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Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 3 von 86

 

09.01.55(Beginn um 9.01 Uhr.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen des Wiener Gemeinderates!

 

Ich eröffne die 66. Sitzung.

 

09.02.20 Entschuldigt sind GRin Graf bis zirka 13 Uhr, GRin Mag Schneider während des gesamten Tages und GR Dr Van der Bellen ebenso während des gesamten Tages. Gleichfalls entschuldigt sind GR Dr Wansch bis zirka 11 Uhr und Amtsf StR Dr Mailath-Pokorny während des gesamten Tages - er befindet sich, wie auch in der Präsidialkonferenz mitgeteilt, auf Dienstreise.

 

Sehr geehrte Gemeinderäte! Hochverehrter Herr Bürgermeister! In der Präsidialkonferenz habe ich mitgeteilt, dass ich am Beginn der Sitzung drei im Moment auch sehr aktuelle Themen ansprechen werde. Ich möchte mit dem ersten Thema beginnen und bitte Sie, sich am Ende meines Beitrages dann für eine Gedenkminute zu erheben.

 

Am 13. April 1945, also heute genau vor 70 Jahren und 11 Tagen, wurde Wien vom Terrorregime des Nationalsozialismus befreit. Zwischen 6. und 13. April 1945 fand die „Schlacht um Wien“, wie sie bezeichnet wird, im Stadtgebiet zwischen der Roten Armee und der Deutschen Wehrmacht statt. Mir persönlich erschien es sehr wichtig, dass die Rote Armee damals vor Beginn des Einmarsches in die Stadt garantierte, dass im Falle einer Eroberung möglichst schonend vorgegangen wird, die Stadt nicht bombardiert und die Wasserleitung nach Wien geschützt werden. Besonders wichtig für die Folgejahre war auch, dass dieser Kampf von österreichischen Freiheitskämpfern unterstützt wurde.

 

Unser außerordentlicher Dank gebührt den Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern und den Soldaten, die unsere Stadt befreiten. Tausende von ihnen verloren für die Wiedererlangung von Demokratie und Freiheit – unserer Demokratie und Freiheit – ihr Leben. Bedanken sollen wir uns aber auch bei der Aufbaugeneration, die in der Nachkriegszeit - es waren darunter sehr, sehr viele Frauen, bekannt unter der Bezeichnung „Trümmerfrauen“ - unter schwierigsten Bedingungen die damals stark zerstörte Stadt wieder aufgebaut hat. Damit schuf sie die Basis, auf der die nachfolgenden Generationen Wien zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität gemacht haben.

 

Die Verpflichtung unsererseits, die wir das Glück der Spätgeborenen haben und in einem seit 70 Jahren von Krieg nicht direkt betroffenen Land leben, ist es auch, die uns folgenden Generationen stets darauf hinzuweisen, dass Ressentiments gegen Minderheiten, Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus und die zumindest teilweise Ablehnung von Religionsfreiheit nicht zu dulden sind.

 

Wir dürfen aber auch unsere gemeinsamen Bemühungen, und zwar unser aller gemeinsame Bemühungen im Kampf gegen Radikalismus und Extremismus nie aufgeben. Das Motto „Niemals vergessen!“ und „Kampf dem Faschismus!“ ist heute leider noch immer sehr, sehr aktuell.

 

Kofi Annan hat vor fast genau zehn Jahren anlässlich einer Gedenkveranstaltung in Auschwitz gesagt: „Das Böse braucht das Schweigen der Massen.“ - Ich ersuche Sie, nicht zu schweigen, sondern aktiv gegen vorher genannte Fehlentwicklungen aufzutreten.

 

Zum Zweiten möchte ich betonen, dass genau heute vor 100 Jahren die Massenverhaftungen und die Vertreibung von Armeniern und Armenierinnen sowie der Genozid, welcher durch das Osmanische Reich an etwa eineinhalb Millionen Armeniern verübt wurde, begannen.

 

Ich begrüße ausdrücklich die vor wenigen Tagen von allen sechs Fraktionen des Nationalrates erzielte gemeinsame Erklärung, in der festgehalten wird, dass sie der Opfer von Gewalt, Mord und Vertreibung, zu denen auch zehntausende Angehörige anderer christlicher Bevölkerungsgruppen im Osmanischen Reich wie jener der Aramäer, der Assyrer, Chaldäer oder der Pontos-Griechen gehören, gedenken.

 

Auf Grund der historischen Verantwortung - die österreichisch-ungarische Monarchie war im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet - ist es unsere Pflicht, die schrecklichen Geschehnisse als Genozid anzuerkennen und zu verurteilen. Ebenso ist es die Pflicht der Türkei, sich der ehrlichen Aufarbeitung dunkler und schmerzhafter Kapitel in ihrer Vergangenheit zu stellen und die im Osmanischen Reich begangenen Verbrechen an den Armeniern als Genozid anzuerkennen.

 

Das Verbrechen an den Armeniern vor 100 Jahren, das von Papst Franziskus als „erster Genozid des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet wurde - ich denke, er grenzt das ein bisschen stark ein -, macht die Notwendigkeit von Gedächtniskulturen deutlich. Denn das Bewusstsein für unsere unantastbaren Werte der Freiheit, des Friedens und der Menschenrechte ist untrennbar verbunden mit einem würdigen Andenken an die Opfer von Gewalt, Verfolgung, Vertreibung und Massenmord.

 

Die Klubobleute der sechs im österreichischen Nationalrat vertretenen Parteien bekennen sich in dieser Erklärung dazu, den bewährten österreichischen Weg des Dialogs und der Versöhnung bei der Beilegung von internationalen Konflikten im Rahmen der Möglichkeiten konsequent fortzusetzen. Um die Aussöhnung zu fördern, wird die Absicht erklärt, eine Auseinandersetzung mit den historischen Ereignissen sowie deren Aufarbeitung durch die Türkei und Armenien als ersten Schritt zur Versöhnung und zur längst überfälligen Verbesserung der türkisch-armenischen Beziehungen sowohl bilateral als auch auf europäischer Ebene aktiv zu unterstützen. - Das waren im Großen und Ganzen die Inhalte dieser Erklärung.

 

Ich möchte mich besonders bei Aslan Ergen - vielleicht für manche von euch nicht bekannt, aber er ist der Präsident der Assyrischen Demokratischen Organisation in Österreich - für seinen unermüdlichen Einsatz bedanken. Er betont ständig, dass es ihm nicht um Rache, sondern um Anerkennung des von seinen Vorfahren erlebten Unrechts gehe.

 

Auf das dritte Thema, ein sehr, sehr aktuelles Thema, möchte ich nun gleichfalls eingehen - wahrscheinlich viel zu kurz, wie auch im Fall der anderen beiden Themen -, nämlich auf das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer.

 

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