Gemeinderat, 60. Sitzung vom 26.11.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 53
mich wirklich herzlich bedanken. Ich habe nicht erwartet, eine so lustige Argumentation gegen die Abschaffung des Lateinunterrichts in der Schule zu hören, wie das, was ich jetzt gehört habe. Ich werde mir noch einmal überlegen, ob ich diesen Vorschlag aufrechterhalte, angesichts dessen, dass man Latein, was ich nicht vermutet habe, im politischen Alltag doch auch gebrauchen kann.
Was die eigentliche Frage betrifft: Ich habe diese Klagen von gemeinnützigen Wohnbauträgern eigentlich nicht gehört. Andere schon, nämlich die Frage der Verfügbarkeit, aber natürlich auch der Preise. Ich bin durchaus der Auffassung, dass Grund und Boden, wenn ich das jetzt auch nicht breit ausführe, sondern lediglich mit Stichworten wie etwa Flächenrecycling – damit meine ich sowohl Industrieflächen als auch Bahnhofflächen und vieles andere – und dem Zauberwort Verdichtung versehe – das ja in allen unseren Publikationen und Überlegungen auch drinnensteht –, in hinreichendem Ausmaß vorhanden ist. Natürlich gibt es Flächen in unserer Stadt, da nehme ich jetzt die Vorstadt wie etwa den Wilhelminenberg in meinem Heimatbezirk – nachdem der Stadtrat schon die transdanubischen Bezirke zitiert hat – gar nicht aus, wo Grund und Boden natürlich so teuer ist, dass er für geförderten Wohnbau nicht mehr in Frage kommt. So etwas gibt es, das ist gar keine Frage. Aber das Zentralproblem für den Wohnbau in unserer Stadt ist das nicht. Das muss man auch in aller Offenheit sagen. Daher sehe ich, wie du das ja in einer zweiten Wortmeldung auch begründet hast, zur Stunde keinen Anlass, auf dieses alte Gesetz zu rekurrieren, und ich sehe keinen Anlass für eine Enteignungsdiskussion.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. – Die 3. Zusatzfrage stellt GR Prof Dr Eisenstein. – Bitte.
GR Univ-Prof Dr Herbert Eisenstein (Klub der Wiener Freiheitlichen): Guten Morgen, Herr Bürgermeister!
Ich komme auf den springenden Punkt, ich werde keine zwei Minuten brauchen, Herr Vorsitzender. Eigentlich geht es um die Wohnraumbeschaffung. Und da gibt es bei den Fraktionen in diesem Haus jetzt einmal grundsätzlich zwei Aussagen. Die eine Aussage lautet: An sich hat die Gemeinde Wien noch genügend Flächen für Wohnraum zur Verfügung. Sinngemäß so der Herr StR Ludwig, ich schließe mich dem im Großen und Ganzen an und glaube ihm das. Dann gibt es eine zweite Aussage: Eigentlich wird das Ganze schon knapp und es ist alles ganz furchtbar, und so weiter. Im Zusammenhang mit dieser zweiten Aussage ist auch die Forderung gefallen, doch bereits vorhandene Gebäude – im weitesten Sinn – aufzustocken. Von Garagen war zum Beispiel die Rede.
Jetzt meine Frage an Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister: Wir stocken vielleicht Garagen mit Flachdächern auf, vielleicht auch andere Bauwerke – ich hoffe, zunächst einmal nur solche, die im öffentlichen Interesse sind beziehungsweise der Öffentlichkeit oder der Gemeinde gehören. Wie stehen Sie persönlich grundsätzlich zur Aufstockung von Gebäuden, Bauwerken?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Welche Frage? – Positiv, Herr Gemeinderat, positiv stehe ich dazu. Gar keine Frage, da brauchen wir ja nicht darüber reden. Aber ich möchte Ihnen das vielleicht an einem Beispiel, anhand einer Geschichte erzählen, weil ich diese jeden Tag zwei Mal erlebe und das zwei Mal täglich im Laufe der Zeit abgemilderten Ärger bei mir auslöst. In der Wilhelminenstraße beispielsweise sind durchgängig vierstöckige Häuser, nur mitten drinnen ist ein ebenerdiger Billa. Jetzt kann man natürlich sagen, es muss ja nicht alles immer gleich hoch und über einen Kamm geschoren sein. Nur war dort auch ein vierstöckiges Haus. Aber damit das immer noch als Sanierung, als Umbau durchgeht, hat man das Haus bis auf eine Mauer de facto abgerissen, hat den Billa dorthin gebaut und die Wohnungsmöglichkeiten, die drüber durchaus gegeben wären, hat man mit der Begründung „Des tua ma uns ned an!“ nicht gebaut.
Das ist etwas, was man in Zukunft nicht zulassen sollte. Denn das hat, was Wohnungspolitik betrifft, sowieso keinen Sinn, es hat aber auch keinen ästhetischen Sinn und ist im Hinblick darauf, dass wir natürlich auch Wohnungen brauchen, in einem Gebiet, das toll mit aller Infrastruktur versorgt ist, eigentlich extrem kontraproduktiv. Das ist ein Punkt, wo ich sage: Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir solche Dinge in der Zukunft entsprechend vermeiden, bei aller Sympathie zu den modernen Nahversorgern. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 4. Zusatzfrage stellt GR Mag Neuhuber. – Bitte.
GR Mag Alexander Neuhuber (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Bürgermeister, ich teile im Allgemeinen durchaus Ihre Sorge und die des Kollegen Chorherr, was die humanistische Bildung betrifft. Ich kann Sie aber im Speziellen beruhigen: Ich persönlich hatte zum Beispiel nur sechs Jahre Latein, aber Ultima Ratio schaffe ich noch in der Übersetzung, lieber Kollege Chorherr.
Im Zusammenhang mit der Enteignung, Herr Bürgermeister, ist aber dann noch eine weitere Idee für eine Eigentumsbeschränkung, eine Eigentumsabgabe aufgekommen, nämlich die der Leerstandsabgabe. Ich glaube, diese Idee kam von der Sozialdemokratischen Jugend, Sie haben sie dann aufgegriffen und gesagt, ja, das wäre vielleicht eine Möglichkeit. Ich kann Ihnen als Immobilienkaufmann sagen, Leerstand ist nicht etwas, was die meisten Eigentümer besonders lieben. Es gibt ja schon so etwas wie eine Leerstandsabgabe, nämlich die Betriebskosten, die auch für leere Flächen zu zahlen sind. Man hält Leerstand nur dann vor, wenn man es vielleicht für die Familie braucht, oder weil es unrentabel ist, oder wie auch immer.
Diese Diskussion will ich gar nicht führen, ich möchte nur wissen, wie so eine Leerstandsabgabe aussehen könnte. Es geistern hier Zahlen von 50 bis 100 Millionen herum – das wurde, glaube ich, von Ihrer Jugendorganisation ins Treffen geführt –, 50 bis 100 Millionen könnten da pro Jahr hereingespielt werden. Die Rechnung kann ich nicht nachvollziehen. Das letzte Mal hieß es in einer Studie, in Wien gibt es einen Leerstand von 30 000 Wohnungen, eine durchschnittliche Wiener Wohnung
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