Gemeinderat, 59. Sitzung vom 24.11.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 110
der Wirtschaftsleistung, des BIP, 2013 waren es 174,9 Prozent! In Spanien betrug der Schuldenstand im Jahr 2007 35,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, nach harten Sparauflagen hat Spanien heute einen 3 Mal so hohen Schuldenstand, nämlich rund 92 Prozent, und für Portugal gilt dasselbe: Dort gab es einen Anstieg von 68,4 Prozent des BIP im Jahr 2007 nach einem harten Sparkurs 6 Jahre später auf 128 Prozent, also eine Verdoppelung. – Wo war der Erfolg der konservativen Sparpolitik?
Nehmen wir ein anderes Argument: Die Konservativen und Neoliberalen haben gesagt, Griechenland & Co müssen sparen, damit es wieder Wachstum gibt. – Werfen wir einen Blick auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts: In Griechenland ist die Wirtschaft seit 2008 jedes Jahr deutlich geschrumpft, etwa 2011 um unglaubliche 7,1 Prozent, und bis jetzt gibt es dort nach wie vor eine Negativentwicklung. Dasselbe gilt für Spanien: Dort ist das BIP im vergangenen Jahr um 1,2 Prozent zurückgegangen, und in Portugal gab es ebenfalls eine Rezession: 2012 ist die Wirtschaft um 3,2 Prozent und 2013 um 1,4 Prozent zurückgegangen. Wiederum frage ich: Wo ist der Erfolg der Austeritätspolitik?
Nehmen wir noch ein Argument: Die Konservativen und Liberalen haben gesagt, Griechenland & Co müssen für eine gesunde Wirtschaft sparen. – Dann schauen wir uns einmal die Wirtschaftsleistung an! Griechenlands Wirtschaftsleistung ist heute auf dem Stand des Jahres 2000, Portugals Wirtschaft grundelt ebenfalls auf dem Niveau der Wirtschaftsleistung des Jahres 2000, und Spaniens BIP ist so niedrig wie im Jahr 2005. In allen drei Ländern sind das wirtschaftspolitisch verlorene Jahre! Und noch einmal frage ich: Wo ist der Erfolg der harten europäischen Sparpolitik?
Sie sehen, mit klaren Zahlen und Fakten belegt: Der Wohlstand in diesen Ländern hat sich massiv reduziert. – Das kann doch nicht unser Ziel sein! Statt Banken klare Regeln zu geben, statt die Verursacher der Krise zu belangen, statt astronomische Vermögen zu besteuern, haben die Menschen die Zeche bezahlt, und zwar nicht ein Mal, nicht zwei Mal, sondern mittlerweile zum dritten Mal durch Einkommensverluste, Schnitte ins soziale Netz und vor allem durch hohe Arbeitslosigkeit! In Spanien, Griechenland und Portugal ist jeder zweite Jugendliche arbeitslos. Eine ganze Generation geht dort verloren, eine Generation, die sich nichts zu Schulden kommen lassen hat. – Das kann nicht unser Ziel und unsere politische Zukunft sein!
Deswegen sage ich: Wir stehen vor einer Zäsur beziehungsweise vor einer Weggabelung, und wir müssen den Weg der Vernunft einschlagen, der uns in Europa wieder auf die Beine bringt. Wir brauchen eine Politik für mehr Wohlstand, für sozialen Zusammenhalt und für mehr Wachstum.
Wie können wir das erreichen? – Erstens müssen wir mehr öffentliche Investitionen ermöglichen, denn keine Wirtschaftskrise in der Geschichte wurde durch einseitiges Sparen überwunden, sondern immer durch Wachstum. Deswegen setze ich mich dafür ein, dass wir in Europa Zukunftsinvestitionen aus dem Stabilitätspakt herausnehmen, um so wieder Wachstumsimpulse setzen zu können. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Zweitens müssen wir Schritt für Schritt das Einnahmensystem neu organisieren und den Faktor Arbeit entlasten. Darum freue ich mich, dass die Steuerreform in Österreich jetzt Konturen annimmt, denn wir brauchen dringend eine echte Entlastung der mittleren und unteren Einkommen, damit vor allem der Binnenkonsum wieder in Schwung kommt. Und bei der Gegenfinanzierung müssen selbstverständlich hohe Kapitalvermögen mit einbezogen werden. Es ist genug Geld vorhanden, es ist genug Vermögen da, denn wir werden als Gesellschaft Jahr für Jahr reicher. Allerdings geht der Zuwachs vor allem auf die Kappe jener, die ohnehin schon sehr viel besitzen.
Ja. Ich bin der Überzeugung, dass hohe Vermögen auch zum gesellschaftlichen Wohlstand beitragen müssen. Es kann nicht sein, dass 1 Prozent der Bevölkerung in Österreich 40 Prozent des Privatvermögens besitzt, aber diese Vermögen kaum von Steuern und Abgaben erfasst werden. Ich sage: Leistung muss sich wieder lohnen! Beim Erben leistet man nichts, beim Arbeiten hingegen sehr wohl! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass wir den Betrug am Steuerzahler und das Sozialdumping stoppen. Es kann nicht sein, dass Großkonzerne in manchen Ländern mit Hilfe fragwürdiger Methoden kaum Steuer zahlen! Und es kann auch nicht sein, dass sich Firmen Wettbewerbsvorteile verschaffen, indem sie Sozialstandards unterlaufen. Deswegen habe ich gemeinsam mit Sozialminister Hundstorfer für Anfang 2015 einen Sozialpartnergipfel in Wien vereinbart, damit wir erörtern können, wie wir das neue Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz in Wien am besten umsetzen.
Es ist nämlich klar, dass wir zum Schutz der Wiener ArbeitnehmerInnen und der anständigen Betriebe nicht tolerieren, wenn sich einzelne Unternehmungen durch Lohn- und Sozialdumping gegenüber seriösen Betrieben einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Mir ist wichtig, dass in Wien gut abgesicherte und anständig bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden.
Das gilt allerdings offensichtlich nicht für alle hier im Raum, denn eine Fraktion, nämlich die FPÖ, hat im Nationalrat gegen diesen verstärkten Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping gestimmt. Aber das ist ja nichts Neues! Sie schreien immer laut Zeter und Mordio, doch wenn es um Lösungen geht, machen Sie einen Rückzieher. Verantwortungsvolle Politik, sehr geehrte Damen und Herren, schaut anders aus! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass immer mehr Stimmen laut werden, die hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Grundsätze eine Wende fordern. Ja. Es sind progressive Kräfte federführend, allen voran unser Herr Bürgermeister und unser Herr Bundeskanzler, die diesbezüglich eine wichtige Rolle einnehmen. Sie haben bereits erfolgreich eine Allianz mit Martin Schulz, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, und dem deutschen Vizekanzler Sigmar Gabriel geschmiedet.
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