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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 24.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 110

 

Das ist das Gegenteil von dem, was jetzt erwünscht wäre.

 

Andere Möglichkeiten? - Gehen wir sie kurz durch.

 

Eine weitere Abwertung des Euro im Vergleich zu anderen Währungen: Beschränkter Erfolg, würde ich sagen, weil die Eurozone als Ganzes ein weitgehend geschlossenes System insofern ist, als ja der größere Teil des Eurozonenhandels innerhalb der Eurozone stattfindet, daher eine Abwertung relativ, ich will nicht sagen, wirkungslos ist, aber in ihrer Wirkung weitgehend verpufft.

 

Na ja, und von den klassischen Instrumenten, wenn die Geldpolitik ausfällt und die Abwertung nicht viel bringt - sie passiert eh ein bisschen, wie wir beobachten können, jedenfalls hinsichtlich des Dollars -, bleibt dann noch die klassische Fiskalpolitik. Es bleibt die klassische Fiskalpolitik, und da bringt es nichts, alle drei Minuten zu beschwören, dass der Schuldenberg zu hoch ist. Ja Herr Gott noch einmal, haben Sie die Wirtschaftslage irgendwie im Auge? Die Arbeitslosensituation hat auch mit der derzeitigen Wirtschaftslage etwas zu tun! Da fehlt ganz offensichtlich Nachfrage! (GR Mag Wolfgang Jung: Die kann man nicht erzwingen!)

 

Die Ersparnisse sind im Vergleich zu den Investitionen zu hoch. In so einer Situation gibt es im Wesentlichen nur zwei Möglichkeiten: Entweder kommt die fehlende Nachfrage aus dem Ausland, es erfolgen also Exporte - was derzeit aber beschränkt der Fall ist, weil es allen anderen Ländern auch nicht so großartig geht, von China einmal abgesehen -, oder in Form der öffentlichen Nachfrage. Das ist simpler Saldenmechanismus in der Makroökonomie. (StR DDr Eduard Schock: Aber, Herr Professor, das zeigt doch nur, dass der Euro eigentlich eine Fehlgeburt ist und dass diese Politik nicht auf alle Volkswirtschaften anwendbar ist!)

 

Das wird vielleicht eh passieren. Wenn sich Ihre Meinung durchsetzt, dann ist die Zukunft der Eurozone besiegelt. Na ja, das schau ich mir dann an, was wir für Probleme im Übergang haben werden: Einführung von - wie viele Länder haben wir jetzt in der Eurozone? - 18 neuen Währungen. Oder 19? Haben Sie sich jemals den Kopf darüber zerbrochen, dass es zehn Jahre Vorbereitung gebraucht hat, um von den nationalen Währungen zu einer Währungszone überzugehen? Und jetzt tun Sie das über Nacht? Über Nacht werden Sie das wieder abschaffen, und alles wird rosig sein?! (GR Mag Wolfgang Jung: Es wird eh ein paar schleudern!) - Hoffentlich muss ich das nicht erleben. Aber Ihnen wünsche ich, falls Sie es doch erleben, dass Sie die Zeche dafür bezahlen müssen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. – GR Mag Wolfgang Jung: Jetzt zahlen wir ja die Zeche!)

 

StRin Brauner hat sehr richtig darauf verwiesen, dass es in dieser Situation jedenfalls darum geht, die öffentlichen Investitionen nicht einzuschränken, sondern auszuweiten - das kann ich nur vollinhaltlich unterschreiben - im Rahmen des Möglichen, was Wien tun kann.

 

Sie hat auch darauf verwiesen, dass der private Konsum über eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer bei den unteren und mittleren Einkommen anzukurbeln wäre. Das ist auch vollkommen richtig, mit dem Zusatz - Klammer auf -: Für die untersten Einkommen muss man auch etwas tun, denn die zahlen bekanntlich keine Lohnsteuer. - Klammer zu. Das Problem ist nur, wie wir alle wissen: Das ist Bundesangelegenheit. Wien kann etwas machen im Bereich der öffentlichen Investitionen. Wien kann eine Spur großzügig sein bei der Erhöhung des Schuldenstands - das ist eine Folge dieser Politik, und ich stehe dazu.

 

Und was dieses ewige Gejammer betrifft: Haben Sie sich jemals vorgerechnet - oder gar nicht vorgerechnet, aber vorgestellt -, Wien hat doch auf der anderen Seite Vermögen! Herr Neuhuber, Sie vergleichen Wien immer mit einem großen Konzern. (GR Univ-Prof Dr Herbert Eisenstein: … die AVZ!) Ich rede jetzt nicht von der Privatisierung, ich rede vom Vermögensstand. (GR Mag Alexander Neuhuber: Bilanzieren! … würden gerne bilanzieren!) Genau! Na ja, versuchen wir einmal, das zu bilanzieren! Wie viel sind 220 000 Gemeindewohnungen wert? (GR Mag Wolfgang Jung: Nur so viel, wie sie wert sind, wenn man sie verkaufen würde! Aber das wollen wir nicht!)

 

Na, was sagen wir? - Im Schnitt sind sie ja nicht sehr groß, im Schnitt sind es keine Luxuswohnungen. Nur um einmal eine Größenordnung zu bekommen: 100 000 EUR pro Wohnung, ist das okay? (StR DDr Eduard Schock: Die sind unverkäuflich, Herr Professor! Die sind unverkäuflich!) - Also Sie würden 220 000 Wohnungen in der Bilanz der Gemeinde Wien mit null ansetzen als Wert, weil sie eh unverkäuflich sind? (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN. – Ruf bei der FPÖ: … schönreden!) - Das tue ich nicht. (StR DDr Eduard Schock: Die Aktiva haben sich nicht verändert, Herr Professor! Aber die Bilanz ist das Wesentliche!)

 

Wo ich den Optimismus von Frau StRin Brauner nicht ganz teile, das ist in Bezug auf die Situation in Deutschland. Es ist zwar richtig, dass es jetzt kleine Signale von Minister Schäuble gibt, eine Spur großzügiger zu sein und bei den öffentlichen Investitionen etwas zu machen. Aber wenn Sie sich die Größenordnungen anschauen, von denen da die Rede ist, so ist das viel weniger als 1 Prozent des BIP, verteilt auf 2 oder 3 Jahre - erstens. Zweitens: Ein reiches Land wie Deutschland leistet sich, jetzt über zehn Jahre hinweg weniger zu investieren, als die Abschreibungen bei den öffentlichen Investitionen ausmachen. Das heißt, der Bestand an Straßen, Brücken und was es alles gibt an öffentlicher Infrastruktur wird in Deutschland jahraus, jahrein geringer. Ich halte das für keine besonders vernünftige Politik, ganz im Gegenteil.

 

Da könnte man noch sagen, na gut, die Deutschen sollen mit ihrem Vermögen machen, was sie wollen, das geht uns nichts an. - Ja wenn es so wäre! Die Deutschen haben eine unleidliche Eigenschaft, nämlich das, was sie im eigenen Land machen, allen anderen auch, sagen wir einmal, dringend anheimzustellen - um kein schärferes Wort zu gebrauchen. (GR Mag Wolfgang Jung: Die dumme Eigenschaft ist, dass sie für die anderen zahlen, Herr Professor! Das ist die dumme Eigenschaft!) Und wenn sich das auf europäischer Ebene durchsetzt, so wie es sich in den letzten vier Jahren durchgesetzt hat,

 

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