat sich weder im Ausschuss zu Wort gemeldet noch in der Stadtentwicklungskommission. Dort sitzen wir, dort diskutieren wir über alles Mögliche, es kommt kein Wort (GR Mag Wolfgang Jung hält ein Blatt Papier in die Höhe.), es kommt nur am Ende eine blaue Karte bei Nein. Die ÖVP ist hie und da differenziert. Sie haben für jedes Zielentwicklungsgebiet mit Nein gestimmt, ohne etwas zu sagen. Sie haben niemals etwas eingebracht als Information, aber nachher stellen Sie sich hierher und sagen, das ist alles ein Chaos. Hättet ihr euch gemeldet, hättet ihr gesagt, was eure Wünsche sind, was wir anders machen können, wie wir etwas anders planen können. Es ist einfach nichts gekommen. (GR Mag Wolfgang Jung: Herr Kollege, was wir im Ausschuss sagen, interessiert Sie ja gar nicht!)
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen uns heute drei Dinge vor Augen führen: Wir brauchen Klarsicht, wir brauchen Weitsicht und wir brauchen Mut.
Zur Klarsicht gehört die Erkenntnis, dass Wien wächst, und Wien wächst durch eine Zuwanderung, die wir auch nicht verhindern können. Jedes Mal, wenn ihr nur das Wort Zuwanderung hört, kommt so irgendwie ein schlagartiger Reflex (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung) – ich sage jetzt nicht, welcher Reflex, sonst gibt es vielleicht einen Ordnungsruf –, aber wir reden hier ja auch von inländischer Zuwanderung. Das sind Zuwanderinnen und Zuwanderer aus Kärnten, aus der Steiermark, aus der EU, von wo auch immer. Das ist einfach Fakt.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Wir verschließen die Augen und sagen, es ist uns wurscht, dann haben wir Verhältnisse wie die Stadt Sylt oder wie, laut HRW, München, oder wir müssen darauf reagieren und sagen, wir müssen etwas machen. Wir haben gesagt, wir bekennen uns zum Grünraum, Herr Irschik, und Grünraum heißt ja nur, dass 50 Prozent der Stadt Grünraum sein sollen, aber das heißt doch nicht, dass nirgends mehr Grünraum vernichtet wird. Wo bauen wir denn? In der Luft? Natürlich ist vielleicht auf einem Grundstück, das jetzt schon gewidmet ist, jetzt eine Wiese und nachher wird dort gebaut und natürlich wird auch Grünraum vernichtet. Aber das Wesentliche ist natürlich, dass wir gesagt haben, 50 Prozent der Stadt soll grün bleiben. Aber wir sind bitte eine Stadt und nicht am Land, und wer in einer Stadt lebt, muss das einfach zur Kenntnis nehmen.
Wir müssen die Klarsicht haben, dass wir beschränkte Ressourcen haben. Diese Ressourcen sind finanzielle Mittel, aber auch Grundstücke, und die sind nicht unendlich generierbar. Mit dieser Klarsicht und mit dieser Feststellung müssen wir leben, das müssen wir erkennen. Und wir müssen auch wissen, dass die Stadt Wien in einer wachsenden Region liegt, dass wir nicht alleine in der Welt stehen. Da gibt es noch die Umfeldregionen, und da gibt es auch noch die Centrope-Regionen. Wien muss sich auch mit Niederösterreich und Burgenland und muss sich natürlich auch mit den Herausforderungen, die Bratislava und anderen Bereiche haben, beschäftigen.
Die Weitsicht, die wir haben müssen, ist, dass wir heute Entscheidungen treffen, die für Generationen in der Zukunft eine Bedeutung haben. Wir entscheiden heute teilweise für Menschen, die noch nicht einmal geboren sind, und wir entscheiden auch für Lebensentwürfe, die wir noch gar nicht kennen. Das ist nicht leicht, das ist eine Riesenverantwortung, die man nicht einfach auf die leichte Schulter nehmen kann. Deswegen müssen wir uns auch klar darüber sein, dass wir Wertvolles bewahren, Erhaltenswertes sanieren und Überkommenes transformieren müssen. Dieses Transformieren bezieht sich etwa auf Industriebrachen, auf einen nicht mehr gebrauchten Flughafen in Aspern, auf ein Bahnhofsareal, wo früher Güter rangiert worden sind. Das ist so, und diese Transformation müssen wir einfach vor
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