Gemeinderat, 59. Sitzung vom 25.11.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 41 von 79
raum, Stadtraum für die baulich expansivste Phase in Wiens gesamter Stadtgeschichte zur Verfügung stellen. Um gleich mit einem gar nicht unwesentlichen ... (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Gründerzeit! Gründerzeit!) Nein, baulich expansiv, baulich. In der Gründerzeit war pro Kopf die Zuwanderung höher. Damals gab‘s hier in unserer Stadt 200 000 Obdachlose und in einer kleinen Wohnung gab es Überbelege in entsetzlicher Weise. Das heißt, heute haben wir diese Situation nicht. Wir werden sie auch nicht wieder bekommen. (GR Mag Wolfgang Jung: Gibt es schon auch!) Aber baulich müssen wir heute deutlich mehr errichten als bisher.
Nun möchte ich einmal der positiven Analyse des Kollegen Walter zustimmen, ohne Aber. Auch den Antrag der ÖVP über die Normendichte finde ich überlegenswert. Richtigerweise ist in dem Antrag auch die Bundesregierung apostrophiert. Ich teile diese Analyse, dass neben den rechtlichen, baurechtlichen, gesetzlichen Rahmenbedingungen eher so unter der Decke etwas gewachsen ist, das von der Öffentlichkeit und vor allem von der Demokratie überhaupt nicht gesteuert war, und ich würde das fast noch schärfer sagen als der Kollege Walter, wo nicht nur, aber auch, durch Vertreter von Industriebetrieben, auch um ihr Geschäft, um ihre Absatzmöglichkeiten anzukurbeln, sich unter dem Thema Sicherheit, Brandschutz mit ganz vielen Maßnahmen ein Normenwesen breit gemacht hat, das oft allzu leichtfertig übernommen wurde und jedenfalls zu einem führt, dass vieles enorm teuer gemacht wird und es in der Tat sinnvoll wäre zu hinterfragen, ob dieses Normenwesen nicht vielleicht die Ziele, die es vorgibt und die ja richtig sind, Barrierefreiheit, Brandschutz, vieles andere, mit geringerem technologischen Aufwand und Produktaufwand erreichen könnte und damit auch das Bauen einfacher macht. Ich war erst neulich bei einem großen Gebäude, wo aus Normengründen eine Sprinkleranlage im Freien installiert werden musste. Also ja, auch in Rücksprache mit dem Koalitionspartner, ich glaube, dass das ein Antrag ist, der überlegenswert ist.
Wenn wir hier den Wiener Wohnbau betrachten, dann glaube ich, sollten wir einmal mit einem gewissen Stolz auf all das sehen, wo wir Früchte ernten, gar nicht so von unseren Eltern als von unseren Großeltern und Urgroßeltern. Dass aus der ganzen Welt nach Wien gekommen wird, da gibt es einmal eine enorme Errungenschaft, und die gilt es nicht nur zu verteidigen, sondern auszubauen. In Wien kannst du in jedem Bezirk leben, ungeachtet deiner sozialen Herkunft, deines sozialen Status.
Wie wir wissen, gibt es nur sehr wenige Großstädte, die das auch haben. Das hat damit zu tun, dass vor allem in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts massiv die öffentliche Hand selber Gemeindebauten errichtet hat, es eine sehr starke Regulierung eines gemeinnützigen Wohnungssektors ist, die noch immer aufrecht ist, die ich positiv sehe und die ich einmal genannt habe. Die Gemeinnützigkeit ist eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften, dass nämlich, verkürzt gesagt, das Geld, das Mieterinnen und Mieter zahlen, im Haus bleibt und nicht herausgezogen wird. Schauen wir uns nur die Neuvermietungen an, dann wissen wir, dass die günstigen Mieten Gemeindemieten und vor allem abgeschriebene Genossenschaftsbauten sind und die Neuvermietungen im Bereich des privaten Wohnungssektors signifikant darüber liegen. Angesichts der Zahl, 57 Prozent der Wohnungen in Wien sind gemeinnützig oder Gemeinde, ist das eine Basis, auf die wir mit einer gewissen historischen Dankbarkeit aufbauen können, weil so etwas ist ja nicht in drei Jahren errichtet, weder von den Regulativen der Gemeinnützigkeit noch von den Häusern. Wir sollen aber darauf achten, diesen Anteil nicht abzusenken, sondern diesen Anteil weiter zu erhöhen. Er dient, da hat auch der Kollege Walter recht, Einrichtungen wie dem Wohnfonds, der sich bemüht, günstigen Wohnraum, günstigen Grund und Boden zu bekommen. Das ist ja ganz wichtig. Es sind auch sehr viele Liegenschaften vorhanden, nur nützt es mir nichts, um es gleich ein bissel zu relativieren, irgendwo eine Liegenschaft zu haben, die der Stadt gehört langfristig. Es geht darum, dort auch eine öffentliche Infrastruktur, Straßenbahnen, U-Bahnen, Schnellbahnen, Schulen, Kindergärten, Straßen, Gehwege, Grünräume zu haben. Also du kannst ja nicht irgendwo auf die grüne Wiese oder auf eine Brache eine Wohnung setzen. Deswegen ist es notwendig, das sorgfältig zu entwickeln.
Eines ist aber schon interessant, weil jetzt immer wieder die Begrifflichkeit der Dichte und erhöhten Dichte als eine Lösung im Raum steht, und wir sind Anhänger dieser Dichtediskussion. Interessant ist, je älter eine Siedlungsform, und ich füge hinzu, je touristisch interessanter, desto dichter. Das mittelalterliche Wien, also der 1. Bezirk, ist der baulich dichteste Bezirk Wiens, obwohl leider, leider, das ist ein Sonderproblem, das kann ich beim Wohnbau nicht streifen, die Einwohnerzahl dort signifikant zurückgeht. Ein bisschen geht sie auch im 13. zurück, sonst wächst sie in allen Bezirken. Dann kommt das gründerzeitliche Wien, das nicht mehr so dicht wie die mittelalterliche Stadt wirkt, und dann kommt der große Bruch des 20. Jahrhunderts mit sehr großzügigen, wenig dichten Bebauungen. Und ja, dort gibt es ein beträchtliches Nachverdichtungspotenzial. Der Antrag, den der Herr Kollege Walter angesprochen hat, ist nur eines. Aber unterschätzten wir das nicht, was diese riesigen Einkaufsmöglichkeiten für Varianten, für Möglichkeiten bieten.
Eines vielleicht noch zu dem Antrag, den ihr gestern eingebracht habt. Interessant finde ich schon, und das sage ich jetzt einfach ohne Polemik, weil es Verantwortungsbereitschaft widerspiegelt: Überall dort, wo es nur irgendeinen Hauch von Protest bei neuen Bebauungen gibt, ist die ÖVP bei der Sache, die entsprechenden Widmungen abzulehnen. Der Kollege Stiftner kommt hier ohnehin noch zum Wort. Ich sage jetzt nur ein Beispiel eines hervorragenden Kompromisses am Rande des Otto-Wagner-Spitals. Dort werden nicht Luxuswohnungen errichtet, sondern über einen gemeinnützigen Wohnbauträger … (Aufregung bei der FPÖ.) Wir werden uns, glaube ich, auch in vielen, vielen Tagen nicht einigen. Aber ich versuche es bei der ÖVP. Ja, das ist dort auch mit Protesten verbunden. Meine Erfahrung mit
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