Gemeinderat, 59. Sitzung vom 24.11.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 110
Aber auch immer mehr Konservativen dämmert die Erkenntnis, dass einseitige Sparpolitik uns nur die Substanz nimmt, und auch sie rufen nach immer mehr Investitionen. Ich darf Ihnen ein paar Beispiele nennen.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat ein Investitionsprogramm für Infrastruktur angekündigt. Auch wenn dieses im internationalen Vergleich noch etwas gering dimensioniert ausfällt, ist das ein Paradigmenwechsel in der deutschen Politik. Im „Economist“ – der auch nicht gerade als sozialistisches Kampfblatt verschrien ist – wird Europa aufgefordert, das selbstzerstörerische Treiben zu stoppen, und werden jetzt vor allem Investitionen in Infrastruktur gefordert. Ähnlich sieht das mittlerweile auch Christine Lagarde vom Internationalen Währungsfonds: Auch sie empfiehlt gerade jetzt, in Infrastruktur zu investieren.
Ich könnte die Liste noch beliebig fortführen, aber ich denke, man sieht jedenfalls deutlich, dass sich hier in den nächsten Wochen und Monaten etwas ändern muss.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wie beeinflussen all diese Dinge unsere Budgeterstellung? – Natürlich sehr massiv! Und ich möchte Ihnen kurz schildern, mit welchen vier zentralen Herausforderungen wir bei der Erstellung des Budgets 2015 konfrontiert waren.
Zum einen sehen wir, dass sich die Konjunktur weiter abschwächt. Die Wirtschaftsprognosen der vergangenen Jahre sind leider zuverlässig danebengelegen. Im Jahr 2013 lagen die Prognosen um 1,3 Prozent über der tatsächlichen Entwicklung, 2014 um 1,2 Prozent. Und auch 2015 stehen wir schon wieder vor der Situation, dass die Prognosen bereits um 1 Prozent revidiert wurden und weiter nach unten korrigiert werden.
Derzeit ist davon auszugehen, dass die Wirtschaft 2015 kaum wachsen wird. Das hat massive Auswirkungen auf unser Budget. So ist die Wirtschaftsleistung in Wien allein seit Beginn der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 um rund 7,5 Milliarden EUR gegenüber dem zu erwartenden durchschnittlichen Konjunkturverlauf eingebrochen. Konservativ geschätzt hatten wir seit Ausbruch der Wirtschaftskrise Mindereinnahmen von 2,5 Milliarden. Allein 2013 sind es über 800 Millionen, die uns an Einnahmen entgangen sind.
Sehr geehrte Damen und Herren! Von einer so dramatischen Entwicklung bleibt kein Budget unberührt! Und gerade angesichts der aktuellen Prognosen mit Nullwachstum brauchen wir wieder kräftige Investitionen, damit – auf gut Wienerisch gesagt – das Werkel läuft.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben aber auch noch einen weiteren schweren, spezifischen österreichischen Rucksack zu tragen. Ich sage nur: Hypo Alpe-Adria. Sehr geehrte Damen und Herren von der FPÖ! Dieser Skandal und diese unglaubliche Geldvernichtung haben Adresse und Namen, nämlich Ihren! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Wir alle hätten in Wien und in Österreich viel mehr budgetären Spielraum und könnten viel mehr Zukunftsinvestitionen tätigen, müssten nicht alle Österreicherinnen und Österreicher für dieses desaströste Missmanagement zahlen! Aus dem Bankenhilfspaket mussten bis Anfang dieses Jahres 4,8 Milliarden EUR für das Hypo-Desaster aufgewendet werden, eine Summe, die wir dringend für die so notwendige Steuerreform brauchen würden! – Man sieht, was passiert, wenn die FPÖ Regierungsverantwortung trägt. Ihre Arbeit hat wirklich nachhaltige Auswirkungen! (GR Mag Dr Alfred Wansch: Danke für den Untersuchungsausschuss!) Teuer für die Steuerzahler, viel Arbeit für die Gerichte! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. – GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Werden Sie auch über das Wiener Budget reden?)
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme zu einer weiteren, allerdings erfreulichen Herausforderung, die der Erstellung des Wiener Budgets zu Grunde gelegen ist. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Bravo! Zumindest zehn Minuten!) Ich erwarte nicht, dass Sie alles verstehen, Herr Kollege, wir wollen nicht übertreiben! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Ich komme zu der erfreulichen Herausforderung, vor der wir stehen. Wien ist so attraktiv, dass immer mehr Menschen aus anderen Ländern und aus anderen Bundesländern zu uns kommen. Dazu gibt es einen deutlichen Geburtenüberschuss. Das allein führt dazu, dass wir heute um 240 000 Einwohner und Einwohnerinnen mehr haben als vor 14 Jahren. Und Wien wächst weiter. 2029 werden wir über 2 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen haben. Wir können dieses Wachstum nur bedingt steuern. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Genau!) Wir können dieses Wachstum aber gut begleiten, gestalten und die Chancen ergreifen, die uns dieses Wachstum bietet.
Sehr geehrte Damen und Herren! Halten wir uns einmal kurz vor Augen, was denn die Alternative zur wachsenden Stadt wäre! – Die schrumpfende Stadt! Und eine solche Entwicklung wäre heute fatal, denn das würde sinkenden Konsum, weniger Steuereinnahmen, Abwanderung der besten Köpfe, weniger junge Menschen bedeuten, und das hätte enorme Auswirkungen auf die Sozial- und Pensionssysteme!
Meine Damen und Herren! Wien wird in allernächster Zeit das jüngste Bundesland sein, und diese Entwicklung bringt Dynamik. Der hohe Anteil an jungen Menschen bringt Dynamik und Lebendigkeit in die Stadt, aber das stellt natürlich auch große Herausforderungen an die Infrastruktur, und Letztere fällt nicht vom Himmel, sondern muss finanziert werden, und damit komme ich zum Punkt Nummer 4.
Gerade diese Finanzierung ist sehr schwierig. Der europäische Stabilitätspakt hat sich als Korsett für die europäische Wirtschaft erwiesen. Die einseitige Auslegung auf Währungsstabilität bremst Investitionen, hemmt Wachstum und fesselt so die europäische Wirtschaft.
Meine Damen und Herren! Kluge antizyklische Wirtschaftspolitik ist das Gebot der Stunde. Deshalb muss es Änderungen im Stabilitätspakt geben. Für den Aufschwung müssen künftig nachhaltige und langfristige Zukunftsinvestitionen aus dem Stabi-Pakt herausgenommen werden. Nur dadurch schaffen wir die Wachstumsimpulse, wovon wir alle profitieren. Das Motto muss lauten „Kurbeln statt Däumchendrehen“! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Wir in Wien beherzigen das. Wir drehen den Investi
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