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Gemeinderat, 62. Sitzung vom 29.01.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 74 von 103

 

kann es noch verschieben. Der Schuldenstand bleibt aber letzten Endes immer der gleiche, meine Damen und Herren. Nur Zinsen müssen wir momentan zahlen. Und wenn sie nicht gestorben sind, so heißt es im Märchen, dann rollieren sie noch heute.

 

Ein weiteres Märchen, mit dem ich aufräumen will, meine Damen und Herren, hat am 15. Jänner 2015 ein dickes Ende gefunden. Sie werden nicht müde zu sagen, dass die Stadt Wien in Summe seit 1984 aus der Differenz der Zinsen von Euro, zuvor noch Schilling, gegenüber Schweizer Franken, dem sogenannten Spread, hunderte Millionen gespart hat. Abgesehen davon, dass wir uns heute leider mit dem bereits ausgegebenen Geld von damals nichts mehr kaufen können und sich auch keine Schulden tilgen lassen, wie sieht es denn wirklich aus? Auch das hat der Kollege Schock vorhin schon zitiert. Das ist, glaube ich, die berühmte Frage 7. Die Frage 7, die nicht beantwortet wurde, wird in die Annalen eingehen. Man findet das ähnlich im Strategiepapier, aber auch in einer Anfragebeantwortung. Ich zitiere wiederum: „Zudem darf ich nochmals darauf hinweisen, dass bei effektiver Durchrechnung aller Fremdwährungsfinanzierungen die Gesamtersparnis seit 1984 insgesamt rund 716 Millionen EUR beträgt. Legt man diese Gesamtersparnis auf alle derzeit ausstehenden Schweizer-Franken-Finanzierungen um, ergibt sich ein Break-Even-Kurs“ - bitte aufpassen, meine Damen und Herren – „von 1,0079 Schweizer Franken.“ Wenn ich es richtig verstehe, meine Damen und Herren, dann pendeln wir im Wesentlichen jetzt um diesen Break-Even-Kurs herum.

 

Nur kurz zur Illustrierung, ich gehe nicht davon aus, dass alle hier im Saale immer gleich in der Früh die neueste Notierung des Schweizer Frankens lesen: Der schlechteste Kurs am 15.1. in der Euro/Schweizer Franken-Relation war bei 0,85. Der Break-Even-Kurs liegt bei 1,0079. Wir sind derzeit wieder bei 1,02 bis 1,03. Das heißt nichts anderes, als dass die ganzen Reserven, ist gleich Ersparnisse, aus diesen Schweizer-Franken-Krediten aus der Vergangenheit aufgebraucht sind, meine Damen und Herren! Märchen zu Ende! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)

 

Natürlich kann keiner prognostizieren, wie sich der Schweizer Franken in den nächsten Monaten und Jahren wirklich weiterentwickeln wird, aber eine echte Erholung der Eurozone ist nicht abzusehen. Sonstige weltweite politische und wirtschaftliche Unsicherheiten unterstützen eher den Drang in die als sicher geltende Schweizer Währung.

 

Ich habe mir in den letzten Tagen verschiedenste Szenarien von Investmentbanken durchgelesen. Die am meisten gültige Einschätzung für den Schweizer Franken ist, dass er in der nächsten Zeit, 12 bis 24 Monate, in einer Bandbreite zwischen 0,90 und 1,10 pendeln wird. 1,10 wäre, so die allgemeine Meinung, der sogenannte Fair Value, aber nicht mit eingerechnet allfällige Krisen oder psychologische Ereignisse. Eine Rückkehr zu einem Kurs von 1,20, wie vor 15.1., schließen praktisch alle Analysten vor 2018 aus. Wie wir aus der Vergangenheit gesehen haben, siehe Beispiel 2013 und heute, Aussagen Brauner, sollten wir immer mit dem Schlimmsten rechnen, was redliche Kaufleute übrigens auch tun.

 

Ich denke daher, die Stadt Wien tut gut daran, ihre jahrzehntelange Spekulation mit dem Schweizer Franken nun endlich zu beenden, und zwar, das konzediere ich, nicht ruckartig und abrupt, sondern in besonnener Art und Weise. Ich denke weiter, wir sollten dabei nicht bis März 2016 warten. Beginnen wir jetzt, meine Damen und Herren, den Schweizer Franken sukzessive, nach einem noch mit Experten festzulegenden Konvertierungsplan, wieder auf Euro umzuwechseln. Ich stelle daher den entsprechenden Antrag, der da heißt:

 

„Der Wiener Gemeinderat fordert die zuständige amtsführende Stadträtin für Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke auf, die bestehenden Fremdwährungsfinanzierungen in Schweizer Franken der Stadt Wien nicht überstürzt, aber stufenweise in Teilvolumina binnen fünf Jahren in Euro zu konvertieren. In dieser Hinsicht mögen die entsprechenden Schritte für eine möglichst baldige Umsetzung in die Wege geleitet werden.“

 

Der Ordnung halber: Ich bringe diesen Antrag mit meinen Kollegen Aichinger, Walter und Leeb ein. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Kommen wir nochmals auf die Fehlspekulation und die falsche Einschätzung der Lage zurück, Frau Brauner. Ich weiß schon und gebe zu, im Nachhinein ist es immer viel leichter für den Propheten. Aber hätten Sie auf die Opposition gehört - wie heute schon dargestellt, auf die Freiheitlichen, die gesagt haben, besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, oder auf uns, da gibt es auch entsprechende Zitate, die ich jetzt auf Grund der Zeit nicht mehr bringe -, dann hätten wir uns all das ersparen können, meine Damen und Herren!

 

Ein weiterer Aspekt, über den wir in diesem Haus schon oft diskutiert haben und der auch in diese Schweizer-Franken-Verlustthematik hereinspielt, ist die Frage, wie man mit der Rechnungslegung des Haushaltes umgeht: Kameralistik oder Doppik? Ich bin seit über 25 Jahren Kaufmann, ich muss mit meiner Firma bilanzieren. Für mich ist es völlig natürlich, dass ich derartige Währungsverluste in meine Bilanz aufnehmen könnte. Ich vermute, dass einer der Gründe, warum wir rollieren, rollieren und rollieren, auch der ist, dass man es auf diese Weise nicht ausweisen muss. Meine Damen und Herren, ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt!

 

Doralt möchte ich jetzt nicht überzitieren, der Doyen des Finanzrechts ist ja heute schon zwei Mal zitiert worden. Aber wenn er sagt, dass dieser Umgang mit den Franken unverantwortlich und Scharlatanerie sei, meine Damen und Herren, dann sollte man sich das schon ins Stammbuch schreiben!

 

Das ist für mich Anlass, eine jahrelange Forderung der Wiener ÖVP auch in Form eines Antrags einzubringen. Sie wissen, wir möchten eine Umstellung von der kameralistischen Haushaltsführung auf die Doppik. Ich bringe da folgenden Beschlussantrag ein:

 

„Der Gemeinderat der Stadt Wien spricht sich für eine Wiener Haushaltsreform und Einführung des doppischen Rechnungswesens aus.“

 

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